Haftung bei Nachrangdarlehen – BGH Update mit Relevanz für Crowdfunding-Strukturen

Geschrieben von

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Johannes Wirtz, LL.M.

Partner
Deutschland

Als Partner in unserer Finance & Financial Regulation Gruppe in Frankfurt berate ich unsere nationalen und internationalen Mandanten in Fragen der Bankenregulierung und des Finanzrechts

pascal leitmann Module
Pascal Leitmann

Associate
Deutschland

Als Associate in unserer Finance & Financial Regulation Praxisgruppe berate ich nationale und internationale Mandanten in finanzaufsichtsrechtlichen Fragen und bei Fragen der Projektfinanzierung.

Der 3. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs („BGH“) hat in seinem Urteil vom 20. März 2025 – III ZR 261/23 („Urteil“) klargestellt, unter welchen Voraussetzungen Geschäftsführer von Darlehensnehmern bei Unwirksamkeit der Nachrangklausel eines Nachrangdarlehen nicht haften, sondern sich auf einen sog. unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen können. Die Entscheidung ist insbesondere für Crowdfunding-Strukturen von erheblicher Bedeutung, denn gerade dort werden häufig Nachrangdarlehen für die Durchführung der Finanzierung eingesetzt. Deren rechtssichere Ausgestaltung ist für alle Beteiligten aus verschiedenen Gründen, darunter aus zivilhaftungsrechtlicher sowie finanzaufsichtsrechtlicher Perspektive, von wesentlicher Bedeutung.

Hintergrund der Entscheidung

Ausganspunkt des Urteils ist ein Fall, der auch in der Praxis des Crowdfundings vergleichbar auftreten kann. Der Beklagte warb – erst als Einzelkaufmann und später für eine GmbH – im Rahmen eines Anlagemodells Darlehen von Anlegern ein, um mit den Mitteln Immobilien zu erwerben. 

Nachdem die Staatsanwaltschaft gegen den Beklagten wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz („KWG“) durch das Betreiben unerlaubter Einlagengeschäfte ermittelte, beauftragte er einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Dieser sollte für die Umsetzung des Anlagenmodells ein neues Konzept entwickeln und entwarf dafür einen neuen Darlehensvertrag mit einer qualifizierten Nachrangklausel. Die rechtssichere Vereinbarung eines qualifizierten Nachranges schließt für den Darlehensnehmer aus, dass es sich um ein unerlaubte betriebenes Einlagengeschäft handelt. Darüber hinaus wurde die GmbH gegründet, deren Geschäftsführer der Beklagte war.

Die Staatsanwaltschaft erlangte von dem neuen Nachrangdarlehensvertrag Kenntnis und stellte ihr Ermittlungsverfahren ein. 

Aufgrund des neuen Konzepts wurde mit dem Kläger – einem der Anleger – der ursprünglich geschlossene Darlehensvertrag in ein neuen, die qualifizierende Nachrangklausel enthaltenden Darlehensvertrag übergeleitet.

Angesichts der späteren Insolvenz der GmbH, forderte der Kläger Schadensersatz vom Geschäftsführer der GmbH persönlich, da er die Nachrangklausel für unwirksam hielt. 

Die zentrale rechtliche Frage des Verfahrens war, ob sich der Beklagte auf einen – die Haftung ausschließenden – unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen kann. Der BGH bejahte dies. Damit wich er von der Entscheidung der Vorinstanz, des Oberlandesgerichts Köln („OLG Köln“) vom 19. Juli 2023 – 13 U 131/22, ab. Das OLG Köln hatte in dem Abschluss der vom Beklagten angebotenen Darlehensverträge ein unerlaubtes Einlagengeschäft gesehen und den Beklagten deshalb für schadensersatzpflichtig gehalten.

Rechtliche Problematik

Qualifizierte Nachrangdarlehen, die regelmäßig auch im Rahmen von Crowdfunding-Strukturen eingesetzt werden, dürfen grundsätzlich aufgenommen werden, ohne dass der Darlehensnehmer einer Erlaubnis für das Einlagengeschäft bedarf. Der qualifizierte Nachrang führt dazu, dass die hingegebenen Gelder nicht mehr „unbedingt rückzahlbar“ sind, wie dies der Tatbestand des Einlagengeschäfts in § 1 Abs. 1 S.1 Alt. 2 KWG erfordert. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Nachrangklausel wirksam ausgestaltet ist. Dies unterliegt strengen Anforderungen, die in der zivilrechtlichen Rechtsprechung des BGH laufend fortentwickelt werden. Wenn die Klausel unwirksam ist, ist das Darlehen regelmäßig für den Darlehensnehmer ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr.1 Alt. 2 KWG.

