Große Koalition - Erwarten uns große Veränderungen im Arbeitsrecht?

CDU und SPD haben im Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 eine Reihe arbeitsmarktpolitischer Themen aufgegriffen, wobei deutlich wird, dass der Schwerpunkt für das Arbeitsrecht dabei auf dem Teilzeit- und Befristungsgesetz liegt.

Dies zeigt auch der am 17. April 2018 von der Bundesregierung vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts durch Einführung einer Brückenteilzeit, das voraussichtlich bereits am 1. Januar 2019 in Kraft treten wird.

Auf welche wesentlichen Veränderungen müssen sich HR und das Arbeitsrecht künftig einstellen? Und welche für die Arbeitswelt bedeutsamen Themen werden im Koalitionsvertrag nicht aufgegriffen?

Wenige Neuerungen im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes

Vielfach werden Stimmen laut, die das Arbeitszeitgesetz in seiner derzeitigen Fassung als nicht mehr zeitgemäß und vor allem als nicht geeignet erachten, den Bedürfnissen einer zunehmend von Digitalisierung geprägten Arbeitswelt gerecht zu werden. Unternehmen stehen vor der großen Herausforderung, einerseits den starren Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu entsprechen und andererseits die Bedürfnisse der Arbeitswelt nach stetiger Flexibilisierung umzusetzen: Wie soll ich meinen Arbeitnehmern eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden gewähren und Ihnen gleichzeitig das mobile Arbeiten ermöglichen? Darf mein Arbeitnehmer, der um 23 Uhr noch einmal einen Blick in seine E-Mail-Inbox wirft, eingegangene E-Mails womöglich auch liest, von mir erst am nächsten Tag um 10 Uhr wieder beschäftigt werden? Und was wenn dieser Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit in der Straßenbahn um 9.30 Uhr eine E-Mail-Anfrage eines Kunden beantwortet?

Der Koalitionsvertrag greift das Problem nicht auf, beschränkt sich vielmehr darauf, durch eine Tariföffnungsklausel im Arbeitszeitgesetz tarifgebundenen Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, die wöchentliche Höchstarbeitszeit ihrer Arbeitnehmer flexibler zu regeln.

Hauptaugenmerk liegt auf Neuerungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes

Mit dem Ziel, eine flexiblere Familienplanung zu ermöglich, sehen der Koalitionsvertrag und der Referentenentwurf der Bundesregierung die Einführung eines Rechts auf befristete Teilzeit (auch außerhalb der Elternzeit) für Arbeitnehmer vor, die bereits seit mehr als sechs Monaten in einem Unternehmen tätig sind, das mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt („Brückenteilzeit“).

Ausweislich des Referentenentwurfs kann der Arbeitgeber dem Teilzeitbegehren widersprechen, wenn betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitarbeitnehmer entgegenstehen. Zudem sieht der Gesetzesentwurf hier eine Staffelung anspruchsberechtigter Arbeitnehmer je nach Beschäftigtenanzahl vor.

Zweifelhaft bleibt, anhand welcher Kriterien die Auswahl der berechtigen Arbeitnehmer erfolgen soll: Wird hier der Grundsatz „First come first serve“ gelten oder sind die Maßstäbe der Sozialauswahl im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen heranzuziehen? Der Koalitionsvertrag selbst schweigt hierzu.
Zudem soll die maximale sachgrundlose Befristungsdauer von zwei Jahren auf eineinhalb Jahre gesenkt und nur noch die einmalige Anschlussbefristung zulässig sein.

Bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung über die Arbeitszeit, soll diese von wöchentlich zehn auf 20 Stunden erhöht werden, unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung. Hinzu kommt eine gesetzliche prozentuale Begrenzung von Arbeitszeitschwankungen im Zusammenhang mit der „Arbeit auf Abruf“.

Altersvorsorgepflicht und Mindestkrankenversicherungsbeiträge für (kleine) Selbstständige

Mit Ausnahme bestimmter Berufsgruppen unterliegen Selbstständige keiner Sozialversicherungspflicht. Flexible Beschäftigungsstrukturen, veränderte Erwerbsbiografien und schwierige Einkommensverhältnisse verdeutlichen allerdings das Erfordernis, Selbstständige in die Sozialversicherung mit einzubeziehen. Um den sozialen Schutz von Selbstständigen zu verbessern, sieht der Koalitionsvertrag die Einführung einer gründerfreundlich ausgestalteten Altersvorsorgepflicht für Selbstständige vor, die nicht bereits anderweitig obligatorisch abgesichert sind.

Für kleine Selbstständige, solche die in der Regel ein Mindesteinkommen von weniger als EUR 2283,75 monatlich erzielen, soll eine Senkung der Mindestbeiträge für die Krankenversicherung herbeigeführt werden.

Keine vorzeitige Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

Die angekündigte vorgezogene Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im Jahr 2019 wurde durch den Koalitionsvertrag nicht bestätigt, sondern wird wie geplant erst im Folgejahr, im Jahr 2020, stattfinden.

Stärkung der Betriebsratsrechte

Der Koalitionsvertrag beabsichtigt, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu erleichtern und das Beteiligungsrecht des Betriebsrates an Weiterbildungen auszubauen.

Weitere Informationen zu den beabsichtigten arbeitsrechtlichen Neuerungen im Koalitionsvertrag finden Sie hier.

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