Arbeitnehmer können nicht verlangen, mobil im Ausland arbeiten zu dürfen

Soweit nicht anderweitig geregelt, bestimmt der Arbeitgeber den Arbeitsort nach billigem Ermessen. Danach haben Arbeitnehmer aber keinen Anspruch darauf, im oder aus dem Ausland heraus zu arbeiten.

Arbeitsgericht München, Urteil vom 27.08.2021 – Aktenzeichen 12 Ga 62/21

Parteien streiten über die Genehmigung einer mobilen Tätigkeit im Ausland

Im einstweiligen Verfügungsverfahren streiten die Parteien über den Arbeitsort der Verfügungsklägerin. Sie forderte die Genehmigung einer vierwöchigen Tätigkeit vom Ausland aus.
Das beklagte Unternehmen erbringt IT-Dienstleistungen für Bundeswehr und Bundesbehörden. Es unterhält im Ausland keine eigenen Betriebe, Niederlassungen oder Zweigstellen. Aufgrund der besonderen Sicherheits- und Datenschutzrelevanz dürfen die Mitarbeiter die zur Verfügung gestellte Informationstechnik nur nach vorheriger Genehmigung ins Ausland mitnehmen.

Im Mai 2021 stellte die Verfügungsklägerin einen entsprechenden Mitnahmeantrag für vier Wochen. Anstatt wie bislang ihre Tätigkeit aus dem Homeoffice in München zu erbringen, wollte sie ihren Lebensgefährten, der in der Schweiz wohnt, besuchen und währenddessen weiter für das beklagte Unternehmen tätig sein. In der Vergangenheit war ihr bereits mehrmals die Mitnahme der Technik für verlängerte Wochenenden in der Schweiz genehmigt worden.

Dies lehnte die Verfügungsbeklagte unter Hinweis darauf ab, dass eine dauerhafte Tätigkeit von der Schweiz aus insbesondre zu erheblichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen führen würde. Nachdem die interne Anweisung erlassen wurde, dass privatmotivierte Mitnahmeanträge zukünftig nicht mehr genehmigt werden, leitete die Verfügungsklägerin das Verfahren ein. Mit ihrem Antrag möchte sie ihr Grundrecht auf Familie umsetzen. Durch die Pandemie ist ein Zusammenleben mit ihrem in der Schweiz lebenden Partner nur sehr eingeschränkt möglich. Mit Blick auf die weiteren Einschränkungen, die mit der nächsten Corona-Welle drohen, sei die Verfügungsbeklagte verpflichtet, ihren Antrag zu genehmigen. Schließlich wurde ihr bereits in der Vergangenheit des Öfteren eine kurzfristige Tätigkeit aus der Schweiz heraus erlaubt.

Die Verfügungsbeklagte sieht hingegen ihr Ermessen auf Null reduziert, da die nach Einleitung des Verfahrens abgeänderte Gesamtbetriebsvereinbarung zur Telearbeit nunmehr eine Genehmigung der mobilen Arbeit im Ausland grundsätzlich ausschließt. Zudem sei die Nachfrage nach mobiler Arbeit im Ausland unter ihren Mitarbeitern so hoch, dass die Kosten für die Prüfung der damit verbundenen Rechtsfragen im Einzelfall einen ungemessenen Aufwand darstellen.

Ablehnung wegen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen zulässig

Nach Ansicht des Arbeitsgerichts München war der Antrag der Verfügungsklägerin unbegründet. Sie konnte keinen Anspruch glaubhaft machen, wonach ihr ein Recht auf mobile Arbeit aus dem Ausland zustünde.

Grundsätzlich legt der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung gemäß § 106 GewO nach billigem Ermessen fest, es sei denn, es ist im Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag etwas anderes geregelt. Im Arbeitsvertrag war der Arbeitsort der Verfügungsklägerin nicht näher bestimmt und die Gesamtbetriebsvereinbarung enthielt gar ein Verbot der Tätigkeit im Ausland. Zwar regelt die Gesamtbetriebsvereinbarung primär Telearbeit, aber mobile Arbeit sei nach Ansicht der Richter thematisch eng damit verbunden. Zudem war das Ermessen der Verfügungsbeklagten vorliegend nicht darauf reduziert, die beantragte Auslandstätigkeit zu genehmigen.