Ist hierfür keine Erlaubnis von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) erteilt worden, ist das Einlagengeschäft unerlaubt betrieben worden. Das Betreiben des Einlagengeschäfts ohne Erlaubnis ist eine Straftat. Daraus kann unter anderem ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch von Anlegern resultieren. Ein solcher Anspruch entfällt, wenn sich der Darlehensnehmer in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befand.

Was ist ein unvermeidbarer Verbotsirrtum?

Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn jemand irrtümlich annimmt, rechtmäßig zu handeln, obwohl tatsächlich ein Verstoß gegen ein Gesetz vorliegt. 

Dies kann regelmäßig auch bei der Verwendung von Nachrangdarlehen der Fall sein. Im Kontext von Crowdfunding-Strukturen bedeutet das konkret, dass der Emittent – typischerweise der Darlehensnehmer – davon ausgeht, dass die von ihm verwendete Nachrangklausel wirksam ist und das Geschäftsmodell daher keiner Erlaubnispflicht unterliegt. Wird die Wirksamkeit der Klausel später – insbesondere durch ein Gericht – anders beurteilt, ist das Darlehen in der Folge als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft zu qualifizieren. Der unvermeidbare Verbotsirrtum kann dann die hieraus folgenden straf- und zivilrechtlichen Haftungen ausschließen, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen.

Hierzu reicht aber nicht allein die irrige Vorstellung darüber aus, dass die Klausel wirksam gewesen sei. Der Verbotsirrtum muss für den Darlehensnehmer unvermeidbar gewesen sein. Ein Verbotsirrtum ist dann unvermeidbar, wenn die handelnde Person trotz sorgfältiger Prüfung und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Kenntnisse, Erfahrungen und ihres beruflichen Umfelds nicht erkennen konnte, dass ihr Verhalten rechtswidrig ist. Im Zweifel trifft die Person eine Erkundigungspflicht, wobei Auskunftsperson und erteilte Auskunft verlässlich sein müssen.

Der BGH hat diese Voraussetzungen im Urteil nun weiter spezifiziert.

Kernaussagen des BGH

Das Urteil setzt dabei an dem Kriterium der Unvermeidbarkeit an. Im Fokus steht die Frage, inwieweit sich der Beklagte auf eine fachkundige Rechtsberatung verlassen durfte und welche Bedeutung der Ermittlung von Behörden, wie der Staatsanwaltschaft oder der BaFin, zukommen.

Wer sich an einen auf dem Rechtsgebiet versierten Rechtsanwalt wendet, um eine Auskunft oder Beratung zu erhalten, hat vielfach das zunächst Gebotene getan. Es ist allerdings weiter erforderlich, dass der Darlehensnehmer auf die Richtigkeit der Auskunft nach den erkennbaren Umständen vertrauen durfte. Das ist der Fall, wenn die Beratung objektiv, sorgfältig und verantwortungsbewusst erfolgte und der Sachverhalt umfassend geprüft wurde. 

Bei schwierigen Rechtsfragen oder komplexen Sachverhalten ist ein schriftliches Gutachten notwendig. In den übrigen Fällen ist es jedoch ausreichend, wenn die Beratung erkennbar auf einer fundierten, gewissenhaften Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und der maßgeblichen Rechtslage beruht. Im Falle des Urteils hat der BGH es als ausreichend angesehen, dass dem Rechtsanwalt das Mandat erteilt worden war, eine Klausel zu entwerfen, deren Verwendung die Erlaubnispflicht ausschloss. Dies erfasse nach Auffassung des BGH auch die Überprüfung ihrer Wirksamkeit. Dass diese auch mit der nötigen Gründlichkeit und unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage erfolgt sei, durfte der Beklagte vor dem Hintergrund des abgerechneten Zeitaufwands annehmen, wonach allein die Begutachtung der bisherigen Vereinbarungen nach dem KWG und der Möglichkeit eines qualifizierten Rangrücktritts nebst Literaturrecherche fast 22 Stunden umfasste.

