Trend „Klimaklagen “

Mit fortschreitendem Klimawandel ist auch das Thema Climate Change Litigation in die Schlagzeilen geraten. Dieser Artikel umreißt die aktuellen Entwicklungen und gibt Antwort auf die Fragen: Wie ist dem neuen Themenfeld „Climate-Change-Litigation“ entgegenzutreten und wie gelingt eine erfolgreiche Verteidigung gegen „Klima-Klagen“?

In vielen ausländischen Rechtsordnungen sind Klagen gegen Großunternehmen wegen deren Mitverursachungsbeiträgen zum menschengemachten Klimawandel schon seit einiger Zeit vom belächelten Versuch der Rechtsfortbildung zum nicht zu unterschätzenden Haftungsrisiko geworden. Auch Deutschland ist zunehmend von dieser Entwicklung betroffen. Gerade energie- und emissionsintensive Unternehmen sollten sich proaktiv mit diesem Risiko auseinandersetzen, da die Tragkraft altgedienter Argumentationsmuster vor dem Druck präziserer wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuerer Entwicklungstendenzen vor Gericht abzunehmen droht.

Das Phänomen der „Climate Change Litigation“, d. h. Klagen, die im Umfeld der Bewältigung der Klimakrise entstehen, beschäftigt insbesondere ausländische Gerichte schon seit geraumer Zeit. Neben Klagen gegen Staaten auf strengere gesetzliche Regelungen, die spätestens mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz auch in Deutschland angekommen sind, müssen Privatunternehmen dabei vor allem mit Klagen auf Schadensersatz oder auf Übernahme von Vorsorgekosten zur Bewältigung negativer Umweltentwicklungen rechnen.

Neue Haftungsrisiken für Unternehmen

Dieses Haftungsrisiko ist nicht nur theoretischer Natur. Dies zeigt neben der Entwicklung in den Niederlanden und den USA, wo Unternehmen bereits aufgrund solcher Klagen verurteilt worden sind, auch ein Beschluss des OLG Hamm im vielbeachteten Fall einer Klage eines peruanischen Bauern gegen den Energiekonzern RWE: Das OLG hält eine haftungsrechtliche Verantwortung von RWE für eine Gletscherschmelze in den peruanischen Anden, die das Dorf des peruanischen Bauern und damit dessen Lebensgrundlage gefährden soll, jedenfalls nicht von vornherein für ausgeschlossen und ordnete deshalb eine Beweisaufnahme an. Dass auch andere Unternehmen das mit Klimaklagen verbundene Risiko ernst nehmen müssen, zeigen zudem die Klageverfahren gegen namhafte deutsche Automobilhersteller, mit denen diesen nach Oktober 2030 der Vertrieb von Verbrennungsmotoren untersagt werden sollen, solange die entsprechenden Fahrzeuge nicht treibhausgasneutral sind. Mit einer ähnlich gelagerten Klage soll auch einem weiteren deutschen Energieunternehmen die Förderung von Erdgas und Erdöl sowie die Eröffnung neuer Öl- und Gasfelder untersagt werden.

Die unmittelbaren Haftungsrisiken aufgrund solcher Klimaklagen werden zum einen durch die wachsende gesellschaftspolitische Bedeutung der Klimakrise und die hohe mediale Präsenz dieser Verfahren gesteigert. Zum anderen drohen den betroffenen Unternehmen empfindliche Reputationsverluste, die sich in signifikanten finanziellen Reputationsschäden niederschlagen können.

Notwendigkeit einer maßgeschneiderten Verteidigungsstrategie

So einheitlich der Hintergrund der – zumindest in Deutschland noch relativ neuen – Klimaklagewelle ist, so unterscheiden sich die hochkomplexen technischen, wissenschaftlichen und damit verbunden rechtlichen Fragen ganz erheblich, was eine auf den Einzelfall zugeschnittene Verteidigung, die über das altgediente Argument des angeblich „ohnehin mangelnden Kausalitätsnachweises“ hinausgeht, notwendig macht.

