Deutschlands erste Entscheidung zur MiCAR: das VG Frankfurt zu Ethena

Geschrieben von

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Johannes Wirtz, LL.M.

Partner
Deutschland

Als Partner in unserer Finance & Financial Regulation Gruppe in Frankfurt berate ich unsere nationalen und internationalen Mandanten in Fragen der Bankenregulierung und des Finanzrechts

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Timo Förster

Associate
Deutschland

Als Associate in der Praxisgruppe Finanzierung & Finanzregulierung in unserem Büro in Frankfurt berate ich internationale Mandanten zu banken- und finanzierungsrechtlichen Fragen.

Rechtsprechung zu finanzaufsichtsrechtlichen Themen ist selten. Häufig dauert es Jahre, bis eine erste Entscheidung zu einer neuen Verordnung oder umgesetzten Richtlinie ergeht. Dies ist bei der MiCAR anders - hier hat es nicht einmal ein Jahr gedauert, bis ein deutsches Gericht die erste Entscheidung im Zusammenhang mit der MiCAR gefällt hat. Im Einzelnen:

Die Vorgeschichte

Rechtzeitig um die Übergangsfristen zu nutzen, stellte die Ethena GmbH am 29. Juli 2024 einen Antrag bei der BaFin, um den vermögenswertereferenzierende Token (asset-referenced token - ART) „USDe“ zu begeben. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bearbeitete den Antrag und veröffentlichte daraufhin am 21. März 2025 eine Verbraucherwarnung, in der sie darauf hinwies, dass es Mängel bei der Antragstellerin gäbe. Gleichzeitig äußerte die BaFin den Verdacht, dass es sich bei dem von der Ethena OpCo. Ltd. begebenen Token „sUSDe“ um ein Wertpapier handele, welches, von der Ethena GmbH, ohne erforderlichen Prospekt angeboten werde. 

Am 3. Juni 2025 publizierte die BaFin eine weitere Warnung, in welcher sie den hinreichend begründeten Verdacht äußerte, dass die Ethena (BVI) Ltd. gegen Prospektpflichten verstoße indem sie (wie auch die Ethena GmbH) die von Ethena OpCo. Ltd. begebenen „sUSDe“ token ohne den erforderlichen Prospekt angeboten hat. Die BaFin begründete ihre Annahme unter Verweis auf Art. 3 Abs. 1 EU-Prospektverordnung. Zudem rief die BaFin Verbraucherinnen und Verbraucher dazu auf, Investitionen in Wertpapiere lediglich auf Grundlage der erforderlichen Informationen bzw. des entsprechenden Prospekts zu tätigen.

Zwischenzeitlich – am 3. April 2025 – zog die Ethena GmbH ihren Erlaubnisantrag jedoch zurück, womit das Zulassungsverfahren endet. Entsprechend konnte sich das Unternehmen nicht mehr auf die Übergangsregelung gem. Art. 143 Abs. 4 MiCAR berufen und durfte innerhalb der EU keine Geschäfte mehr tätigen.

Gegen die Veröffentlichungen der BaFin wendete sich ein Antrag an das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt am Main.

Ablehnung der Anträge – Verstoß gegen die ProspektVO 

In seinem (in der Veröffentlichung teilweise anonymisierten) Beschluss vom 2. Mai 2025 (Az. 7 L 1257/25) hat das VG den Antrag der Ethena GmbH auf Erlass einstweiligen Rechtsschutzes gegen die öffentliche Bekanntmachung der BaFin vom 21. März 2025 zurückgewiesen. 

In dieser Bekanntmachung äußerte die BaFin, dass sie den hinreichend begründeten Verdacht habe, dass das Angebot der in dem anonymisierten Beschluss als „Z.“-Token bezeichneten Token seitens der Ethena GmbH gegen die Prospektpflicht gemäß Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Prospektverordnung (ProspektVO) verstoße. 

Prospektpflicht aufgrund der Einstufung als Wertpapier 

Das VG Frankfurt am Main führte zunächst aus, die Antragstellerin sei als „Anbieterin“ im Sinne des Art. 2 lit. i ProspektVO zu qualifizieren, obgleich die Erzeugung der Token dezentral und automatisiert über Smart Contracts erfolge.

Entscheidend für die Bewertung war, dass die „Z.“-Token die Merkmale eines Wertpapiers im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 WpPG i.V.m. Art. 2 lit. a ProspektVO und Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II erfüllten. Dies begründete das Gericht damit, dass der Token übertragbar und an Kryptobörsen handelbar seien. Zudem verkörpere der Token vermögensmäßige Rechte, da er den Inhabern nicht nur die Rückgabe der eingebrachten „P.“-Token, sondern auch eine darüberhinausgehende, wenn auch variierende Rendite in Form weiterer Token sichere. Damit stelle der „Z.“-Token eine Art Schuldtitel mit wertpapierähnlichen Rechten dar, was eine Prospektpflicht auslöse.

Infolgedessen diene die BaFin-Veröffentlichung dem präventiven Anlegerschutz und der Integrität des Kapitalmarkts, weshalb jene Bekanntmachung verhältnismäßig – mithin geeignet, erforderlich und angemessen – sei, um über einen hinreichend begründeten Verdacht zu informieren. Ergänzend müsse hierbei gewürdigt werden, dass es sich um einen bloßen Warnhinweis und nicht um eine endgültige Feststellung der BaFin handle. 