Der BGH führt auch aus, wann sich Darlehensnehmer nicht auf anwaltlichen Rat berufen können. Das ist nach Rechtsprechung des II. Zivilsenates dann der Fall, wenn ein sogenanntes „Gefälligkeitsgutachten“ lediglich zur Absicherung, nicht aber zur ergebnisoffenen Klärung eingeholt wird. Gleiches gilt für Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder lediglich eine „Feigenblattfunktion“ erfüllen sollen. Ein solcher Fall lag vorliegend allerdings nicht vor. Der BGH sah keinen Anhaltspunkt, dass vor dem Hintergrund der erfolgten Rechtsberatung zur Erstellung der Klausel einer weitergehenden Plausibilitätskontrolle der rechtlichen Richtigkeit der Vertragsgestaltung, oder gar ein schriftliches Gutachten erforderlich war. Ein derartiges allgemeines Erfordernis überspanne vielmehr die Anforderungen. 

Abschließend stellt der BGH fest, dass sich nicht allgemein festlegen lässt, welche Anforderungen im Einzelnen an die Klärung der Erlaubnispflicht zu stellen sind und wie eine rechtliche Auskunft oder Beratung ausgestaltet sein muss. Vielmehr hängt dies stets von dem konkret zu beurteilenden Fall ab.

Das Urteil behandelt darüber hinaus auch, welche Auswirkungen das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und die Einstellung des Verfahrens auf die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums haben. 

So durfte sich der Beklagte durch den Verlauf des Ermittlungsverfahrens in seiner Auffassung bestärkt sehen, dass das neue Anlagenmodell erlaubnisfrei sei. Die Staatsanwaltschaft hatte die überarbeiteten Vertragsunterlagen zur Kenntnis genommen und das Verfahren im Hinblick auf das neue Konzept eingestellt, ohne strafrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Der BGH erkennt darin einen Umstand, der das Vertrauen des Beklagten in die Rechtmäßigkeit seines Handelns zusätzlich stützte.

Eine zusätzliche Einschaltung der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde war nach Auffassung des BGH unter den gegebenen Umständen nicht notwendig. Zwar könne die Einbeziehung der Aufsichtsbehörde im Einzelfall für mehr rechtliche Sicherheit sorgen, doch sei dies dann entbehrlich, wenn bereits die Staatsanwaltschaft, in die Prüfung eingebunden war und keine Beanstandungen geäußert hatte.

Bemerkenswert ist zudem, dass der BGH in seiner Entscheidung auch eine hypothetische Betrachtung zulässt, die zugunsten des beklagten Nachrangdarlehensnehmers wirkt. So führt der BGH aus, dass es selbst für den Fall einer gänzlich unterlassenen Erkundigung durch den beklagten Nachrangdarlehensnehmer zu einer Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums kommen kann, wenn eine hypothetisch ausreichende Erkundigung zu einer Fehlvorstellung des beklagten Nachrangdarlehensnehmers geführt hätte.

Fazit

Der BGH stellt mit seiner Entscheidung klar, dass wer sich bei komplexen aufsichtsrechtlichen Fragen an eine fachkundige Rechtsberatung wendet, und eine fundierte, sorgfältige Beratung erhält, sich im Einzelfall auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen kann, auch ohne schriftliches Gutachten. Entscheidend ist nicht die Form, sondern die Qualität der Beratung. Dabei führt das Urteil ausdrücklich aus, dass die Beauftragung eines spezialisierten Rechtsanwalts mit einer neuen (erlaubnisfreien) Vertragsgestaltung grundsätzlich dazu führt, dass der Darlehensnehmer auf die Erlaubnisfreiheit seines Geschäftes vertrauen darf. 

Zusätzlich kann die Einschätzung einer Behörde wie der Staatsanwaltschaft oder der BaFin das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns stärken. Besonders bemerkenswert ist, dass der BGH selbst dann einen unvermeidbaren Irrtum annimmt, wenn eine hypothetisch gebotene Erkundigung zur gleichen Fehlvorstellung geführt hätte.

Für die Praxis bedeutet dies zunächst, dass man sich bei der Gestaltung von Finanzprodukten rechtlich durch einen fachkundigen Rechtsanwalt beraten lassen sollte. Auf fachkundigen und fundierten Rat – insbesondere in der Vertragsgestaltung – darf sich der Rechtssuchende verlassen. Er schützt sich so vor einer späteren Haftung, auch wenn sich die Rechtsprechung ändern sollte.

Mit freundlicher Unterstützung von Anna Maria Volz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin.

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