Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG): Ein neues Zeitalter für Wertpapierfirmen – Q&A Teil 1

Der Bundestag hat am 15. April 2021 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (Wertpapierinstitutsgesetz - WpIG) angenommen. In diesem Teil werden wir in das WpIG einsteigen und im folgenden Teil auf die inhaltlichen Anforderungen eingehen.


Bundestag und Bundesrat schaffen einen eigenständigen Regulierungsrahmen für Wertpapierinstitute. Das Gesetz soll zum 26. Juni 2021 in Kraft treten. Bis dahin sollten sich die betroffenen Institute mit den gesetzlichen Neuerungen auseinandersetzen.

Zeitgleich tritt die europäische Verordnung (EU) 2019/2033 vom 27. November 2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen (Investment Firm Regulation - IFR) in Kraft. Die IFR knüpft inhaltlich unmittelbar an den Anwendungsbereich der MiFID II an. Von ihrem Anwendungsbereich sind damit grundsätzlich alle juristischen Personen erfasst, die im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringen und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausüben. 

1. Wen betrifft das WpIG?

Das WpIG finden Anwendung auf Wertpapierinstitute mit Sitz oder Tätigkeit in Deutschland. Wertpapierinstitute sind Unternehmen, die gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Wertpapierdienstleistungen alleine oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen oder Nebengeschäften erbringen.

2. Was sind Wertpapierdienstleistungen nach dem WpIG?

Die Wertpapierdienstleistungen nach dem WpIG entsprechen den Wertpapierdienstleistungen der MiFID II bzw. dessen Umsetzung im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und Kreditwesengesetz (KWG). Marktteilnehmern ist daher auch die bisherige Regulierung unter dem KWG bereits bekannt. 
Die einzelnen Wertpapierdienstleistungen im WpIG sind:

a) Finanzkommissionsgeschäft (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 WpIG): die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 1 WpHG.

b) Emissionsgeschäft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 WpIG): die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 5 WpHG.

c) Anlagevermittlung (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 WpIG): die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 4 WpHG.

d) Anlageberatung (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 WpIG): die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 10 WpHG.

e) Abschlussvermittlung (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 WpIG): die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen für fremde Rechnung. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 3 WpHG.

f) Betrieb eines multilateralen Handelssystems (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 WpIG): der Betrieb eines multilateralen Systems, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 8 WpHG.

g) Betrieb eines organisierten Handelssystems (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 WpIG): der Betrieb eines multilateralen Systems, bei dem es sich nicht um einen organisierten Markt oder ein multilaterales Handelssystem handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems auf eine Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 9 WpHG.

h) Platzierungsgeschäft (§ 2 Abs. 2 Nr. 8 WpIG): die Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 6 WpHG.

i) Finanzportfolioverwaltung (§ 2 Abs. 2 Nr. 9 WpIG): die Verwaltung einzelner oder mehrerer in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 7 WpHG.

j) Verschiedene Formen des Eigenhandels (§ 2 Abs. 2 Nr. 10 WpIG):

i. Market-Making: kontinuierliche Anbieten des An- und Verkaufs von Finanzinstrumenten an den Finanzmärkten zu selbst gestellten Preisen für eigene Rechnung unter Einsatz des eigenen Kapitals. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 2 Buchstabe a WpHG.

ii. Systematische Internalisierung: häufige organisierte und systematische Betreiben von Handel für eigene Rechnung in erheblichem Umfang außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems, wenn Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems ausgeführt werden, ohne dass ein multilaterales Handelssystem betrieben wird. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 2 Buchstabe b WpHG.

iii. Eigenhandel: Anschaffen oder Veräußern von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 2 Buchstabe c WpHG.

iv. Hochfrequenzhandel: Kaufen oder Verkaufen von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als unmittelbarer oder mittelbarer Teilnehmer eines inländischen organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems mittels einer hochfrequenten algorithmischen Handelstechnik, die durch bestimmte Infrastruktur gekennzeichnet ist. Dies entspricht § 2 Absatz 8 Nr. 2 Buchstabe d WpHG.

