Umgang mit dem Corona-Virus – was müssen Arbeitgeber beachten?

(Stand 04.03.2020)

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Das neuartige Corona-Virus (SARS-CoV-2) breitet sich immer stärker aus. Während hohe Infizierungszahlen bis vor kurzem nur in China und anschließend in Südkorea und Italien zu verzeichnen waren, gibt es nun auch in Deutschland in nahezu allen Bundesländern Infizierte. Die entsprechenden Zahlen erhöhten sich innerhalb nur eine Woche rasant.

Bundesminister Jens Spahn erklärte zuletzt: „Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie“. Auch von einer notfalls erforderlichen Abriegelung von Städten war zuletzt die Rede. Auswirkungen des Corona-Virus auf Arbeitsverhältnisse scheinen derzeit unvermeidbar. Als arbeitsvertragliche Nebenpflicht obliegt es Arbeitgebern, dafür Sorge zu tragen, dass die Erbringung der Arbeitsleistung ohne eine Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer erfolgen kann. Hieraus ergeben sich in der Praxis für Arbeitgeber einige wesentliche Fragestellungen, die nachfolgend beantwortet werden sollen:

Dürfen Arbeitnehmer sich aus Angst vor dem Corona-Virus weigern, eine Dienstreise anzutreten?

Grundsätzlich nicht. Bei Weigerung können diese je nach Schwere der Folgen für den Arbeitgeber ermahnt, abgemahnt und bei besonderer Schwere gekündigt werden. Arbeitnehmer dürfen aber nicht in Risikogebiete geschickt werden, für die das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgesprochen hat (derzeit nur Hubei in China). Weil in den Risikogebieten etwa in China und Italien der Reiseverkehr gestoppt wird, machen Dienstreisen aber auch faktisch wenig Sinn. Ob anstehende Dienstreisen durchgeführt werden können, muss vor Reiseantritt im Einzelfall geprüft werden.

Finden Sie hier Reisewarnungen des Auswärtigen Amts >>

Arbeitnehmer halten sich in einem Risikogebiet auf – muss der Arbeitgeber diese zurückholen?

Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, Arbeitnehmer bei der Rückreise aus Risikogebieten, für die das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgesprochen hat, zu unterstützen. Zu empfehlen wäre eine engmaschige Kommunikation mit den betroffenen Arbeitnehmern und ein Erwerb der erforderlichen Reisetickets. Das Auswärtige Amt sollte informiert werden.

Inwieweit müssen Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber nach Reisen über ihre Aufenthaltsorte informieren?

Arbeitnehmer, die sich in Risikogebieten aufgehalten haben, sind ihrem Arbeitgeber gegenüber zur Auskunft darüber verpflichtet, ob sie sich in Gegenden mit erhöhten Krankheitsfällen aufgehalten haben beziehungsweise intensiven Kontakt zu solchen Personen hatten.
 

Wie sollte bei Arbeitnehmern, die sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben, beziehungsweise intensiven Kontakt zu solchen Personen hatten, vorgegangen werden? 

  • Das zuständige Gesundheitsamt sollte informiert werden.
  • Es sollte einvernehmlich auf die Durchführung einer Untersuchung durch den Betriebsarzt hingewirkt werden.
  • Wenn der Verdacht auf Infizierung besteht, empfehlen wir, den Arbeitnehmer befristet ins Homeoffice zu schicken.
  • Wenn ein Arbeitnehmer dies nicht akzeptiert oder entsprechendes nicht möglich ist, sollte er befristet unter Entgeltfortzahlung von der Arbeit freigestellt werden.
  • In den beiden zuletztgenannten Fällen sollte der Arbeitgeber verfügen, dass der Arbeitnehmer erst nach einem negativen medizinischen Test zum regulären Arbeitsplatz zurückkehren kann.

Dürfen Arbeitnehmer sich aus Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus weigern, zur Arbeit zu kommen?

