Die Europäische Union steht unmittelbar vor der Verabschiedung zweier Rechtsakte, die eine nachhaltigere Produktgestaltung und eine verlängerte Produktlebensdauer fördern sollen:
Zudem wurde die jüngst verabschiedete
am 6. März 2024 im Amtsblatt verkündet und wird somit am 26. März 2024 in Kraft treten.
Die vorgenannten legislativen Maßnahmen sind integraler Bestandteil des europäischen “Green Deals”, mit dem die EU das ehrgeizige Ziel verfolgt, bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu sein. Die drei EU-Rechtsakte ergänzen sich gegenseitig und decken zusammen den gesamten Lebenszyklus eines Produkts ab. Sie bringen weitreichende Konsequenzen für den Hersteller und alle Akteure der Vertriebskette mit sich.
Die neue Ökodesign-Verordnung zielt bereits auf die Produktentwicklung und -herstellung ab, indem sie für bestimmte Produkte neue Anforderungen festlegt, unter anderem in Bezug auf Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit und die Energie- und Ressourceneffizienz. Mit der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher werden Verkäufern umfassende Informationspflichten auferlegt. Diese sollen den Käufer in die Lage versetzen, eine nachhaltige Kaufentscheidung zu treffen. Daneben regelt sie den Schutz der Verbraucher vor Irreführung durch sog. Green Claims (zu diesem Aspekt, der in den Bereich der unlauteren Geschäftspraktiken fällt und hier nicht behandelt werden soll, berichten wir in unserem Client Alert vom 14. November 2023).
Die Recht auf Reparatur-Richtlinie betrifft dagegen die Nachverkaufsphase: Sie legt den Wirtschaftsakteuren neue Pflichten im Zusammenhang mit der Reparatur von Produkten außerhalb der Gewährleistung des Verkäufers auf. Außerdem soll die Entscheidung des Käufers gefördert werden, das Produkt während der laufenden Gewährleistungsfrist unter der Warenkauf-Richtlinie im Wege der Nachbesserung reparieren zu lassen.
Im Folgenden bieten wir einen tabellarischen Überblick über die Ziele, den aktuellen Stand der Gesetzgebungsverfahren, die betroffenen Produkte und Wirtschaftsakteure sowie den Zeitrahmen. Anschließend nehmen wir in einer Kurzübersicht die geplanten Pflichten der Wirtschaftsakteure in den Blick.
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Ökodesign-Verordnung |
Recht auf Reparatur-Richtlinie |
Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher |
Ziele |
Nachhaltige Produktgestaltung |
Förderung der Reparatur von Produkten |
Nachhaltige Kaufentscheidungen durch Verbraucher |
Stand des Gesetz-gebungsverfahrens |
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Betroffene Wirtschaftsakteure |
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Betroffene Produktkategorien |
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Zeitplan für die Anwendbarkeit bzw. Umsetzung |
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Die Umsetzungs- und Anwendungsfrist für Mitgliedstaaten beträgt 24 Monate nach Inkrafttreten (Art. 17). |
Die Umsetzungsfrist für Mitgliedstaaten beträgt 24 Monate nach Inkrafttreten. Die Mitgliedstaaten haben die Umsetzungsgesetze 30 Monate nach Inkrafttreten anzuwenden (Art. 4). |
Die Ökodesign-Verordnung ersetzt die bisherige Ökodesign-Richtlinie und stellt Unternehmen vor neue, deutlich strengere Pflichten. Im Gegensatz zur vorherigen Richtlinie, die sich auf energieverbrauchsrelevante Produkte beschränkte, erstreckt sich der Anwendungsbereich der neuen Verordnung nun auf nahezu alle physischen Produkte. Dies markiert eine signifikante Ausweitung. Die Verordnung führt gleichzeitig neue Anforderungen ein, um Produkte langlebiger, zuverlässiger, wieder verwendbar, nachrüstbar, reparierbar, wartungs-, reparatur- und recyclingfreundlicher sowie energie- und ressourceneffizienter zu machen. Die Verordnung stellt dabei keine eigenen Anforderungen im Sinne von einzuhaltenden Parametern, sondern bildet lediglich den Rahmen für zukünftige produktbezogene delegierte Rechtsakte.
