Neue Regeln für Umweltwerbung nun erlassen: Die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel wurde veröffentlicht

Die EU-Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (auch bekannt als „Empowering Consumer Directive“) wurde am 6. März 2024 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt am 26. März 2024 in Kraft. Bis zum 27. September 2026 müssen die Mitgliedstaaten nun die neuen Regeln anwenden.

Die Richtlinie bringt unter anderem erhebliche Änderungen für die Umweltwerbung mit sich.

1. Ganz knapp: Welchen Einfluss hat die Richtlinie für Unternehmen?

Jede Kommunikation von Unternehmen (Werbung, Verpackung, Social Media, Pressemitteilungen, Produkte), die Umweltwerbung beinhaltet und am 27. September 2026 entweder noch auf dem Markt ist oder planmäßig auf dem Markt sein soll, muss sich an die neuen Regelungen halten. Da diverse sehr beliebte Arten von Umweltwerbung entweder verboten oder erschwert werden, sollte jedes Unternehmen die eigene Kommunikation mit der Richtlinie abgleichen.

2. Anwendungsbereich der Richtlinie

Die Richtlinie gilt in erster Linie im B2C-Kontext (Business-To-Consumer). Wir sehen jedoch auch Relevanz für das B2B-Geschäft (Business-To-Business): Einige Mitgliedsstaaten wenden die Regeln für B2C-Werbung auch auf B2B-Werbung an, wobei sie Geschäftskunden einen höheren Grad an Aufmerksamkeit zugestehen. Plant ein B2B-Kunde, Produkte an Verbraucher weiterzuverkaufen, wird er regelmäßig erwarten, dass er die Umweltaussagen wiederholen kann, die der ursprüngliche B2B-Verkäufer selbst gemacht hat.

Die Richtlinie und ihre Änderungen gelten nicht für Veröffentlichungen, die nach EU- oder nationalem Recht zwingend vorgeschrieben sind. Dies könnte eine gute Nachricht für Geschäftsberichte sein, da es sich hierbei häufig um zwingende Veröffentlichungen handelt. Es ist jedoch zu beachten, dass einige Geschäftsberichte auch Informationen oder Aussagen enthalten, die über die Berichtspflichten hinausgehen und daher insofern als freiwillig angesehen werden könnten.

3. Verbot allgemeiner Umweltaussagen

Die Richtlinie legt vor allem eine hohe Messlatte für die Verwendung sogenannter „allgemeiner umweltbezogener Werbeaussagen“ („generic claims“). Die Richtlinie enthält dabei eine nicht abschließend Liste von Beispielen für solche allgemeine umweltbezogene Werbeaussagen. Die Liste umfasst:

„umweltfreundlich", „umweltschonend", „grün", „naturfreundlich", „ökologisch", „umweltgerecht", „klimafreundlich", „umweltschonend", „CO2-freundlich", „energieeffizient", „biologisch abbaubar", „biobasiert“

Ob die Verwendung dieser Begriffe als „allgemein“ angesehen wird, hängt vom jeweiligen Kontext ab: Wird die Aussage hinreichend erläutert, kann sie als nicht-allgemein eingestuft werden (und damit unter die noch zu verabschiedende Richtlinie über umweltbezogene Angaben fallen). Fehlt der Kontext, ist es eine allgemeine umweltbezogene Werbeaussage im Sinne der neuen Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher. Dies lässt viel Spielraum für Diskussionen. Wir gehen davon aus, dass es mehrerer Gerichtsentscheidungen bedürfen wird, um Klarheit zu erhalten.

Wird eine Werbeaussage als allgemein eingestuft, muss eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung" vorliegen, die für die Aussage relevant ist, d. h.

eine Umweltleistung, die mit der Verordnung (EG) Nr. 66/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates oder mit den in den Mitgliedstaaten offiziell anerkannten nationalen oder regionalen Umweltkennzeichenregelungen nach EN ISO 14024 Typ I übereinstimmt, oder mit Umwelthöchstleistungen nach anderem geltenden Unionsrecht.