Allerdings erscheint insbesondere die Einordnung des „Z.“-Tokens als Wertpapier zweifelhaft.

Problematisch ist diesbezüglich bereits der Umstand, dass die rechtliche Begründung der Entscheidung des VG Frankfurt am Main ausschließlich auf Hinweiseschreiben der BaFin basiert - ungeachtet dessen, dass es sich hierbei um die Antragsgegnerin handelt. 

Materiell gilt es sodann, die Annahme der Standardisierung infrage zu stellen, da der Rücktauschwert des Tokens von der individuellen Dauer des Stakings abhängt und somit keine einheitliche, gleichartige Ausgestaltung vorliegt. Zwar erfolgt Handelbarkeit auf Kryptobörsen, doch ist dies faktisch und nicht notwendigerweise ein Beleg für eine rechtliche Standardisierung im Sinne der MiFID II.

Staking wird in der Rechtsprechung bislang kaum behandelt und spielt in den Veröffentlichungen von BaFin und ESMA nur eine untergeordnete Rolle. Jedoch definiert die Europäische Kommission in den Q&As der ESMA Staking als die Immobilisierung von Kryptowerten zur Unterstützung von Proof-of-Stake-Konsensmechanismen, wofür Validatorenprivilege (validator privileges) und Blockbelohnungen (block rewards) vergeben werden. Da die MiCAR keine spezifischen Regelungen für Staking enthält und diese im Umkehrschluss auch nicht verbietet, ist direktes Staking durch Nutzer ohne spezielle Zulassung möglich.

Anders verhält es sich bei Staking-Diensten („Staking-as-a-Service“), bei denen Anbieter im Auftrag der Kunden deren Kryptowerte verwahren und staken. Diese unterliegen den MiCAR-Vorschriften für Verwahrungsdienste und benötigen eine entsprechende Erlaubnis. Dabei sind insbesondere der Schutz der Kundenvermögen, die Haftung für Verluste sowie die ausdrückliche Einwilligung der Kunden vorab sicherzustellen. Zudem besteht für die Kunden ein Rückzahlungsanspruch auf ihre gestakten Kryptowerte, der jedoch nicht den rechtlichen Eigenschaften eines klassischen Schuldrechtsanspruchs entspricht, sondern sich aus dem spezifischen Verhältnis zwischen Kunden und Dienstleister im Krypto-Umfeld ableitet.

Demzufolge vermittelt der Token weder klassische mitgliedschaftliche Rechte noch klar definierte vermögensrechtliche Ansprüche, sondern stellt vielmehr eine technisch gesteuerte Rückabwicklung per Smart Contract dar.

In der Konsequenz erscheint die Adäquanz der Anwendung des bestehenden Wertpapierrechts auf derart innovative, automatisierte Token-Modelle fraglich, da diese Instrumente weder in der ursprünglichen regulatorischen Konzeption berücksichtigt wurden noch ohne Weiteres unter traditionelle Kategorien fallen. 

Mangelhafte Verhältnismäßigkeitsprüfung

Darüber hinaus lassen sich dem Beschluss des VG Frankfurt am Main in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung sowie den Schutz der Unternehmenspersönlichkeitsrechte der Ethena GmbH einige Mängel entnehmen. Insofern verneinte das Gericht das Rechtsschutzbedürfnis für vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz (§ 123 Abs. 1 VwGO) mit dem Hinweis, dass nachträglicher vorläufiger Rechtsschutz grundsätzlich ausreiche und vorbeugender Rechtsschutz nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht komme. Besagte Argumentation greift aber zu kurz, da insbesondere die potenziellen wirtschaftlichen Folgeschäden durch die namentliche Nennung und die Abwägung milderer Mittel zur Bekanntmachung nicht hinreichend berücksichtigt wurden.

Nachspiel

Nachdem das Erlaubnisverfahren für die Ausgabe von ARTs durch die Ethena GmbH beendet wurde, steht nun die Abwicklung des übergangsweise betriebenen Geschäfts an. Am 25. Juni 2025 hat die BaFin die Abwicklung verfügt und Inhaber von USDe können den Token nun bis zum 6. August 2025 zurücktauschen. Die BaFin beaufsichtigt den Rücktauschprozess mit einem Sonderbeauftragen begleitend zu überwachen. 

Fazit

Mithin bestätigt das VG Frankfurt am Main die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der BaFin-Bekanntmachung. Insbesondere für die Qualifizierung von (staking) Token erfolgt damit eine wichtige gerichtliche Beurteilung, die das Risiko einer Ausstrahlwirkung auf andere Anwendungsfälle hat. Nichtsdestotrotz sind der Entscheidung rechtliche und verfassungsrechtliche Kritikpunkte sowohl hinsichtlich der Einstufung des „Z.“-Tokens als Wertpapier als auch der mangelhaften Verhältnismäßigkeitsprüfung entgegenzuhalten.

 

Mit freundlicher Unterstützung von Franka Förderer – wissenschaftliche Mitarbeiterin

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