Kleinanlegerstrategie: Widerstand gegen Provisionsverbot und weitere Vorhaben aus dem Europäischen Parlament

Das von der EU-Kommission geplante (eingeschränkte) Provisionsverbot für bestimmte Wertpapierdienstleistungen gegenüber Anlegern bleibt weiterhin Gegenstand der politischen Diskussion. Nun brachte die Berichterstatterin des Europäischen Parlamentes, Stéphanie Yon-Courtin, ihre Vorbehalte gegen das Provisionsverbot und weitere Vorhaben im europäischen Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) zum Ausdruck.

Pläne der Kommission

Im Rahmen der Kapitalmarktunion hat die EU seit 2015 Maßnahmen erlassen, die einen echten Kapitalbinnenmarkt schaffen sollen. Im Rahmen dieses Projektes sind auch rechtliche Reformen geplant, die dem Schutz von Kleinanlegern dienen sollen.

In ihrem ersten Entwurf hatte die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness ein umfassendes Provisionsverbot vorgesehen. Dieses sah vor, dass die Vergütung von Finanzdienstleistungen zukünftig nicht durch Provisionen („Zuwendungen“) stattfinden dürfe, die im Falle einer erfolgreichen Vermittlung von Finanzinstrumenten an den Finanzdienstleister gezahlt werden. Hintergrund dieses Vorstoßes ist die Annahme der EU-Kommission, dass Finanzdienstleister ihre Finanzdienstleistungen nicht in erster Linie an den Bedürfnissen ihrer Kunden ausrichten könnten, sondern solche Produkte bevorzugt empfehlen würden, deren Vertrieb durch eine höhere Provision vergütet wird.

Diese Haltung trifft auf großen Widerstand aus der Finanzvermittlerbranche und verschiedenen politischen Kreisen. Sie befürchten, dass das alternative Vergütungsmodell unabhängig zu entrichtender Gebühren dazu führen werde, dass Kleinanleger ihre Anlageentscheidung ohne vorangegangene Fachberatung treffen, um Gebühren zu sparen. Hierdurch sei das Risiko von Fehlentscheidungen jedoch deutlich höher als ohne Beratung und dem Anlegerschutz so ein Bärendienst erwiesen.

Wir haben hierzu bereits berichtet und die verschiedenen Argumente für und gegen das erwogene Provisionsverbot betrachtet. 

Was ist stattdessen geplant?

Nach dem bereits erwähnten Widerstand gegen die geplanten Regelungen, passte die Kommission die Kleinanlegerstrategie in zentralen Punkten an (wir berichteten hierzu ausführlich).

Die wohl wichtigste Änderung ist, dass das ursprünglich geplante, umfassende Provisionsverbot aufgeweicht wurde und fortan nur noch für reine Ausführungsgeschäfte gelten sollte, denen keine Beratung vorangegangen ist. Die Kommission behält sich jedoch eine nachträgliche Einführung eines Provisionsverbotes vor, sofern die geplanten Regelungen innerhalb einer dreijährigen Beobachtungsphase keine zufriedenstellenden Ergebnisse im Hinblick auf den Anlegerschutz bringen.

Weiterhin sieht der aktuelle Vorschlag ein sogenanntes „Benchmarking“ vor: Hierzu sollen die europäischen Aufsichtsbehörden ESMA und EIOPA künftig Richtwerte (= Benchmarks) ermitteln, die einen üblichen Preis für Finanzprodukte sichtbar machen. Finanzdienstleister, deren Produkte diese Richtwerte übersteigen, müssen nach dem aktuellen Vorschlag begründen, warum sie dies tun.

Als weitere Maßnahme ist ein Best-Interest-Test geplant, der die Finanzdienstleister verpflichten würde, bei der Anlagevermittlung aus einer angemessenen Produktpalette die kosteneffizientesten Finanzinstrumente auszuwählen, die die für den Kunden geeignet sind und ähnliche Merkmale aufweisen. Aus dieser Auswahl sollen anschließend ein oder mehrere Produkte ausgewählt werden, die keine zusätzlichen Merkmale aufweisen, die für die Anlageziele des Kunden nicht erforderlich sind und zusätzliche Kosten verursachen.

