Abgeltung von Urlaubs- und Freizeitansprüchen im gerichtlichen Vergleich

Das BAG hat entschieden, dass bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs explizit Urlaubs- und/oder Freizeitausgleichsansprüche angesprochen werden müssen. 

Damit ist eine Abgeltung jeweils ausdrücklich zu vereinbaren. Eine Klausel, nach der ein Arbeitnehmer lediglich unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt werde, genügt diesen Anforderungen dagegen nicht.    

Urteil des BAG vom 20.11.2019 - 5 AZR 578/18

Zum Sachverhalt 

Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit Januar 2014 als Sekretärin beschäftigt. Infolge der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte schlossen die Parteien im Rahmen des Kündigungsschutzprozess am 15. November 2016 einen gerichtlichen Vergleich. Nach diesem gerichtlichen Vergleich endete das Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung zum 31. Januar 2017. 

Bis dahin wurde die Klägerin unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung freigestellt. In diesem Zeitraum sollte auch der Resturlaub eingebracht sein. Daher wurde folgende Freistellungsklausel in den gerichtlichen Vergleich aufgenommen:

„Die Beklagten stellen die Klägerin unwiderruflich von der Pflicht der Erbringung der Arbeitsleistung bis einschließlich 31.01.2017 unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. Urlaubsansprüche der Klägerin für 2016 und 2017 werden mit der Freistellung in Natura gewährt.“

Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel enthielt der gerichtliche Vergleich jedoch nicht. Ende September 2016 wies das Arbeitszeitkonto der Klägerin noch ein Positivsaldo zu ihren Gunsten in Höhe von 67,10 Stunden auf.  Die Klägerin verlangte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung dieses Positivsaldos. Das erstinstanzliche Urteil gab der Klage statt, auf Berufung der Beklagten wurde die Klage jedoch abgewiesen.

Zur Entscheidung

Die vom fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg. Endet das Arbeitsverhältnis, führt dies regelmäßig zur Schließung des Arbeitszeitkontos, weshalb ein positives Restguthaben auf dem Arbeitszeitkonto vor Beendigung der vereinbarten Freizeit ausgeglichen werden muss. Ist dies nicht mehr möglich, muss der Arbeitgeber dieses Restguthaben finanziell ausgleichen.

Dagegen führt die bloße Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in dem gerichtlichen Vergleich nicht zur Abgeltung des Restguthabens auf dem Arbeitszeitkonto. Vielmehr muss ausdrücklich vereinbart worden oder konkludent mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar sein, dass die Beklagte die Klägerin (auch) unter Anrechnung des Freizeitausgleichsanspruchs zum Abbau des Arbeitszeitkontos von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freistellt. Anders als für den Urlaub, der nach der Freistellungsklausel „mit der Freistellung in Natura gewährt“ sein soll, fehlt es zum Abbau des Positivsaldos auf dem Arbeitszeitkonto an einer ausdrücklichen Anrechnungsklausel etwa dahingehend, dass die Freistellung unter Anrechnung auf den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos erfolgt oder dieser mit der Freistellung (mit)erfüllt sein soll. Die von der Beklagten Arbeitgeberin vertretene Auffassung, dass durch die im gerichtlichen Vergleich unwiderrufliche Freistellung ebenfalls der Freizeitausgleichsanspruch erfüllt sei, greift daher nicht. 

Praxishinweis

Die Entscheidung des BAG bestärkt ein detailliertes und präzises Vorgehen in der alltäglichen Vergleichspraxis. Es sollte jeder bestehende oder denkbare Anspruch der Parteien bedacht und im Rahmen des gerichtlichen Vergleiches berücksichtigt werden, da sonst die Chance vertan wird, Rechtstreitigkeiten endgültig zu beenden. Gerne können wir Sie bei der zutreffenden Erfassung der in Frage kommenden Ansprüche sowie der passenden Formulierung eines abschließenden gerichtlichen Vergleichs beraten.

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