Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 19. Oktober 2022 einen neuen und überarbeiteten Entwurf einer Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WpIVergV) zum Wertpapierinstitutsgesetz zur Konsultation gestellt.
Dadurch sollen die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2034) über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen (IFD) an Vergütungssysteme für Mittlere Wertpapierinstitute konkretisiert und ausgestaltet werden (Konsultation 07/22).
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Grundzügen der WpIVergV. Welche Anpassungen und Veränderungen im Verhältnis der ursprünglichen Konsultationsfassung (Konsultation 04/2021) zur aktuellen Konsultationsfassung vorgenommen worden sind, können der Fortsetzung dieses Beitrags entnommen werden.
Ziel der WplVergV
Im Kern geht es darum, die Vergütungspolitik innerhalb eines Wertpapierinstituts an dessen nachhaltiges und langfristiges Wachstum sowie dessen wirtschaftlichen Erfolg zu koppeln. Durch die WpIVergV will die BaFin sicherstellen, dass ein Institut seine Vergütungspolitik und -praxis auf die Geschäftsstrategie und langfristigen Interessen des Instituts unter Berücksichtigung seiner Geschäfts- und Risikostrategie und seines Risikoprofils ausrichtet. Zu leistende Vergütung soll Anreize für eine vorsichtige Risikoübernahme und gerade keine Anreize für eine übermäßige Risikobereitschaft oder unlautere Verkaufspraktiken schaffen.
Die Vergangenheit habe gezeigt (Stichwort: Finanzkrise 2008 – hohe Boni, bei Misserfolg kaum Einschränkungen in der Vergütung), dass eine Vergütungspolitik, die kurzfristige Erfolge belohne ohne fehlende Sanktionierung im Falle nachhaltiger Schädigung durch risikoreiche Praktiken zu enthalten, bei den Entscheidungsträgern zu große Anreize schaffe, kurzfristige Gewinne zu erzielen, um selber finanziell zu profitieren. Dieser Gefahr soll durch die WpIVergV und deren Vorgaben zur Vergütungspolitik Grenzen gesetzt werden.
Dabei ist ein Gleichlauf mit der schon länger existierenden Institutsvergütungsverordnung (IVV) zu erkennen, welche die Vergütung von Instituten nach dem KWG regelt. Die Regelungsstruktur und der Inhalt decken sich in weiten Teilen. Einige Regelungen, wie z.B. die Regelung zum Vergütungskontrollausschuss, sind sogar wortlautidentisch. Es gibt allerdings auch Unterschiede. An manchen Stellen ist die IVV weitreichender. So sieht die WpIVergV, im Gegensatz zur IVV, keine Regelungen für einen Vergütungsbeauftragten oder eine Offenbarungspflicht vor.
Zentrales Anliegen und Geltungsbereich WplVergV
Kennzeichnend für die WpIVergV ist deren risikobasierter Ansatz. Für Wertpapierinstitute gilt es, deren interne Vergütungsstrukturen auf das eigene Risikoprofil abzustimmen.
Die WpIVergV gilt nur für Mittlere Wertpapierinstitute und übergeordnete Unternehmen. Für diese gilt also nicht mehr die IVV. Die IVV gilt allerdings weiterhin für große Wertpapierinstitute. Ebenfalls keine Anwendung findet die WpIVergV auf kleine Wertpapierinstitute. Diese müssen jedoch die Vorgaben der MaComp (BT 8) bei der Einrichtung ihrer internen Vergütungsstrukturen beachten.
Von der WpIVergV erfasst sind Geschäftsleiterinnen und Geschäftsleiter sowie sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren berufliche Aktivitäten sich wesentlich auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts oder der von ihm verwalteten Vermögenswerten auswirken (sogenannten Risikoträger). Die interne Identifikation, welche Mitarbeiter konkret als Risikoträger zu qualifizieren sind, müssen die Wertpapierinstitute eigenverantwortlich vornehmen.
