Unter welchen Voraussetzungen können Konzernunternehmen Arbeitsverträge sachgrundlos befristen?

Das BAG sorgt für Klarheit bei der Frage, wann Konzernunternehmen als neu gegründete Unternehmen Arbeitsverträge bis zu vier Jahre lang sachgrundlos befristen können: Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist grundsätzlich nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes möglich, § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG.

Ein sachlicher Grund ist beispielsweise gegeben, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Ausnahme: Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ist bis zu einer Dauer von zwei Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig, § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG.


BAG-Urteil vom 12. Juni 2019, Az. 7 AZR 317/17

Erleichterte Befristung bei Neugründung eines Unternehmens

In den ersten vier Jahren nach Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung bis zu einer Dauer von vier Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Bis zu einer Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig, § 14 Abs. 2a S. 1 TzBfG.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Gründung des Unternehmens ist dabei die Aufnahme der Erwerbstätigkeit, die nach § 138 AO der Gemeinde bzw. dem Finanzamt mitzuteilen ist, § 14 Abs. 2a S. 3 TzBfG.

Die Regelung dient der Erleichterung der Entscheidung zu Einstellungen und den Abschluss befristeter Arbeitsverträge in der schwierigen Aufbauphase neu gegründeter Unternehmen. Hintergrund ist, dass in dieser Phase der wirtschaftliche Erfolg besonders ungewiss und eine Prognose der Entwicklung des Unternehmens und seines Personalbedarfs Schwierigkeiten birgt. 

Befristung bei Neugründung durch rechtliche Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen

Die Regelung der erleichterten Befristung bis zu einer Dauer von vier Jahren gilt allerdings nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen, § 14 Abs. 2a S. 2 TzBfG. 

Darunter fällt beispielsweise die Verschmelzung bestehender auf ein neu gegründetes Unternehmen oder die Auflösung eines bestehenden Unternehmens unter Übertragung seines Vermögens auf ein neu gegründetes Unternehmen. Das Gleiche gilt, wenn eine Neugründung erfolgt, um anschließend bereits im Konzern ausgeübte Aktivitäten innerhalb neuer rechtlicher Strukturen fortzusetzen. In diesen Fallkonstellationen bestehen keine besondere Unsicherheiten über die Unternehmensentwicklung, da gerade bereits vorhandene unternehmerische Aktivitäten fortgeführt werden.

Neue wirtschaftliche Aktivitäten erlauben Konzernunternehmen lange sachgrundlose Befristungen

Das BAG entschied nun, dass eine neu gegründete Tochtergesellschaft innerhalb eines Konzerns von der erleichterten Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2a S. 1 TzBfG Gebrauch machen kann, sofern sie bislang im Konzern nicht wahrgenommene wirtschaftliche Aktivitäten aufnimmt. Im Fall war der Konzern zwar bereits in einem bestimmten Bereich tätig, übte die Aktivitäten in diesem Bereich aber durch Neugründung einer Tochtergesellschaft in einer Region aus, in der er bisher nicht tätig geworden war. Das BAG argumentierte weiter, dass sämtliche Arbeitsplätze neu entstanden sind und nicht aus einem bereits bestehenden Beschäftigungsbedarf resultierten. Maßgeblich war insbesondere auch, dass bei Geschäftsaufnahme Unsicherheit darüber herrschte, wie sich das Geschäft im neuen regionalen Markt entwickeln und wie hoch der Personalbedarf sein würde. 

Es kommt nach Ansicht des BAG auch nicht darauf an, ob das neu gegründete Unternehmen im Rahmen des Neuengagements ein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt. Das neu gegründete Unternehmen fällt auch dann unter die erleichterte Befristungsmöglichkeit, wenn es keinen eigenen Jahresabschluss erstellt und in den Konzernabschluss der Muttergesellschaft eingebunden ist.

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