BAG zum immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO

Geschrieben von

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Dr. Artur-Konrad Wypych

Partner
Deutschland

Als Partner in der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in unserem Düsseldorfer Büro berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem viel beachteten Urteil (BAG, Urt. v. 20. Februar 2025 8 AZR 61/24) betreffend einen Schadensersatzanspruch für immateriellen Schaden nach Art. 82 Abs.1 DSGVO im Zusammenhang mit dem Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass das bloße Berufen auf eine ,,negative Gefühlslage" nicht ausreicht, einen Kontrollverlust über personenbezogene Daten und damit einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 Abs.1 DSGVO anzunehmen. Ein ersatzfähiger Kontrollverlust setzt eine gerichtlich überprüfbare, begründete Befürchtung des Datenmissbrauchs voraus. 

Der Fall

Der Kläger begehrte knapp vier Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gemäß Art. 15 Abs.1 bzw. Abs.3 DSGVO Auskunft bezüglich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten. Die Beklagte kam seinem Verlangen nach klägerartiger Einschätzung allerdings nur unzureichend nach, woraufhin der Kläger eine ,,Geldentschädigung" nach Art. 82 Abs.1 DSGVO geltend machte. Das im vorliegenden Fall vom Kläger vorgetragene "erhebliche Maß an Sorge bzgl. des Schicksals seiner Daten", Angst vor "Schindluder" mit den Daten und "genervt" von dem Aufwand der Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit dem Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO zu sein, reicht aber laut der Erfurter Richter nicht aus, um einen vom Art. 82 Abs.1 DSGVO erfassten Schadensersatzanspruch zu begründen. 

Die Entscheidung

Die Sorge vor einem Datenmissbrauch könne zwar einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen, die bloße Äußerung entsprechender Befürchtungen reiche jedoch regelmäßig nicht für die Darlegung eines Schadens aus. Vielmehr ist eine messbare und objektivierbare Darlegung eines entstandenen Schadens erforderlich (BAG, Urt. v. 25. Juli 2024 8 AZR 225/23 Rn. 33; Urt. v. 20. Juni 2024 8 AZR 124/23 Rn. 15). Zudem bestätigte der Senat seine Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast des Betroffenen hinsichtlich eines ihm erlittenen Schadens und eines dem Arbeitgeber treffenden Verstoßes gegen die DSGVO (EuGH, Urt. v. 11. April 2024 – C-741/21 Rn. 35; Urt. v. 25. Januar 2024 – C-687/21 Rn. 60 f [MediaMarktSaturn]; BAG, Urt. v. 20. Juni 2024 8 AZR 124/23 Rn. 13).

Auffallend ist, dass das BAG diese Rechtsfrage damit in vergleichbaren Fällen anders bewertet als der BGH (Grundsatzurteil zum sog. Scraping BGH, Urt. v. 18. November 2024, Az. VI ZR 10/24; Urt. v. 11. Februar 2025, Az. VI ZR 365/22). Der BGH nimmt nämlich bereits einen haftungsauslösenden immateriellen Schaden nach Art. 82 Abs.1 DSGVO bei einem behaupteten Kontrollverlust über eigene Daten an, an dem keine weiteren Anforderungen bezüglich der Objektivierbarkeit oder richterlichen Messbarkeit gestellt werden. Die momentan bestehende Divergenz zwischen den beiden Bundesgerichten hinsichtlich dieser Frage schafft eine Rechtslage, die Raum für strategische Überlegungen bezüglich der Wahl des Gerichtsstandes bietet. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren werden es Arbeitnehmer nunmehr schwerer haben, bei DSGVO-Verstößen des Arbeitgebers Schadensersatz durchzusetzen. Arbeitgeber sind dadurch besser vor ,,pauschalen Schadensersatzforderungen" und Missbrauch durch ,,DSGVO-Hopper" geschützt.

Kläger vor den allgemeinen Zivilgerichten hingegen können immaterielle Schäden erheblich einfacher erfolgreich einklagen. Daher könnte es für Arbeitgeber in einem entsprechenden Rechtsstreit ratsam sein, bei Klagen vor Zivilgerichten die Zuständigkeit zu rügen und die Verweisung ans Arbeitsgericht zu verlangen. Besonders relevant ist dies bei schwerwiegenden Datenschutzverletzungen wie Datenlecks und Scraping-Fällen, wo Unternehmen mit erheblich höheren Haftungsrisiken rechnen müssen. Die BGH-Rechtsprechung schafft somit für Betroffene außerhalb von Arbeitsverhältnissen einen deutlich verbraucherfreundlicheren Rechtsschutz bei Datenschutzverstößen.

Praxis Tipp

Arbeitgeber sollten mit Blick auf Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO klare interne Prozesse etablieren und Bearbeitungsschritte dokumentieren, um Verzögerungen bei der Beantwortung zu vermeiden. Zudem ist eine proaktive Kommunikation mit nachvollziehbaren Begründungen entscheidend.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Bundesarbeitsgerichts.

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