Eine vierwöchige Tätigkeit im Ausland ist nicht als gelegentlich und kurzzeitig zu betrachten, sondern sorgt für diverse rechtliche Probleme, die der Arbeitgeber vorab prüfen muss. Es sei nicht zu beanstanden, wenn die Verfügungsbeklagte den damit verbundenen Prüfungsaufwand und die entsprechenden Kosten nicht tragen möchte. Auch sind Auskünfte seitens ausländischer Behörden, die der Arbeitnehmer selbst einholt, nicht zwangsläufig geeignet, die Rechtsfragen mit der erforderlichen Verlässlichkeit abschließend zu beantworten.
Der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte nach Einreichung des Antrags die Gesamtbetriebsvereinbarung abänderte und damit die bisherige Genehmigungspraxis änderte, reduziere das Ermessen nicht. Arbeitnehmer können nicht verlangen, dass eine frühere Vorgehensweise – die möglicherweise sorgfaltswidrig war – aufrechterhalten wird.

Mobiles Arbeiten wird attraktiver, muss aber in der Praxis ordentlich geregelt werden

Die Corona-Krise kann als Chance genutzt werden, um bisherige Arbeitsmodelle grundsätzlich zu hinterfragen und neue Wege zu beschreiten. Zu Beginn der Corona-Pandemie führten Grenzschließungen und Einreisebeschränkungen dazu, dass Arbeitnehmer mitunter plötzlich zeitweise im Ausland tätig wurden oder dies sogar mussten. Im weiteren Verlauf der Pandemie kam der ein oder andere Arbeitnehmer dann auf den Geschmack, so dass sich nun bei den Arbeitgebern die entsprechenden Genehmigungsanfragen häufen, bei denen Mitarbeiter nicht nur dauerhaft von zu Hause, sondern am liebsten auch vom Ausland aus tätig sein wollen. 

Das Arbeitsgericht München hat nun erstmals einen wichtigen Aspekt der mobilen Arbeit geklärt. Einen Anspruch vom Ausland aus arbeiten zu dürfen gibt es nicht. Selbst ein kurzer Auslandseinsatz von nur wenigen Wochen löst regelmäßig komplexe steuerliche, sozialversicherungs- und melderechtliche Fragestellungen aus und sollte daher gut überlegt sein. Deutsches Recht gilt dem Territorialitätsprinzip zufolge regelmäßig nur innerhalb der Staatsgrenzen. Dies gilt auch, wenn ein Einsatz innerhalb der EU-Mitgliedstaaten geplant ist, so dass die Beibehaltung deutschen Rechts bei einem grenzüberschreitenden Einsatz gesondert anhand von anwendbaren internationalen Sondervorschriften geprüft werden muss. Arbeitgeber sind daher gut beraten, wenn sie entsprechende Anfragen ihrer Mitarbeiter sorgfältig abwägen und prüfen.

Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Monaten weitere rechtliche Aspekte der mobilen Arbeit und der Tätigkeit im Homeoffice gerichtlich geklärt werden. Die letzten Monate haben gezeigt, dass Arbeitsformen wie mobile Arbeit und Homeoffice massiv an Bedeutung gewonnen haben und sich dauerhaft in der Arbeitswelt etablieren werden. Aber in vielerlei Hinsicht besteht rechtliche Unsicherheit und es müssen nun langfristig die maßgeblichen Grundsätze, die es dabei zu beachten gilt, geklärt werden. Der Weg zu einer sinnvollen gesetzlichen Grundlage ist bekanntermaßen lang und steinig, so dass die Gerichte in der Zwischenzeit punktuell für Klarheit sorgen müssen.

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