Dies gilt umso mehr, als rechtsfortbildende Bestrebungen der Rechtsprechung durch den „Klima-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichtes Aufwind bekommen dürften. In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere die grundrechtliche Bedeutung einer sich verschlechternden klimatischen Situation für die jüngere Generation hervorgehoben. Angesichts der ständigen Rechtsprechung, nach der die Zivilgerichte dazu berufen sind, im Wege der sogenannten mittelbaren Drittwirkung den Grundrechten auch im Privatrechtsverkehr zur Geltung zu verhelfen, ist damit zu rechnen, dass das traditionelle Instrumentarium des Zivilrechts auf der Suche nach neuen Steuerungsinstrumenten fortentwickelt werden wird. In anderen Rechtsordnungen ist dies bereits geschehen, so etwa in den Niederlanden, wo der Shell-Konzern im Frühjahr dieses Jahres verurteilt wurde, bis 2030 seine CO2-Emissionen deutlich zu senken. Da auch auf der Seite der emittierenden Unternehmen neben deren gesellschaftlichen Funktionen grundrechtlich geschützte Interessen und Rechtspositionen in die Fallbeurteilung einzustellen sind, stellen sich besonders komplexe Abwägungsfragen, deren Klärung durch die Gerichte sich nicht immer sicher voraussagen lässt.
So zeichnen sich denn auch die von den Klägern bisher bemühten Anspruchsgrundlagen – im Wesentlichen die zivilrechtlichen Generalklauseln – durch ihre prinzipielle Entwicklungsoffenheit aus. In rechtlicher Hinsicht sind bisher mangels speziellerer Anspruchsgrundlagen Klagen regelmäßig auf die allgemeinen zivilrechtlichen Normen entweder der deliktischen Schadensersatzhaftung oder der eigentumsrechtlichen Störerhaftung gestützt worden, die schon bei der Bewältigung vergangener Krisen umfangreiche richterliche Rechtsfortbildung erfahren haben.

Technischer Fortschritt erleichtert die Beweisführung bzgl. des Ursachenzusammenhang zwischen unternehmerischem Handeln und konkreten Klimafolgen

Zugleich wird mit dem zunehmenden technischen Fortschritt und den wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnissen über bestimmte Klimawandelphänomene auch die Beweislage der Kläger immer besser: War es noch vor wenigen Jahren unmöglich, einen haftungsrechtlich belastbaren Ursachenzusammenhang zwischen unternehmerischem Handeln und konkreten Klimafolgen aufgrund der Vielzahl denkbarer kausaler Mechanismen nachzuweisen, sind mittlerweile eine ganze Reihe früher unklarer Fragen dem Beweis (insbesondere in Form von Sachverständigengutachten) zugänglich. So erscheint beispielsweise eine Zurechnung von Verursachungsbeiträgen, an denen Zivilklagen in der Vergangenheit häufig scheiterten, in zunehmendem Maße sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht denkbar. Hieraus resultieren gerade für Unternehmen mit hohem Emissionsausstoß veritable Haftungsrisiken, denen nicht mehr einfach mit dem naheliegenden Einwand begegnet werden kann, dass die eigenen unternehmerischen Aktivitäten ein öffentlich-rechtlich genehmigtes Verhalten darstellten und schon aus diesem Grund keine haftungsbegründende Verletzungshandlung sein könnten. 

Neben der Gefahr direkter Inanspruchnahme bestehen zudem eine Reihe weiterer Risiken für Unternehmen, die mit Klagen wegen Beiträgen zur Klimakrise zusammenhängen. Dazu gehören insbesondere Verschärfungen unternehmerischer Sorgfalts- und Rechnungslegungspflichten, was vor allem auch Informationspflichten bei unternehmerischen Entscheidungen mit Klimabezug sowie hinsichtlich der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie beinhalten kann. Zudem werden Finanzierung und Investitionen vermehrt an die Einhaltung von ESG-Kriterien („Environment, Social, Governance“) geknüpft, was verstärkte Anforderungen an Compliance-Strukturen zur Folge hat. Bei fehlerhaften oder unvollständigen Darstellungen von klimabezogenen Risiken und/oder der Unternehmenspolitik (Stichwort „Greenwashing“) im Rahmen der Kapitalmarktpublizität drohen zudem potenzielle Schadensersatzklagen von Aktionären, die sich überdies auch bei „klimabedingten“ Kursverlusten, beispielsweise wegen Reputationsschäden, einstellen können.

Auf diese Risiken sollten Unternehmen vorbereitet sein.

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