Deutschland, von nun an ein modernes Einwanderungsland?

Fast 2 Millionen offene Stellen im Jahr 2022. Deutschland und sein Fachkräftemangel sind ein stetig thematisiertes Thema. Wendepunkt im Rahmen der Fachkräfteeinwanderung soll nun das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung, flankiert von der dazugehörigen Verordnung, sein. Erklärtes Ziel ist eine schnellere, familienfreundlichere und digitale Einwanderung. Die Neuregelungen treten sukzessive ab November 2023 und Januar 2024 in Kraft.

Diese wird zukünftig auf drei Säulen basieren: der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule. Was sich dabei im Detail ändert, soll nachfolgend überblicksartig, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dargestellt werden.

I. Fachkräftesäule (Qualifikation)

Zentrales Element der Einwanderung bleibt die Fachkräftesäule. Fachkräfte sollen unter erleichterten Bedingungen einreisen und eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen können. Zur Stärkung der Einwanderung wurden u.a. folgende Änderungen vorgenommen:

  • Jede qualifizierte Fachkraft kann jede qualifizierte Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen ausüben (Wegfall des Erfordernisses eines Zusammenhangs zwischen Qualifizierung und Beschäftigung)
  • Fachkräfte mit Berufsausbildung (wie mit akademischer Ausbildung) haben bei Vorliegen aller Voraussetzungen künftig einen Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels
  • Herabsetzung der Voraufenthaltsdauer für Erteilung der Niederlassungserlaubnis

Erhöhte Aufmerksamkeit sollte den Änderungen rund um die Blaue Karte EU zuteilwerden.

  • Mindestgehaltsschwelle wird erheblich für Regelberufe auf 50 % und für Engpassberufe auf 45,3 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung gesenkt, dh aktuell: 43.800 Euro brutto im Jahr für Regelberufe und 39.682,80 Euro brutto im Jahr für Engpassberufe
  • Ausweitung der Anzahl der Engpassberufe
  • IT-Spezialisten wird es ermöglicht, die Blaue Karte EU ohne einen Hochschulabschluss zu erhalten
  • Vereinfachung des Arbeitgeberwechsels
  • Erleichterter Erhalt der Blauen Karte EU für Berufseinsteiger (Mindestgehalt aktuell: 39.682,80 Euro brutto im Jahr)
  • Erleichterter Erhalt der Erlaubnis zum Daueraufenthalt
  • Einführung von kurz- und langfristiger Intra-EU-Mobilität

II. Erfahrungssäule

  • Einreise und Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung erfordert nunmehr oftmals keinen in Deutschland (formal) anerkannten Abschluss mehr, sofern berufspraktische Erfahrungen im geforderten Maß vorliegen (gilt für alle nicht-reglementierten Berufe)
  • Reduzierung der notwendigen Berufserfahrung für IT-Spezialisten
  • Anerkennungspartnerschaft (Aufenthaltstitel, der eine begleitende Anerkennung erst in Deutschland und damit erst nach Einreise ermöglicht)

III. Potenzialsäule

  • Einführung einer sog. Chancenkarte mit Punktesystem (Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche)

Mit Spannung bleibt abzuwarten, wie sich das neue Fachkräfteeinwanderungsrecht in der praktischen Umsetzung bewähren wird und ob es zumindest teilweise den erwünschten Erfolg bringt. Noch zu viele Fachkräfte machen einen Bogen um Deutschland und hohe bürokratische Hürden, lange Bearbeitungsdauern, große lokale Unterschiede sowie Sachbearbeiter, die auch 2023 noch kein Englisch sprechen können, verhindern oftmals schnelle Recruiting-Erfolge für Arbeitgeber. An einer auch praktischen Verbesserung wird sich Deutschland im war for talents messen lassen müssen, will es nicht gänzlich den Anschluss verlieren. Gern unterstützen wir Arbeitgeber hierbei nach Kräften.

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