Konsequenzen aus dem Fall Wirecard – und Greensill?

Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) und der Sieben-Punkte-Plan zur Reform der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Nachdem der Wirecard-Konzern im Sommer 2020 für Aufsehen sorgte, wurde die BaFin als Hauptverantwortlicher auserkoren. Es wurden Konsequenzen gefordert; der BaFin-Präsident und die Vizepräsidentin traten ab. Bundesregierung und Bundesfinanzministerium wollen nun die BaFin reformieren und ein zusätzliches Gesetzespaket auf den Weg bringen, um den Finanzplatz Deutschland zu schützen.

Offen ist derzeit, wieweit der Fall Greensill sich auf die Reformen auswirkt.

1. Das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz

Das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz liegt bereits in einem Regierungsentwurf vor. Es soll mehr als 25 Gesetze ändern: vom Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) über Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG), Kreditwesengesetz (KWG) und Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bis hin zum Aktiengesetz (AktG). Einige dieser Änderungen haben wir uns aus finanzregulatorischer Sicht genauer angesehen:

a) Wesentliche Änderungen am WpHG
Die Änderungen im WpHG erfassen die Pflichten und Befugnisse der BaFin in Bezug auf Prüfstellen für Rechnungslegung. Hierin werden wohl die direkten Lehren des Wirecard-Skandals aufgearbeitet. Das Bilanzkontrollverfahren soll zukünftig stärker staatlich-hoheitlich geprägt sein. Bisher war das Bilanzkontrollverfahren überwiegend privatrechtlich geprägt. Zukünftig soll die BaFin insbesondere gegenüber am Kapitalmarkt gelisteten Unternehmen stärker hoheitlich auftreten können.

Die Befugnisse der BaFin werden soweit erweitert, dass BaFin-Mitarbeiter Wohn- und Geschäftsräume im Rahmen der Prüfung von Unternehmensabschlüssen und -berichten durchsuchen dürfen, wenn es erforderlich ist und konkrete Anhaltspunkte für einen erheblichen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen. Damit einher geht ein Sicherstellungsrecht für Beweismittel. Wegen der Grundrechtseinschränkung müssen (außer bei Gefahr im Verzug) Durchsuchungen und Beschlagnahmen von einem Richter des Amtsgerichts Frankfurt angeordnet werden.

b) Wesentliche Änderungen am VermAnlG
Im Vermögensanlagegesetz wird eine neue Vermögensanlage aufgenommen. Zukünftig sollen auch Gold- und andere Edelmetallanlagen erfasst werden. Die neue Vermögensanlage soll Anlagen erfassen, die

„im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld oder handelsüblichen Edelmetallen

a) eine Verzinsung und Rückzahlung,
b) eine Verzinsung und Herausgabe von handelsüblichen Edelmetallen,
c) einen vermögenswerten Barausgleich oder
d) einen vermögenswerten Ausgleich durch die Herausgabe von handelsüblichen Edelmetallen

gewähren oder in Aussicht stellen“.

Neben Gold sollen die folgenden Edelmetalle erfasst sein, da sie handelsüblich seien: Silber, Platin, Palladium, Kupfer, Iridium und Rhodium. Der neue Vermögensanlagentatbestand soll auch Anlagemodelle erfassen, bei denen die Edelmetalle gekauft, aber erst später übergeben werden. So soll der Verbraucherschutz im sog. grauen Kapitalmarkt gestärkt werden.

c) Wesentliche Änderungen am FinDAG
Im Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz soll zukünftig ein Verbot für private Finanzgeschäfte von BaFin-Mitarbeitern aufgenommen werden. Die die BaFin hatte einen eigenen Mitarbeiter wegen Insiderhandel angezeigt, der am Tag vor Bekanntwerden des Wirecard-Skandal „strukturierte Produkte mit dem Basiswert Wirecard AG verkauft“ hatte.

Zukünftig sollen BaFin-Mitarbeiter weder auf eigene noch auf fremde Rechnung Finanzgeschäfte in Finanzinstrumente machen, die an einem organisierten Markt im Deutschland gehandelt werden, von europäischen finanziellen Kapitalgesellschaften ausgegeben wurden oder von Unternehmen unter BaFin-Aufsicht ausgegeben werden oder sich auf solche beziehen.

d) Wesentliche Änderungen am KWG
Im Kreditwesengesetz rücken die Auslagerungsunternehmen in den Fokus. Diese waren bisher über die Regeln der Auslagerung im KWG und insbesondere in den Vorgaben des BaFin Rundschreiben 09/2017 (BA), den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (der MaRisk), verankert. Nun führt der Gesetzesentwurf eine Definition des „Auslagerungsunternehmens“ prominent in § 1 des KWG ein:

„Auslagerungsunternehmen sind Unternehmen, auf die ein Institut oder ein übergeordnetes Unternehmen Aktivitäten und Prozesse zur Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen ausgelagert hat, sowie deren Subunternehmen bei Weiterverlagerungen von Aktivitäten und Prozessen, die für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind.“

Eine Definition war bisher bei den Regelungen zu Auskunftsrechten der BaFin enthalten. Zukünftig sollen alle Auslagerungen (nicht nur wesentliche Auslagerungen) erfasst werden. Die Stellung der neuen Definition zeigt aber auch, welche Bedeutung den Auslagerungsunternehmen zugemessen wird. 