Aktueller Widerstand aus dem Parlament

Obwohl der aktualisierte Vorschlag auf die Forderung nach einem Verzicht auf ein Provisionsverbot eingeht, hält die Kritik aus der Finanzvermittlerbranche an. Insbesondere das Benchmarking und der Best-Interest-Test stellten einen Eingriff in den Markt dar, der zu Verzerrungen führe und das Ziel des Anlegerschutzes konterkariere.

Hierbei kommt nun Unterstützung aus dem Europäischen Parlament: Die zuständige Berichterstatterin des ECON, Stéphanie Yon-Courtin, kritisierte die Pläne der Kommission deutlich.

So löse das aufgeweichte Provisionsverbot den darunterliegenden Interessenkonflikt nicht. Zielführender sei es dagegen, das hohe Vertrauen der Anleger in Finanzdienstleister zu erhalten und die Qualität der Beratung durch eine Ausweitung der Transparenzregelungen zu fördern. Hierfür müsse die Kleinanlegerstrategie Instrumente und Verbesserungen zur Verfügung stellen. Die zuvor erwähnte Möglichkeit der Kommission, nachträglich ein Provisionsverbot einzuführen hält die Berichterstatterin für ungeeignet, da sie eine Voreingenommenheit der Kommission zum Ausdruck bringe. Hierdurch entstehe der Eindruck, die Kommission bereite ein umfassendes Provisionsverbot vor, das schrittweise eingeführt werden solle. Stattdessen schlägt sie eine Verlängerung der Beobachtungsphase auf fünf Jahre und eine Erweiterung des Beurteilungsmaßstabes vor. Dieser soll potenzielle Interessenkonflikte, die Kostenentwicklung, den Umfang der Kleinanlegerinvestitionen auf den Kapitalmärkten, den Verbraucherschutz und die Relevanz der Vertriebsvorschriften einbeziehen.

Auch das „Benchmarking“ sieht die Berichterstatterin kritisch. Derartige Eingriffe könnten zu einer Störung des Marktes führen und die Produktvielfalt stören sowie etwaige Innovationen unterdrücken. Um dieses Risiko zu umgehen sei es erforderlich, die Maßstäbe für das Benchmarking genauer festzulegen. Das Ziel, ein bestmögliches Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln unterstützt die Berichterstatterin dennoch. Allerdings unter der Vorgabe, einen „richtigen“ und „ausgewogenen“ Ansatz hierfür zu entwickeln. Dies müsse jedoch im Rahmen einer politischen Debatte erfolgen. Der gegenwärtige Vorschlag lege die Maßstäbe dagegen nicht genau genug fest.

Mit Blick auf den geplanten Best-Interest-Test schlägt die Berichterstatterin Anpassungen vor. Anstelle der Kosteneffizienz solle vielmehr die Qualität des Anlageproduktes zum Gegenstand des Tests werden. Hierfür solle das Produkt anhand seiner Leistung, des Risikoniveaus, der Kosten und Gebühren eines versicherungsbasierten Anlageprodukts oder anhand etwaiger zugrunde liegender Anlageoptionen ermittelt werden, welche Produkte für die Bedürfnisse und Ziele der Anleger am besten geeignet sind. Hierfür sei jedoch nicht nur deren Preis maßgeblich.

Bedeutung für die Kleinanlegerstrategie

Die Kritik der Berichterstatterin offenbart, dass Nachbesserungen an der Kleinanlegerstrategie erforderlich sind. Zum einen wird deutlich, dass eine Zustimmung des Europäischen Parlamentes zum gegenwärtigen Vorschlag angesichts der deutlichen Haltung des fachlich zuständigen ECON-Ausschusses fraglich ist. Zum anderen zeigt sich, dass die Kritik der Finanzvermittlerbranche nicht unvernommen verhallt ist, sondern in zentralen Entscheidungsgremien der Union Anklang findet. Insofern lohnt es sich, diese weiterhin in die politische Debatte einzubringen. Wir werden die Entwicklungen weiterverfolgen.

 

Mit freundlicher Unterstützung von Manuel Traub, wissenschaftlicher Mitarbeiter. 

 

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