Keine Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags eines Profifußballers aufgrund einer einsatzabhängigen Verlängerungsklausel bei pandemiebedingten Saisonabbruch

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich in seinem Urteil vom 24. Mai 2023 mit den Auswirkungen des pandemiebedingten Saisonabbruch 2019/2020 auf den Arbeitsvertrag eines Profifußballers. In solchen, auf eine Spielzeit befristeten, Arbeitsverträgen sind Vertragsklauseln üblich, die eine Vertragsverlängerung um eine weitere Spielzeit vorsehen, wenn der Profifußballer eine bestimmte (Mindest-) Anzahl von Spieleinsätzen erreicht.

BAG, Urteil vom 24. Mai 2023 – 7 AZR 169/22

Sachverhalt

Der Kläger hatte mit der Beklagten für die Zeit vom 1. September 2019 bis 30. Juni 2020 einen befristeten Arbeitsvertrag als Profifußballer und Vertragsspieler geschlossen. Dabei sah § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags eine Verlängerung des Vertrags um eine weitere Spielzeit vor, sofern der Kläger auf mindestens 15 Einsätze, mit einer jeweiligen Mindestspielzeit von 45 Minuten, in Meisterschaftsspielen der Saison 2019/2020 kommen würde.

Aufgrund einer Evaluierung der Leistungsfähigkeit und des Leistungsvermögens der Vertragsspieler durch die Geschäftsführer und das Trainerteam der Beklagten, wurde die sportliche Leistung des Klägers jedoch als ungenügend eingestuft. Diese Bewertung wurde durch zwei weitere Spieleinsätze des Klägers überprüft und sodann endgültig entschieden, dass der Kläger, aus sportlichen Erwägungen, für die kommende Spielzeit nicht mehr eingesetzt werden sollte.

Bis zum 15. Februar 2020 konnte der Kläger somit insgesamt nur zwölf der 15 erforderlichen Mindesteinsätze in Meisterschaftsspielen verzeichnen. Anschließend erhielt der Kläger bis zur Unterbrechung des Spielbetriebs aufgrund der Corona-Pandemie am 14. März 2020 keine Spieleinsätze mehr. Am 26. Mai 2020 wurde die Spielzeit 2019/2020 schließlich vorzeitig beendet.

Der Kläger machte mit seiner Klage geltend, dass sich sein Arbeitsvertrag um eine weitere Spielzeit, bis zum 30. Juni 2021, verlängert habe. Dabei stellte sich dieser auf den Standpunkt, dass er, aufgrund des unvorhersehbaren pandemiebedingten Saisonabbruchs, schon mit den zwölf Spieleinsätzen die notwendige Anzahl von Pflichtspielen zur Vertragsverlängerung erbracht habe. Die Parteien hätten die Mindesteinsatzzahl an Spieltagen angepasst oder stattdessen eine Mindesteinsatzquote vereinbart, wenn sie den vorzeitigen Saisonabbruch bei Vertragsschluss hätten vorhersehen können.

Schon das Arbeitsgericht (ArbG) und das Landesarbeitsgericht (LAG) hatten die Klage abgewiesen. So bleibt nun auch die Revision des Klägers vor dem BAG erfolglos.

Keine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) und keine Anpassung der Verlängerungsklausel aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB)

Das BAG erklärte in seiner Pressemitteilung, dass die Parteien die Vertragsverlängerung vom Erreichen einer absoluten Mindesteinsatzzahl abhängig gemacht haben, welche der Kläger nicht vorweisen kann. Dabei sei weder eine Korrektur der absoluten Mindesteinsatzzahl durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) vorzunehmen, noch bestehe ein Anspruch des Klägers auf Anpassung der Vertragsklausel aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB).

Eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB ist dabei gegenüber der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB vorrangig, wobei die Grenzen fließend sind. Die ergänzende Vertragsauslegung ist grundsätzlich möglich, wenn die Parteien bewusst oder unbewusst eine vertragliche Regelung für den eingetretenen Fall nicht vorgenommen haben. Insoweit ist der Inhalt des Arbeitsvertrages nach dem Willen der Parteien auszulegen. Dahingegen erfolgt eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung einer Geschäftsgrundlage, wenn wegen einer grundlegenden Änderung der Verhältnisse eine Beurteilung nach dem Parteiwillen nicht möglich ist.

Das LAG Hessen (Urteil vom 14. März 2022 – 18 Sa 141/21) führte insoweit aus, dass eine ergänzende Vertragsauslegung zum Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie im Einzelfall zwar möglich sein kann, wenn aus dem Vertrag auf den erkennbaren Parteiwillen geschlossen werden kann und dem auch die vertragliche Risikoverteilung entspricht. Jedoch sei dabei zu berücksichtigen, dass die Pandemie durchaus zu grundlegenden Veränderungen der Verhältnisse geführt habe, sodass ein entsprechender Parteiwille für diese unvorhersehbare Situation nicht für jeden Fall angenommen werden könne. Dafür spreche auch, dass mit Art. 240 EGBGB Sonderregeln für den Umgang mit der Corona-Pandemie ergingen, also besondere Regelungen für Vertragsanpassungen erlassen werden mussten.

Darüber hinaus sei aus dem Arbeitsvertrag nicht hinreichend erkennbar, was die Parteien gewollt und demnach auch vereinbart hätten, wenn schon bei Vertragsschluss festgestanden hätte, dass die Saison 2019/2020 vorzeitig enden könnte. Insoweit hatte die Beklagte auch bestritten, dass sie die Vertragsverlängerung von einer prozentual verringerten Mindestanzahl von Spielen abhängig gemacht hätte. Folglich könne nicht angenommen werden, dass es dem Willen der Parteien entsprochen hätte den Arbeitsvertrag um eine weitere Spielzeit zu verlängern, sofern der Kläger nur eine, dem pandemiebedingten Saisonabbruch angepasste, Mindestquote an Spieleinsätzen erreicht hätte.

Ein Anspruch des Klägers auf Anpassung der Verlängerungsklausel gem. § 313 Abs. 1 BGB lehnte schon das ArbG Offenbach (Urteil vom 9. Dezember 2020 – 4 Ca 270/20) mit der Begründung ab, dass das Festhalten am unveränderten Arbeitsvertrag für den Kläger nicht unzumutbar sei. Auch wenn man annimmt, dass sich pandemiebedingt die Umstände des Vertragsschlusses so verändert haben, dass die Parteien die einsatzabhängige Verlängerungsklausel nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, muss für die Unzumutbarkeit das Festhalten am Vertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen. Der Kläger hätte aufgrund der Entscheidung des Trainerteams, ihn bis zum Ende der Saison 2019/2020 nicht mehr einzusetzen, auch unabhängig von der pandemiebedingten Unterbrechung der Spielzeit und der daraufhin folgenden vorzeitigen Beendigung der Saison, die Mindestanzahl von Spieltagen nicht erzielt. Dann kann ein Festhalten an der einsatzabhängigen Verlängerungsklausel auch nicht unzumutbar sein.

Für die Entscheidung des BAG kam es dabei auf die Wirksamkeit der einsatzabhängigen Verlängerungsklausel nicht an. Die konkreten Erwägungen des BAG für seine ablehnende Entscheidung bleiben, bis zur Bereitstellung der Urteilsgründe, allerdings abzuwarten.

Bedeutung für die Praxis

Auch wenn es zu hoffen gilt, dass ein pandemiebedingter Saisonabbruch längst der Vergangenheit angehört, gibt die Entscheidung des BAG doch einen Weg für die Zukunft vor: Arbeitgeber von Profifußballern sollten künftig die Voraussetzungen für einsatzabhängige Verlängerungsklauseln präziser festlegen, um Unsicherheiten bei der Vertragsauslegung zu vermeiden. Die sichere Ausgestaltung von Arbeitsverträgen zahlt sich letztlich nicht nur für Krisenzeiten aus.

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