Eine Änderung erfolgt aber dahingehend, dass Institute zukünftig die Absicht einer wesentlichen Auslagerung und deren Vollzug sowie wesentliche Änderungen und schwerwiegende Vorfälle im Rahmen von bestehenden wesentlichen Auslagerungen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des Instituts haben können der BaFin anzeigen sollen. Die BaFin soll so umfassender durch die Institute informiert werden.

Dies soll der BaFin ermöglichen, Konzentrationsrisiken zu erkennen. Diese Änderung fällt zusammen mit der Pflicht des Instituts, ein Auslagerungsregister im Rahmen seines Risikomanagements zu führen. In dem Auslagerungsregister hat das Institut nicht nur die wesentlichen Auslagerungen, sondern auch alle nicht wesentlichen Auslagerungen aufzuzeichnen.

Die BaFin erhält zukünftig gesetzliche Befugnisse, Anordnungen direkt gegenüber dem Auslagerungsunternehmen geltend machen zu können. Bisher mussten solche Rechte durch das Institut im Auslagerungsvertrag geregelt werden. Auskunftsrechte der BaFin gelten zukünftig direkt gegenüber dem Auslagerungsunternehmen. Auslagerungsunternehmen außerhalb der EU sollen zukünftig zudem einen inländischen Zustellungsbevollmächtigen benennen. Die BaFin soll Zustellungen an diesen vornehmen können.

e) Wesentliche Änderungen am ZAG
Auch im ZAG wird eine Definition für Auslagerungsunternehmen aufgenommen:

„Auslagerungsunternehmen im Sinne dieses Gesetzes sind Unternehmen, auf die ein Institut Aktivitäten und Prozesse zur Durchführung von Zahlungsdiensten, des E-Geld-Geschäfts sowie von sonstigen institutstypischen Dienstleistungen ausgelagert hat, sowie deren Subunternehmen bei Weiterverlagerungen von Aktivitäten und Prozessen, die für die Durchführung von Zahlungsdiensten, des E-Geld-Geschäfts sowie von sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind.“

Auch Institute nach dem ZAG müssen zukünftig ein Auslagerungsregister führen und Auslagerungsunternehmen in Drittstaaten dazu verpflichten, einen Zustellungsbevollmächtigen im Inland zu benennen. Ebenfalls besteht eine Anordnungsbefugnis der BaFin gegenüber den Auslagerungsunternehmen. Eine Anzeigepflicht für Auslagerungen gab es bereits zuvor im ZAG.

f) Wesentliche Änderungen am GwG
Im Geldwäschegesetz werden die Informationen für die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) gestärkt. Diese sollen nun auch Informationen vom Bundeszentralamt für Steuern und den Landesfinanzbehörden erhalten.

2. Der Sieben-Punkte-Plan zur Reformierung der BaFin

Das Bundesfinanzministerium hat einen Sieben-Punkte-Plan zur Reform der BaFin veröffentlicht. Dieser Reformplan soll zu einer strengeren Kontrolle der Finanzmärkte führen. Die sieben Punkte sind:

  • Fokusaufsicht für komplexe Unternehmen: Im Rahmen der Fokusaufsicht sollen alle Geschäftsbereiche der BaFin abgedeckt werden, um die Unternehmen noch enger beaufsichtigen zu können. Die BaFin soll so schneller entscheiden können, was insbesondere bei der Geschwindigkeit der heutigen Finanzmärkte wichtig ist.

  • BaFin erhält eine Taskforce: Die Taskforce soll ad-hoc- und Sonderprüfungen selbst durchführen.

  • Besseres Bilanzkontrollverfahren: Die BaFin erhält mehr Zugriffsrechte in Bezug auf Bilanzen. Gleichzeitig soll mehr Personal zur Bilanzprüfung (insbesondere Wirtschaftsprüfer) das Verfahren verbessern.

  • Marktinformationen: Informationen aus dem Markt und von Whistleblowern sollen besser gewürdigt werden. Diese Informationen hätten für die BaFin eine besondere Bedeutung.

  • Anleger- und Verbraucherschutz: Es soll weitere Instrumente für den Anleger- und Verbraucherschutz geben. Der Austausch mit Verbraucher-/Anlegerschützern soll intensiviert werden.

  • BaFin-Präsidenten: Der BaFin-Präsident soll eine stärkere Position erhalten, um eine effizientere Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Zudem soll die Fokusaufsicht und Taskforce direkt vom Präsidenten kontrolliert werden.

  • Data Intelligence Unit (DIU): Die IT-getriebenen Aufsicht soll gestärkt werden.

Die gesetzliche Ausgestaltung wird derzeit noch diskutiert. 

3. Konsequenzen des Fall Greensill

Obwohl die Aufarbeitung des Fall Greensill erst begonnen hat, werden auch hieraus Konsequenzen gefordert. Die BaFin hatte für die Greensill Bank Mitte März 2021 einen Insolvenzantrag gestellt. Die Greensill Bank hatte zuvor viele Einlagen über Vermittlungsplattformen eingeworben. Diese Vermittlungsplattformen sind nun in den Fokus gerutscht. Es ist zu erwarten, dass nunmehr eine Diskussion zu einer verschärften Regulierung dieser FinTechs kommen wird.

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