Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn – Welche Zahlungen sind berücksichtigungsfähig?

Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn wurde zum 01.01.2017 auf EUR 8,84 erhöht. Welche Entgeltbestandteile eines Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch anzurechnen sind, wurde durch das BAG auf Basis der Rechtsprechung des EuGH weiter konkretisiert.Ein aktuelles Urteil des BAG liefert hierzu neue Maßstäbe.

BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 374/16

Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Beklagten als Telefonistin in Vollzeit beschäftigt und erhielt hierfür ein Bruttomonatsgehalt i.H.v. EUR 1.280,00. Der Klägerin wurden neben dem Bruttomonatsgehalt Wechselschichtzulagen i.H.v. EUR 243,75 brutto, Funkprämien i.H.v. EUR 122,71 brutto sowie zwei Leistungsprämien i.H.v. EUR 81,81 und EUR 51,13 brutto ausgezahlt.

Die Klägerin erhob gegen die Beklagte Zahlungsklage. Sie war der Ansicht, die Beklagte zahle nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Bei einer monatlichen Arbeitsstundenanzahl von 182,5 Stunden stünde ihr ein Bruttomonatsgehalt von EUR 1.551,25 zu. Gezahlte Zulagen und Prämien dürften dem Bruttomonatslohn jedoch nicht hinzugerechnet und für den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nicht berücksichtigt werden. Die Klägerin meinte, dass nur der Grundbetrag von EUR 1280,00 anzurechnen sei.

In der Erstinstanz hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Das LAG Berlin-Brandenburg hat der Klage hingegen stattgegeben.

Entscheidung
Das BAG hält die Revision der Beklagten für begründet und weist die Klage der Arbeitnehmerin ab: Die Beklagte erfülle den Anspruch der Klägerin auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns.

Das BAG stützt sich dabei auf eine EuGH Entscheidung zur Arbeitnehmerentsendung vom 12.2.2015 (Az: C-396/13). Danach sind alle „zwingend und transparent geregelten Gegenleistungen des Arbeitgebers“ Entgeltbestandteile, die miteinfließen, wenn Zahlungen des gesetzlichen Mindestlohns berechnet werden. Das BAG fühlt sich an diese Entscheidung des EuGH gebunden, obwohl der EuGH im selben Urteil feststellt, dass die Art und Weise der Berechnung des gesetzlichen Mindestlohnsatzes und die dafür heranzuziehenden Kriterien in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallen.
Das BAG argumentiert, dass der Zweck des gesetzlichen Mindestlohns darin liege, dem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Mindesteinkommen zu bezahlen. Dazu gehören auch vorstehende Leistungszulagen.

Nicht den Entgeltbestandteilen unterfallen sollen grundsätzlich solche Zahlungen des Arbeitgebers, die unabhängig von einer tatsächlichen Arbeitsleistung erbracht werden oder auf einer gesetzlichen Zweckbestimmung basieren. Auf einer gesetzlichen Zweckbestimmung beruht z.B. ein vom Arbeitgeber verpflichtend zu zahlender Nachtzuschlag für Nachtarbeitnehmer, § 6 Abs. 5 ArbZG.

Fazit
Mit dem vorliegenden Urteil konkretisiert das BAG die Rechtsprechung zu berücksichtigungsfähigen Entgeltbestandteilen weiter:
Prämien und Zulagen, die dem Arbeitnehmer vorbehaltlos und unwiderruflich neben dem Bruttogrundgehalt als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gezahlt werden, sind dem Entgelt zuzurechnen und bei der Berechnung, ob der Mindestlohn erfüllt wird, zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch Zuschläge für z.B. Sonn- und Feiertagsarbeit.

Ebenso sind Prämien und Zulagen, das 13. Monatsgehalt, ein von dem Unternehmenserfolg abhängiger Bonus, Gewinnbeteiligungen oder auch Provisionen auf den Mindestlohn anzurechnen.

Nicht berücksichtigungsfähig sind hingegen Leistungen, die keinen Entgeltcharakter haben. Dies sind z.B. die Erstattung von betrieblich veranlassten Aufwendungen, Sachbezügen wie etwa die Überlassung von Dienstwagen auch zur Privatnutzung oder der reduzierte Personaleinkauf.
Nicht berücksichtigungsfähig sind außerdem Leistungen Dritter, wie z.B. Trinkgeld. 

Julia Gottinger, Bird & Bird LLP

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