BAG zur Zulässigkeit der Anordnung von PCR-Tests

Geschrieben von

martin schimke module
Prof. Dr. Martin Schimke, LL.M.

Of Counsel
Deutschland

Als Of Counsel und Mitglied des Sportrechtsteams in unserem Düsseldorfer Büro bin ich ausgewiesener Experte mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Sportrecht. Ferner bin ich Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Bayerische Staatsoper im Rahmen ihres Hygienekonzepts PCR-Tests einseitig anordnen durfte. Diese Anordnung ist dabei vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt.

Keine Gehaltszahlung für Flötistin wegen Testverweigerung

Im Rahmen der Corona-Pandemie ordnete die Bayerische Staatsoper im Jahr 2020 für ihre Mitarbeiter die Durchführung von PCR-Tests in regelmäßigen Abständen von ein bis drei Wochen an. Ohne einen negativen Testnachweis wurde ihnen verwehrt an den Proben und Aufführungen teilzunehmen. Dabei bot sie diese Tests kostenlos an. Eine Flötistin weigerte sich diese Tests durchzuführen. Die Staatsoper stellte darauf ihre Gehaltszahlungen für den entsprechenden Zeitraum ein.

In der Folge erhob die Flötistin Klage und begehrte Gehaltsnachzahlungen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, da sie arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen sei. Die Parteien stritten insbesondere um die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Testpflicht. Die Klägerin war der Ansicht, dass dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit darstelle.

Weisungsrecht zur Umsetzung der arbeitgeberseitigen Schutzpflicht

Nachdem die Klage durch die Vorinstanzen gelaufen ist, hielt nun auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 01. Juni 2022 – 5 AZR 8/22 - die Testpflicht für rechtmäßig.

Der Arbeitgeber hat gemäß § 618 BGB eine Pflicht zu Schutzmaßnahmen, insbesondere in Bezug auf Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer. Diese Schutzpflichten werden durch das Arbeitsschutzgesetz konkretisiert. Zur Umsetzung dieser Pflichten steht dem Arbeitgeber dabei das Weisungsrecht nach § 106 Satz 2 GewO zu. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass dieses Weisungsrecht nur nach billigem Ermessen erfolgen darf.

Anordnung von Testpflicht ist vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt

 Das BAG stellt klar, dass die Anordnung der Testplicht dem billigen Ermessen i.S.v. § 106 Satz 1 GewO entspricht. Insbesondere ist der minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten verhältnismäßig.

Die vorab ergangenen Maßnahmen, der Umbau des Bühnenraums und Anpassungen der aufzuführenden Stücke, waren aus Sicht der Staatsoper nicht ausreichend. Sodann erarbeite diese, um den Vorgaben der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung zu genügen, mit wissenschaftlicher Unterstützung ein Hygienekonzept. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegt laut Gericht der Zweck der Anordnungen, die Gewährleistung des Spielbetriebs und gleichzeitigem Gesundheitsschutz der Beschäftigten, gegenüber dem minimalen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Hieran ändert auch ein möglicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nichts, da ein positives Testergebnis aufgrund von Meldepflichten dem Arbeitgeber ohnehin bekannt werden würde.

Folglich kam das Gericht demzufolge zu dem Schluss, dass kein Annahmeverzug seitens des Arbeitgebers besteht. Durch die Verweigerung der Durchführung der Tests habe die Klägerin keinen Leistungswillen i.S.d. § 297 BGB gezeigt.

Praxishinweise

Die Entscheidung hat Auswirkungen auf betriebliche Hygienemaßnahmen. Sofern in Herbst und Winter die Corona-Pandemie erneut Fahrt aufnimmt, kann es sein, dass wieder Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie notwendig werden. Nach dem BAG kann die Anordnung einer Testpflicht im Einzelfall im billigen Ermessen des Arbeitgebers liegen und deshalb rechtmäßig sein. Insbesondere wiegen die Zwecke des Gesundheitsschutzes schwerer als der minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Dies ist insbesondere relevant für Betrieb, bei denen die berufliche Tätigkeit vor Ort und gemeinschaftlich stattfinden muss und nicht auf alternative Arten der Arbeitstätigkeit, wie Homeoffice, ausgewichen werden kann. Letztlich unterliegt die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aber dem Einzelfall, wobei insbesondere die Lage der Pandemie zu berücksichtigen ist. Es kann deshalb hilfreich sein vorab oder zusätzlich zu berücksichtigen, ob andere Möglichkeiten wie beispielsweise Umbaumaßnahmen in Betracht kommen.

Sollte ein Arbeitnehmer jedoch einer solchen Anordnung nicht nachkommen, so ist der Betrieb berechtigt die Gehaltszahlungen einzustellen.

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