Vergütungspolitik und -praxis
Der Konsultationsentwurf 07/2022 unterteilt weiterhin zwischen fixer und variabler Vergütung. Die klare Trennung zwischen fixer und variabler Vergütung wird im Gesetz explizit als Kriterium für ein angemessenes Vergütungssystem hervorgehoben. In der WpIVergV wird ausführlich dargelegt, was als fixe Vergütung zu qualifizieren ist. Als variable Vergütung wird all das gesehen, was nicht Teil der fixen Vergütung ist. Im Grundsatz gilt: Wenn eine eindeutige Zuordnung einer Komponente zur Kategorie der festen Vergütung anhand der in der Verordnung enthaltenen Kriterien nicht möglich ist, sollte diese als variable Vergütung angesehen werden. Als variable Vergütung sind z.B. Leistungen zur Altersvorsorge, Halteprämien und Abfindungen zu nennen, wobei Abfindungen vereinzelt bei der Berechnung des Verhältnisses von fixer zu variabler Vergütung außer Betracht bleiben können.
Es ist für Wertpapierinstitute von herausragender Bedeutung, die Vergütungskomponenten entweder einer festen oder einer variablen Vergütung zuzuordnen. In ihrer Vergütungspolitik sollten eindeutige, objektive, vorab festgelegte und transparente Kriterien festgelegt sein, um alle Vergütungskomponenten entweder der Kategorie der festen Vergütung oder der Kategorie der variablen Vergütung zuzuordnen.
Die Vergütungssysteme und die zugrunde gelegten Vergütungsparameter sind durch das Wertpapierinstitut im Rahmen einer zentralen und unabhängigen internen Prüfung zumindest einmal jährlich auf ihre Angemessenheit, insbesondere auch auf ihre Vereinbarkeit mit den Geschäfts- und Risikostrategien, zu überprüfen. Diese Vorgabe ist fast identisch mit Vorgaben aus der IVV. Nur das Erfordernis einer zentralen und unabhängigen internen Prüfung ist neu.
Durch die Vorschriften der WpIVergV soll mittels der Vergütungspolitik ein angemessenes Verhältnis zwischen der variablen und der festen Komponente der Gesamtvergütung geschaffen werden. Bei der Festsetzung des Verhältnisses sollten Wertpapierinstitute berücksichtigen, dass eine leistungsabhängige variable Komponente sich positiv auf die „Risikoteilung“ auswirken und Anreize für ein vorsichtiges Risikoverhalten in Einklang mit der Risikoneigung des Wertpapierinstituts bieten kann, während eine unausgewogene variable Vergütungskomponente unter bestimmten Umständen nachteilige Auswirkungen haben kann. Je höher die mögliche variable Vergütung im Vergleich zur festen Vergütung ist, desto stärker ist der Anreiz, die dafür benötigte Leistung zu erbringen, und desto größer können die damit verbundenen Risiken ausfallen. Die Wertpapierfirmen sollten berücksichtigen, dass sich die Mitarbeiter daran gewöhnen können und daher mit einer erheblichen variablen Vergütung rechnen. Ist die feste Komponente im Vergleich zur variablen Vergütung zu niedrig, so kann es für ein Wertpapierinstitut schwierig werden, in einem schwachen Geschäftsjahr die variable Vergütung zu reduzieren oder zu streichen. Dabei gilt es zu beachten, dass durch die Zahlung variabler Vergütung zu keiner Zeit die ausreichende Eigenmittelausstattung gefährdet werden darf.
Die Höhe der variablen Vergütung ist zu bemessen anhand der individuellen Leistung des Risikoträgers, des Geschäftsbereich und des gesamten Instituts. Die Leistungsmessung muss sich über einen mehrjährigen Zeitraum ziehen. Der Bemessungszeitraum muss mindestens 12 Monate betragen. Zudem müssen die Methoden zur Leistungsbemessung und die Leistungskriterien klar bestimmt sein. Von zentraler Bedeutung sind außerdem die Vorgaben zur nachträglichen Risikoadjustierung. In diesem Kontext hat die BaFin auf Kritik an der Konsultation 04/2021 reagiert. In sämtlichen Stellungnahmen zu der Konsultation 04/2021 tauchte der Vorschlag auf, die Vorschriften der Ex-Post-Risikoadjustierung nur auf variable Vergütungen anzuwenden, die einen gewissen Schwellenwert überschreiten. In Anlehnung an eine derartige Regelung in der IVV wurde in sämtlichen Stellungnahmen ein Schwellenwert von EUR 50.000 vorgeschlagen. Diesem Vorschlag ist die BaFin in ihrem neuen Verordnungsentwurf gefolgt. Eine Ex-Post-Risikoadjustierung unterhalb dieses Wertes erfolgt nicht mehr. Dadurch wird die IFD umgesetzt, der Proportionalitätsgrundsatz gewahrt und unnötig hoher administrativer Aufwand vermieden.