Nur wenn eine solche anerkannte hervorragende Umweltleistung nachgewiesen werden kann und nur wenn sie für die Angabe relevant ist, kann eine allgemeine umweltbezogene Angabe verwendet werden.

Nicht zuletzt wird in der Richtlinie weiter erläutert, dass Unternehmen keine allgemeinen Werbeaussagen wie „bewusst“, „nachhaltig“ oder „verantwortungsbewusst“ verwenden sollten, die ausschließlich auf einer „anerkannt hervorragenden Umweltleistung“ beruhen, da sich solche Angaben auch auf andere Merkmale, z. B. soziale Merkmale, beziehen.

4. Nachhaltigkeitssiegel

Die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln wird sehr viel strengeren Regeln unterliegen. Unter einem Nachhaltigkeitssiegel versteht man

ein freiwilliges öffentliches oder privates Vertrauenszeichen, Gütezeichen oder Ähnliches, mit dem Ziel, ein Produkt, ein Verfahren oder ein Unternehmen in Bezug auf seine ökologischen und/oder sozialen Aspekte hervorzuheben oder zu fördern. Dies gilt nicht für verpflichtende Kennzeichnungen, die nach Unionsrecht oder nationalem Recht vorgeschrieben sind.

Diese recht weit gefasste Definition, deren genaue Bedeutung durch nationale Gerichte geklärt werden wird, erfasst dabei viele Symbole und Kennzeichen, die derzeit zur Bewerbung ökologischer oder sozialer Anstrengungen verwendet werden.

Ob es sich nun um ein Blatt, einen Baum oder ein grünes Siegel handelt: Ihre Verwendung setzt entweder voraus, dass sie von staatlichen Stellen eingeführt werden oder dass sie auf einem „Zertifizierungssystem“ beruhen. Letzteres ist von größtem Interesse, da es die einzige Möglichkeit sein wird, private Siegel in der Werbung zu nutzen.

Mithilfe eines Zertifizierungssystem soll bei Gütesiegeln sichergestellt werden, dass es sich bei dem Nutzer, Inhaber und Prüfer um drei voneinander unabhängige Parteien handelt. Das Zertifizierungssystem soll dabei unter transparenten und fairen Bedingungen für alle offen sein und in Absprache mit den einschlägigen Experten und Interessengruppen entwickelt werden.

Kurzum: Wenn ein privates Unternehmen derzeit sein eigenes Nachhaltigkeitssiegel nutzt, muss es die Verwendung des Nachhaltigkeitssiegels möglicherweise bis 2026 einstellen oder es für alle Wettbewerber öffnen und es auf eine unabhängige Partei übertragen. Es bleibt abzuwarten, wie diese Bestimmungen in den einzelnen Ländern in nationales Recht umgesetzt werden und wie sich die Bestimmungen auf bestehende eigene Gütesiegel auswirken.

5. Zukünftige Umweltleistung

Jede Aussage über eine künftige Umweltleistung („bis 2030 werden wir...“) einer Ware, einer Dienstleistung, eines Unternehmens oder einer Marke muss

  • klare, objektive, öffentlich zugängliche und überprüfbare Verpflichtungen enthalten,
  • in einem detaillierten und realistischen Umsetzungsplan dargelegt werden, der messbare und zeitgebundene Ziele und andere relevante Elemente enthält, die zur Unterstützung der Umsetzung erforderlich sind, wie z. B. Haushaltsmittel, technologische Entwicklungen, Zuweisung von Ressourcen und
  • der regelmäßig von einem unabhängigen Dritten (mit Erfahrung und Kompetenz in Umweltfragen) überwacht wird. Dessen Ergebnisse müssen den Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden.

Dies wird sich auf die Kommunikation über Ziele und Ambitionen auswirken und macht konkrete Pläne, Schritte und eine Veröffentlichung des Monitorings erforderlich.