Nein. Über eine Entbindung von der Arbeitspflicht entscheiden Arbeitgeber beziehungsweise staatliche Behörden. Arbeitnehmer können grundsätzlich nicht verlangen, die Tätigkeit im Home-Office/mobilem Arbeiten/Telearbeit (im Folgenden „Home-Office“) zu erbringen, solange keine konkrete Ansteckungsgefahr im Betrieb, etwa durch infizierte Kollegen, und keine entsprechende Vereinbarung besteht. Bei Weigerung können Arbeitnehmer je nach Schwere der Folgen für den Arbeitgeber ermahnt, abgemahnt und bei besonderer Schwere gekündigt werden. Allerdings sind Arbeitgeber bei erhöhter Gefährdungslage im Betrieb, etwa bei Bekanntwerden mehrerer Infektionsfälle, dazu verpflichtet, ihre Arbeitnehmer zu schützen. Sollte dies nicht anders möglich sein, kann dafür im Einzelfall erforderlich sein, der gesamten Belegschaft eine bezahlte Freistellung anzubieten.

Darf ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer aus Vorsichtsgründen anweisen, im Home-Office zu arbeiten?

  • Aus reiner Vorsicht darf Home-Office durch Arbeitgeber nicht einseitig angeordnet werden. Dies muss von beiden Seiten akzeptiert werden. Weigert sich ein Arbeitnehmer, im Home-Office tätig zu werden, muss der Arbeitgeber ihn von seiner Arbeitspflicht entbinden und bezahlt freistellen.

  • Eine Anweisung gegenüber Arbeitnehmern, mit denen mobiles Arbeiten vereinbart wurde, ihre Tätigkeit nun in Home-Office zu verrichten, ist wahrscheinlich nicht zulässig und aufgrund der arbeitgeberseitigen Pflichten bei Home-Office (u.a. Kosten bei Einrichtung des Arbeitsplatzes) nicht erstrebenswert. Andererseits birgt mobiles Arbeiten die Gefahr, dass Arbeitnehmer ihre Tätigkeit in Gebieten mit erhöhter Ansteckungsgefahr verrichten könnten. Zu empfehlen wäre eine Einschränkung des mobilen Arbeitens dahingehend, dass Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nicht in Risikogebieten verrichten. Eine Orientierung bieten die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts.

  • Bei konkreter Ansteckungsgefahr, etwa Infektionsfällen im Betrieb, dürfen Arbeitgeber im Einzelfall, soweit nicht anders vereinbart, Home-Office anordnen.
    Es empfiehlt, vorbeugend eine Betriebsvereinbarung für Pandemien abzuschließen, die u.a. Regelungen für den Fall einer erhöhten Ansteckungsgefahr im Betrieb enthält.

Kann ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern verbieten, Urlaub in Regionen mit vermehrten Infektionsfällen zu machen? 

Nein. Allerdings könnte der Arbeitgeber unter Umständen die Entgeltfortzahlung verweigern, sollte ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs in einem gefährdeten Gebiet am Corona-Virus erkranken und er deshalb seine Arbeitsunfähigkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Welche Schutzmaßnahmen sollten Arbeitgeber ergreifen?

Wir empfehlen Unternehmen eine Überprüfung der Einhaltung und gegebenenfalls die Verschärfung von Hygienevorschriften im Betrieb und eine Information der Belegschaft über empfehlenswerte Verhaltensweisen wie die Verringerung von zwischenmenschlichen Kontakten. Dazu wäre eine Betriebsvereinbarung zu empfehlen, in der Verhaltensweisen für den Fall einer Ausweitung der Epidemie greifen, z.B. Tragen von Schutzmasken oder das regelmäßige Desinfizieren der Hände. Diese Verhaltensweisen können als Gebote oder Verbote formuliert werden, bei deren Verstoß ein Arbeitnehmer abgemahnt werden kann. 

Welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen/sind zu beachten?

Ein Betriebsrat hat bei Regelungen, die auf einen Schutz vor dem Corona-Virus gerichtet sind, grundsätzlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Gesundheitsschutz) mitzubestimmen. Es muss keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, der Betriebsrat muss aber zustimmen. Bei Hygienevorschriften wie der Einführung einer Pflicht der Arbeitnehmer zur regelmäßigen Desinfektion der Hände oder dem Anlegen von Schutzmasken ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, weil damit die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb geregelt wird. Bei Einführung von Kurz- oder Mehrarbeit hat ein Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Möchten Arbeitgeber Arbeitnehmer in Home-Office arbeiten lassen, kann sich ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergeben, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer in gewissem Umfang kontrollieren möchte, etwa in Bezug auf Einschaltzeiten des Arbeitscomputers. Zudem ist beim Home-Office eine Verbindung zur Betriebsstätte erforderlich, die regelmäßig durch technische Einrichtungen wie E-Mail oder Telefon realisiert wird. Soll sich bei Wahrnehmung von Home-Office auch die Arbeitszeit ändern, ergibt sich darüber hinaus ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
  

Was sollte innerhalb einer Pandemie-Betriebsvereinbarung zwingend geregelt werden?

Vom sachlichen Geltungsbereich einer entsprechenden Betriebsvereinbarung sollten sämtliche Maßnahmen erfasst sein, die im Zusammenhang mit dem Auftreten einer Pandemie zum Schutz vor der Beeinträchtigung der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich sind. Durch konkrete Verhaltensregeln sollte die Ansteckungsgefahr reduziert werden. Hierfür bietet sich insbesondere das Tragen von Schutzkleidung oder -masken, ein regelmäßiges Desinfizieren der Hände sowie das Wechseln der Kleidung beim Betreten des Betriebes an. Darüber hinaus sollte geregelt werden, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern im Falle einer Pandemie auch solche Arbeiten zuweisen darf, die vertraglich nicht geschuldet sind. Insofern kann sein Weisungsrecht in sachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht konkretisiert werden. Auch die Anordnung von Heim- bzw. Telearbeit und Kurzarbeit sollte Regelungsgegenstand einer Pandemie-Betriebsvereinbarung sein.

Welche Schutzmaßnahmen darf der Staat zur Eindämmung des Virus ergreifen?

Sicherheitsbehörden sind dazu befugt, gegenüber infizierten Personen beziehungsweise solchen, die mit infizierten Personen Kontakt hatten, Beschäftigungsverbote oder Quarantäne anzuordnen. Auch weitergehende Maßnahmen wie Betriebsschließungen, Verbote von Veranstaltungen beziehungsweise Versammlungen oder Sperrung ganzer Gebiete sind bei einer hohen Bedrohungslage zulässig.

Von wem erhalten Arbeitnehmer bei Quarantänemaßnahmen oder Beschäftigungsverboten ihr Gehalt?

Sollten Behörden Beschäftigungsverbote, etwa bei Ansteckungsverdacht, erteilen oder die Beobachtung bzw. Quarantäne einzelner Arbeitnehmer anordnen, stellt dies grundsätzlich einen vorübergehenden und persönlichen Verhinderungsgrund dar, der nach § 616 BGB den Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet (BGH, Urteil vom 30. November 1978 – III ZR 43/77). 

Wie können Arbeitgeber auf infektionsbedingte Ausfälle in der Belegschaft reagieren?

Wenn eine Vielzahl von Arbeitnehmern aufgrund des Virus ausfallen sollte und deshalb ein Auftrag oder Projekt gefährdet wird, dürfen die arbeitsfähigen Arbeitnehmer grundsätzlich zu Mehrarbeit/Überstunden verpflichtet werden. Bei Produktionsrückgang infolge von Lieferengpässen kann grundsätzlich auch Kurzarbeit angeordnet werden.

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