Verspätete Zahlung des Arbeitsentgelts – 40 Euro Pauschale!

LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016 – 12 Sa 524/16

Das Arbeitsentgelt und der Verzug

In einem Arbeitsverhältnis schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung des vereinbarten Arbeitsentgelts. Die Fälligkeit des Arbeitsentgelts ist im Arbeitsvertrag regelmäßig kalendermäßig bestimmt. Zahlt der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung nicht rechtzeitig, kommt er in Verzug, ohne dass es einer Mahnung seitens des Arbeitnehmers bedarf. Bei Verzug des Schuldners kann der Gläubiger einen Verzugsschaden geltend machen, den der Schuldner dann zu ersetzen hat. Der Arbeitnehmer kann also, soweit ihm durch die verspätete Vergütungszahlung ein Schaden entstanden ist, dessen Ersatz von seinem Arbeitgeber verlangen. Hierzu muss allerdings stets ein konkreter Schaden dargelegt und bewiesen werden. Darüber hinaus wurde – in Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Richtlinie 2011/7/EU) – mit Wirkung zum 29.07.2014 die Regelung des § 288 Abs. 5 BGB eingeführt. Nach dieser hat ein Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Diese Regelung findet Anwendung auf Schuldverhältnisse, die nach dem 28.07.2014 entstanden sind bzw. bei denen die Gegenleistung nach dem 30.06.2016 erbracht wird. Auch Arbeitgeber sind Unternehmer und daher keine Verbraucher, wie die Vorschrift voraussetzt, sodass eine Anwendung des § 288 Abs. 5 BGB grundsätzlich in Betracht kommt.

Aktuelle Entscheidung des LAG Köln

Daher machte ein Arbeitnehmer in einem Fall, der aktuell vom LAG Köln (Urteil vom 22.11.2016 – 12 Sa 524/16) entschieden wurde, unter anderem eine solche Pauschale geltend. Der Arbeitgeber hatte in dem in Köln entschiedenen Fall aufgrund eines zu gering berechneten Stundenlohns die Arbeitsvergütung nicht vollständig ausgezahlt. Der Arbeitnehmer klagte auf Zahlung des rückständigen Arbeitslohns nebst einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. In der ersten Instanz hatte der Arbeitnehmer bezüglich der Pauschale keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht Aachen war der Auffassung, es sei systemwidrig, dem Arbeitnehmer eine solche Pauschale zuzusprechen, wenn ihm nach § 12a ArbGG auch kein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zustehe.

Anders sah das das LAG Köln und sprach dem Arbeitnehmer die Pauschale zu. Eine ausdrückliche Ausnahme für das Arbeitsverhältnis von der Regelung des § 288 Abs. 5 BGB finde sich nicht im Gesetz. Eine solche ließe sich dem Wortlaut nicht entnehmen und ergebe sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 12a ArbGG. Für eine Analogie fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn die Einführung des § 288 Abs. 5 BGB sei eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers im Hinblick auf die EU-Richtlinie gewesen. Ferner sei die Arbeitsentgeltforderung die klassische Konstellation des § 288 Abs. 5 BGB, da der Arbeitnehmer als Gläubiger Verbraucher sei und der Unternehmer als Schuldner kein Verbraucher sei. Dies sei auch nicht im Hinblick auf § 12a ArbGG systemwidrig, da die Pauschale des § 288 Abs. 5 BGB keine Pauschalierung eines Schadensersatzes für die Rechtsverfolgungskosten darstelle, sondern eine dem deutschen Recht bislang fremde „Strafzahlung“ beinhalte. Der säumige Schuldner solle damit für seine verspätete Zahlung sanktioniert werden.

Damit gehen Gesetzgeber und Rechtsprechung - beeinflusst von europäischen Vorgaben - weiter auf einem bisher uneinheitlichen Weg einer allmählichen „Amerikanisierung“ deutscher Rechtsverhältnisse.

Fazit

In der Tat ist eine Ausnahme der Pauschalzahlung in Höhe von 40 Euro (beispielsweise für Arbeitsverhältnisse) in § 288 Abs. 5 BGB nicht angelegt. Das LAG Köln hat jedoch folgerichtig die Revision zum BAG zugelassen, da die aufgezeigte Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Arbeitgeber Revision einlegen wird und ob in diesem Fall das Urteil des LAG Köln Bestand haben wird. Sofern die Entscheidung allerdings bestätigt bzw. keine Revision durchgeführt wird, ist zukünftig vermehrt damit zu rechnen, dass Arbeitnehmer die Verzugspauschale bei nicht rechtzeitiger Zahlung des Arbeitslohns von ihrem Arbeitgeber verlangen. Daher bleibt dem Arbeitgeber nur eins: die rechtzeitige und vollständige Zahlung des Arbeitslohnes zu gewährleisten, um Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen.

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