Entwurf des Bundesjustizministeriums zum Verbandssanktionengesetz

Der lang erwartete Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Verbandssanktionengesetz liegt nun seit einigen Wochen vor: Compliance-Management-Systeme und Internal Investigations zur Belohnung – höhere Strafen und regelmäßige Verfolgung als Abschreckung. Jedoch wurden Änderungen des Entwurfes bereits angekündigt. Anscheinend wird der Entwurf derzeit durch das Bundeswirtschaftsministerium überarbeitet.   

Die Einführung einer Verbandsstraftat

Außerhalb des Ordnungswidrigkeitenrechts sowie des Individualstrafrechts soll ein neuer Deliktstypus der „Verbandsstraftat“ in einem eigenen Verbandssanktionengesetz geschaffen werden. Sämtliche Verbände, d.h. alle juristischen Personen und Personenvereinigungen des Privatrechts sowie des Öffentlichen Rechts, sollen erfasst werden. Damit gilt das Verbandssanktionengesetz nicht nur für Großkonzerne, sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen.
 
Eine Verbandsstraftat soll u.a. vorliegen, wenn Pflichten, die den Verband treffen, verletzt werden. Hierzu gehören insbesondere klassische Vermögens-, Steuer-, Umwelt- und Wettbewerbsdelikte. Verübt eine Leitungsperson des Verbandes eine Verbandsstraftat oder wird sie von einem Mitarbeiter mangels adäquater Präventivmaßnahmen begangen, soll gegen den Verband eine Sanktion verhängt werden können. Auch Auslandstaten sollen erfasst sein – vorausgesetzt der Verband hat einen Sitz in Deutschland.  

Die Verbandssanktionen

Die Verbandsgeldsanktion soll – wie derzeit bei der Verbandsgeldbuße – grundsätzlich bis zu 10 Mio. EUR betragen. Bei Unternehmen, die einen Umsatz von über 100 Mio. EUR erwirtschaften, soll die Höchstgrenze der Verbandsgeldsanktion bei 10 % des weltweit erwirtschafteten Jahresumsatzes liegen – gemäß dem Vorbild vergleichbarer Regelungen im Kartell- und Datenschutzrecht. Daneben soll jedoch die Möglichkeit der Gewinnabschöpfung, erhalten bleiben. Sie ermöglicht gegen Unternehmen bereits heute ein Vielfaches der Höchstgrenze von 10 Mio. EUR festzusetzen.
   
Neu für Verbände ist die Einführung einer Bewährungsregelung - der sog. Verwarnung mit Verbandssanktionsvorbehalt –, die mit Auflagen und Weisungen verbunden werden kann.

Wurde eine große Anzahl an Personen durch die Verbandsstraftat geschädigt, soll der Verband durch öffentliche Bekanntmachung seiner Verurteilung im Sinne des „Naming and Shaming“ angeprangert werden können. Dies soll den Geschädigten die Prüfung möglicher Anspruche erleichtern.

Die zunächst vorgesehene Möglichkeit der Verbandsauflösung als ultima ratio soll jedoch – nach intensiver öffentlicher Diskussion – nicht mehr als Sanktion zur Verfügung stehen.       

Aspekte der Sanktionszumessung

Das Verbandssanktionengesetz soll Möglichkeiten zur Milderung der Verbandssanktion und zum Absehen von Verfolgung vorsehen. Wesentliche Aspekte hierfür sind das Compliance-Management-System des Verbandes sowie die Durchführung einer Internal Investigation.
 
Die Einführung und Verbesserung des Compliance-Management-Systems, d.h. von Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung von Verbandsstraftaten, sowohl vor als auch nach Begehung einer Verbandsstraftat soll sich sanktionsmindernd auswirken. Gleiches gilt für Bemühungen zur Aufdeckung der Verbandsstraftat – außerhalb einer Internal Investigation – sowie Maßnahmen der Schadenswiedergutmachung.

Leistet der Verband selbst oder durch einen Dritten einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag, soll die Verbandssanktion bis zu 50 % gemildert werden können. Das Verbandssanktionengesetz legt für die Milderung der Verbandssanktion aufgrund einer Internal Investigation bestimmte Voraussetzungen fest:

  • Personelle Trennung bei Durchführung der Internal Investigation und der Verteidigung: Dieselbe Kanzlei soll zwar die Internal Investigation durchführen und den Verbandes bzw. einen Beschuldigten verteidigen dürfen, hingegen nicht dieselbe Person. Hierzu sind adäquate Sicherungsmaßnahmen anzuwenden. Der Verteidiger soll seine eigenen Ermittlungen durchführen und nicht lediglich auf die Erkenntnisse der Internal Investigation zugreifen. Dies resultiert aus dem umfassenden Untersuchungsrahmen der Internal Investigation, bei der sowohl entlastende wie auch belastende Umstände ermittelt werden sollen. Die Internal Investigation wird letztendlich zum verlängerten Arm der Ermittlungsbehörde.
     
  • Beachtung der geltenden Gesetze sowie der Grundsätze des fairen Verfahrens bei Durchführung der Internal Investigation: Insbesondere sollen die Mitarbeiter vor einer Befragung darüber belehrt werden, dass von ihnen gemachte Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können und sie das Recht auf anwaltlichen Beistand bzw. Beistand eines Mitglieds des Betriebsrates haben. Auch soll ihnen ein Aussageverweigerungsrecht bei Selbstbelastung oder Belastung eines nahen Angehörigen zustehen. 

  • Ununterbrochene und uneingeschränkte Zusammenarbeit des Verbandes mit der Ermittlungsbehörde: Dies umfasst auch die Zurverfügungstellung des Abschlussberichtes der Internal Investigation inklusive deren Ergebnis und aller wesentlicher Dokumente.

Prozessuale Regelungen

Für die Verfolgung von Verbandsstrafen soll künftig das Legalitätsprinzip gelten. Danach ist die Ermittlungsbehörde verpflichtet, bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes einer Verbandsstraftat ein Ermittlungsverfahren gegen den Verband einzuleiten.

Die Verurteilungen nach dem Verbandssanktionengesetz sollen in ein Register eingetragen werden, auf das nur ausgewählte Behörden Zugriff erhalten.

Ausblick – Wie sich Unternehmen nun aufstellen sollten

Es ist zu erwarten, dass das Verbandssanktionengesetz – wohl eher früher als später – mit kleineren Änderungen geltendes Recht werden wird. Der Gesetzgebungsprozess sollte daher aufmerksam verfolgt werden.

Aufgrund der Berücksichtigung im Rahmen der Sanktionszumessung sollten Unternehmen ihr bestehendes Compliance-Management-System fortlaufend auf dessen Wirksamkeit überprüfen und verbessern bzw. – soweit sie noch keines besitzen – ein solches in risikoangemessenem Umfang einführen.
 
Aufgrund der Einführung des Legalitätsprinzips bei der Verfolgung von Verbandsstrafen wird die Anzahl von Unternehmensdurchsuchungen durch Ermittlungsbehörden zunehmen. Mit Schulungen der Leitungspersonen sowie aller sonstigen Mitarbeiter können sie sich auf die Durchsuchungssituationen vorbereiten und im konkreten Fall angemessen reagieren.

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