6. Umweltwerbung bei der Kompensation von CO2-Emmissionen

Es wird zukünftig nicht mehr möglich sein, bei der Werbung für Waren und Dienstleistungen mit „klimaneutral“ oder ähnlichen Begriffen zu werben, wenn diese (auch) auf dem Ausgleich von Emissionen (sog. „Offsetting“) beruhen. Das Produkt muss also tatsächlich klimaneutral sein, um die Benutzung des Begriffs zu erlauben. So kann z.B. bei der Kompensation von CO2-Emissionen in Zukunft nicht mehr damit geworben werden, ein Produkt habe eine neutrale, reduzierte oder positive Auswirkung auf die Umwelt in Bezug auf die CO2-Emissionen.

Beispiele für solche Aussagen sind „klimaneutral“, „CO2-neutral“, „CO2-positiv“, „CO2-freundlich“, „klimakompensiert“, „reduzierte Klimawirkung“, „begrenzter CO2-Fußabdruck“. Diese Neuerung wird gerade für Unternehmen, die eine global ausgerichtete einheitliche Werbung anstreben, eine Herausforderung darstellen. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass viele Länder immer noch Neutralitätswerbung auf der Grundlage von Kompensationen zulassen.

7. Werbung mit gesetzlichen Vorgaben

Die Richtlinie untersagt zukünftig gesetzlich verpflichtende Vorgaben in Bezug auf ein Produkt als Unterscheidungsmerkmal zu bewerben. Während einige Mitgliedstaaten diese Regel bereits anwenden, gewinnt sie im Hinblick auf andere kommende ESG-bezogene Gesetze an Bedeutung. Die geplante Verordnung über die umweltgerechte Gestaltung nachhaltiger Produkte („Ecodesign for Sustainable Products Regulation“) wird der EU möglicherweise die Befugnis verleihen, Vorschriften darüber zu erlassen, wie Produkte hergestellt werden müssen (z.B. Mindestvorgaben in Bezug auf den Anteil recycelter Rohstoffe). Der gesetzliche Mindeststandard darf dann nicht mehr beworben werden. Natürlich kann weiter mit jedem positiven Merkmal, welches über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht, geworben werden.

8. Aussagen sollten sich nur auf die relevanten Aspekte beziehen

Zukünftig wird es nicht mehr zulässig sein, eine Umweltaussage auf das gesamte Produkt oder das gesamte Unternehmen zu beziehen, wenn dies tatsächlich nur bei einem Teilaspekt des Produkts oder einer bestimmten Tätigkeit des Unternehmens zutrifft.

9. Kommerzielle Kommunikation über Aspekte der Kreislaufwirtschaft von Produkten

Die Richtlinie befasst sich darüber hinaus auch mit Werbeaussagen und anderen Informationen im Zusammenhang mit Kreislaufaspekten von Produkten, wie z.B. ihrer Haltbarkeit, Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit, wenn diese an Verbraucher gerichtet sind. Zu den weiteren Verboten und Verpflichtungen, die mit der Richtlinie eingeführt werden, gehört, dass Informationen über die Haltbarkeit eines Produkts nicht länger zurückgehalten werden dürfen, wenn diese dem Unternehmen bekannt sind. Außerdem untersagt die Richtlinie Behauptungen, dass ein Produkt repariert werden kann, wenn diese nicht zutrifft oder das Produkt eine bestimmte Lebensdauer hat. Auch wird untersagt, bestimmte Informationen über Software-Updates und Verbrauchsmaterialien zurückzuhalten.

Diese Richtlinie ist – neben der Green-Claims-Richtlinie – ein erster Schritt der EU hin zu strengeren Regelungen über Umweltwerbung. Auch wenn bis zur Umsetzung in nationales Recht bis 2026 noch einige Zeit vergeht, sollten die Vorgaben vor allem dann schon jetzt beachtet werden, wenn Produkte auch im Jahr 2026 noch auf dem Markt sein könnten oder auch Werbeaussagen weiter genutzt werden.

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