3. Was regelt das WpIG und die IFR?

Mit der Verordnung (EU) 2019/2033 (IFR) formuliert der europäische Gesetzgeber in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar gültige Regelungen für MiFID-Wertpapierfirmen. Darüber hinaus wird mit der Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen (Investment Firm Directive - IFD) den EU-Mitgliedstaaten ein Raum für spezifische Regelungen gelassen. Das WpIG ist die deutsche Umsetzung dieser Richtlinie. Zusätzlich zu dieser Umsetzung gilt die IFR als direkt anwendbares EU-Recht. Aus dem Zusammenspiel von WpIG und IFR ergibt sich das Aufsichtsregime, unter dem Wertpapierfirmen in Zukunft tätig werden.

Die Regelungen sind hierbei so angelegt, dass die Intensität der Beaufsichtigung durch die BaFin proportional zur Größe der Wertpapierinstitute ausgestaltet ist.
Für kleinere Institute gelten in bestimmten Bereichen Erleichterungen.

Die Regelungen des WpIG umfassen:

  • Anforderungen an das Anfangskapital;
  • Anforderungen an die Geschäftsorganisation und bestimmte Anzeigepflichten;
  • Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Aufsichtsbehörden, insbesondere im Hinblick auf die Solvenz der Wertpapierinstitute sowie die Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen;
  • Maßstäbe zur Beurteilung der Angemessenheit der internen Kapitalanforderungen;
  • Anforderungen an den Vorstand und die Aufsichtsgremien der Wertpapierinstitute im Hinblick auf die interne Unternehmensführung; und
  • Regelungen zur Vergütungspolitik gegenüber bestimmten Kategorien von Mitarbeitern der Wertpapierinstitute.

Die Regelungen der IFR umfassen:

  • Eigenmittelanforderungen in Bezug auf quantifizierbare, einheitliche und standardisierte Elemente des Firmen-, des Kunden- und des Marktrisikos;
  • Anforderungen zur Begrenzung des Konzentrationsrisikos;
  • Liquiditätsanforderungen in Bezug auf quantifizierbare, einheitliche und standardisierte Elemente des Liquiditätsrisikos;
  • Berichtspflichten in Bezug auf die o.g. Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen sowie des Konzentrationsrisikos; und
  • Offenlegungspflichten.

4. Wie grenzt sich das WpIG vom KWG ab?

Bislang unterfiel die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen dem regulatorischen Rahmen des KWG, während das WpHG vertriebs- und marktbezogene Regelungen enthält. Wertpapierdienstleistungen wurden hierbei von den Definitionen der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 4, 10 sowie Abs. 1a Satz 2 Nrn. 1-4 und 11 KWG) erfasst. 

Im Rahmen der einfachgesetzlichen Umsetzung der IFD möchte der deutsche Gesetzgeber nun diese Regelungen zu einem neuen Aufsichtsrecht zusammenfassen. Dieses Aufsichtsrecht bildet zukünftig das WpIG in Zusammenspiel mit der IFR. Diese Neugliederung trifft der Gesetzgeber vor allem deshalb, weil es sich bei Kreditinstituten und Wertpapierinstituten um strukturell sehr unterschiedliche Institute handelt. So sind etwa Wertpapierinstitute Finanzunternehmen, die eine auf Finanzinstrumente bezogene Finanzdienstleistung anbieten, aber anders als ein Kreditinstitut keine Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums annehmen.

Einen Regelungsbedarf sieht der Gesetzgeber auch, weil der überwiegende Teil der bisherigen Anforderungen auf allgemeine Risiken gerichtet ist, denen sich Kreditinstitute gegenübersehen. Demgegenüber unterscheiden sich die von Wertpapierinstituten eingegangenen und ausgehenden Risiken deutlich. 

Aufgrund der anders gelagerten Risiken und eines anderen Geschäftsmodells als bei Kreditinstituten hält es der Gesetzgeber daher für sachgerecht, die mit Wertpapierinstituten verbundenen Risiken im Rahmen angemessener spezifischer auf Wertpapierinstitute ausgerichteter Regeln zu beaufsichtigen. 

 

Mit freundlicher Unterstützung von Paul Gerlach (juristischer Mitarbeiter).

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