Negative Erfolgsbeiträge eines Risikoträgers und ein negativer Gesamterfolg des bedeutenden Instituts müssen sich mindernd auf die variable Vergütung auswirken und in gravierenden Fällen sogar zum vollständigen Verlust der variablen Vergütung führen.
Malus, Rückforderungsregelungen (Clawback) & Zurückbehaltungsregelungen (Deferrals)
Die WpIVergV enthält verschiedene Ex-Ante und Ex-Post-Risikoadjustierungsmechanismen. Einerseits wird in der Verordnung klar geregelt, in welcher prozentualen Höhe die variable Vergütung mindestens zurückbehalten werden muss (Deferral). Die zurückbehaltene Vergütung, sollte keine nachträgliche Korrektur erforderlich werden, darf erst in einem Zeitraum von 3 – 5 Jahren geleistet werden (Mindestzurückbehaltungszeitraum).
Daneben existieren Malus (Vereinbarung, nach der ein Institut die variable Vergütung nachträglich verringern kann) und Rückforderungsvereinbarungen (Clawback: Vereinbarung, nach der ein Risikoträger einen in der Vergangenheit gezahlten Betrag an das Wertpapierinstitut zurückzahlen muss). Hierbei handelt es sich um explizite Ex-post-Risikoanpassungsmechanismen, bei denen das Wertpapierinstitut selbst die Vergütung des identifizierten Mitarbeiters auf der Grundlage dieser Mechanismen anpasst (z. B. durch eine Senkung der gewährten Barvergütung oder eine Verringerung der Zahl oder des Werts der gewährten Instrumente). Die WpIVergV sieht vor, dass Institute unbeschadet der allgemeinen Grundsätze nationalen Arbeits- oder Vertragsrechts im Stande sein müssen, 100% der variablen Vergütung zurückfordern zu können.
Verbot des Hedging
Die Ex-ante und Ex-post-Risikoadjustierung sind elementare Bestandteile einer angemessenen Vergütungspolitik. Die Praxis, eine Korrektur des an einen Risikoträger gezahlten Betrags vorzunehmen, z.B. durch die Anwendung von Malus- und Rückforderungsvereinbarungen, müssen daher Bestand haben und dürfen nicht umgangen werden. Ansonsten würden die Ziele der WpIVergV bedroht. Um dies zu garantieren ist es daher unzulässig Verträge mit Dritten, die mögliche Minderungen durch Abzüge bei Eingreifen von Malus- oder Rückforderungsregelungen kompensieren, abzuschließen. Solche Verträge sind nichtig. Die Einhaltung dieser Vorgabe ist durch interne Compliance Abteilungen zu überwachen.
Fazit
Die WpIVergV schafft eigenständige Vorgaben für Mittlere Wertpapierinstitute und übergeordnete Unternehmen hinsichtlich der im eigenen Unternehmen einzurichtenden Vergütungsstrukturen.
Betroffene Wertpapierinstitute, für die bislang die Vorgaben der IVV und des KWG gegolten haben, sollten sich mit möglichen Unterschieden gegenüber den bislang geltenden Regelungen vertraut machen, um neue Vorgaben möglichst zeitnah umzusetzen und Verstöße zu vermeiden. Es gilt die Entwicklung zur finalen Fassung der WpIVergV daher aufmerksam zu verfolgen.
Unser Finance & Financial Regulation Team verfolgt die weitere Entwicklung der WpIVergV aufmerksam und hält Sie mit weiteren Webseitenbeiträgen up-to-date.
Mit freundlicher Unterstützung von Christopher Schmieder, LL.M (Boston University) (wissenschaftlicher Mitarbeiter), Bird & Bird Frankfurt am Main – Finance & Financial Regulation