Eine wesentliche Neuerung stellt Artikel 69a der Ökodesign-Verordnung dar, der eine unmittelbare Haftung gegenüber Verbrauchern für Schäden vorsieht, die durch die Nichteinhaltung der Ökodesign-Anforderungen verursacht werden. Die Haftung trifft den Hersteller und - wenn dieser seinen Sitz außerhalb der EU hat - den Importeur und den Bevollmächtigten. Wenn der Importeur seinen Sitz außerhalb der EU hat oder kein Bevollmächtigter greifbar ist, haftet der Fulfilment-Dienstleister. Ansprüche gegen die Wirtschaftsakteure sollen auch im Wege der Verbandsklage durch Verbraucherverbände stellvertretend für eine Vielzahl von Betroffenen geltend gemacht werden können. Dazu sieht die Verordnung eine Änderung der Verbandsklagerichtlinie 2020/1828 vor. Zudem können Bußgelder für Verstöße verhängt werden, die im Einzelnen von den Mitgliedsstaaten festgelegt werden (Art. 68).
Während für einige Produktgruppen bereits delegierte Rechtsakte vorliegen, sind sie für andere Bereiche in Planung. Im Fokus stehen aktuell insbesondere energieintensive Produkte wie gewerbliche Waschmaschinen, universelle externe Netzteile und Ladegeräte für Elektrofahrzeuge. Unabhängig davon sollten jedoch Hersteller, Importeure und Händler aller Produktgruppen die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen. Dies gilt insbesondere auch für die Verpflichtungen im Zusammenhang mit nicht verkauften Verbraucherprodukten.
Die Recht auf Reparatur-Richtlinie soll die Rechte der Verbraucher im Zusammenhang mit der Reparatur bestimmter Produkte stärken. Daher werden den Wirtschaftsakteuren umfangreiche Pflichten hinsichtlich der Reparatur der Produkte außerhalb der Gewährleistung des Verkäufers auferlegt. Zudem sieht die Richtlinie eine Änderung der Warenkauf-Richtlinie vor. Die neuen Verpflichtungen für die Wirtschaftsakteure beschränken sich auf die in Anhang II der Richtlinie aufgeführten Produktkategorien. Bei den dort aufgeführten Produkten handelt es sich um Produkte, für die grundsätzlich bereits Ökodesign-Anforderungen auf der Stufe der Gestaltung und Herstellung festgelegt sind. Die "Recht auf Reparatur"-Richtlinie knüpft damit an die Ökodesign-Verordnung an. Darüber hinaus wird die EU-Kommission eine europaweite Plattform einrichten, die es Verbrauchern ermöglichen soll, passende Reparaturwerkstätten in der EU zu finden. Gleichzeitig sollen Reparaturwerkstätten über die Plattform ihre Dienstleistungen anbieten können.
Zudem können Bußgelder für Verstöße verhängt werden, die im Einzelnen von den Mitgliedsstaaten festgelegt werden (Art. 11).
Auf europäischer Ebene sollten Hersteller die Aufnahme weiterer Produktgruppen in den Anhang II der Richtlinie aufmerksam verfolgen.
Auf nationaler Ebene soll bereits 2024 ein Reparaturgesetz vorgelegt werden, das die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und von Reparaturanleitungen sicherstellen sollen. Dieses soll Hersteller verpflichten, kostenlose und transparente Reparaturinformationen für Verbraucher sowie fachlich kompetente Reparateure bereitzustellen. Außerdem müssen Hersteller für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahre Ersatzteile für Produkte vorhalten und innerhalb von 14 Tagen zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stellen, so dass sich die Reparatur finanziell gegenüber dem Neukauf lohnt.
Mit der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher werden Verkäufern umfassende Informationspflichten auferlegt. Diese sollen den Käufer in die Lage versetzen, eine nachhaltige Kaufentscheidung zu treffen. Für die Form der Mitteilung schreibt die Richtlinie die Verwendung einer sog. harmonierten Mitteilung oder einer harmonisierten Kennzeichnung fest, deren genaue Ausgestaltung und Inhalt noch durch Durchführungsrechtsakte der EU-Kommission festgelegt werden (vgl. Art. 2 Abs. 5).
Im Einzelnen werden dem Verkäufer folgende Pflichten auferlegt:
[1] Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG.
[2] Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinien (EU) 2019/771 und (EU) 2020/1828.
[3] Richtlinie (EU) 2024/825 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2024 zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen.
[4] Siehe Pressemitteilung des Rates der EU vom 5. Dezember 2023.
[5] Siehe Pressemitteilung des Rates der EU vom 2. Februar 2024.