Endlich ist er da: Der Entwurf der EU-Kommission für einen delegierten Rechtsakt zu erneuerbarem Wasserstoff

Eigentlich schon seit Ende letzten Jahres fällig und nun endlich veröffentlicht: der Entwurf einer delegierten Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2018/2001 zur Festlegung einer Unionsmethode mit detaillierten Regeln für die Herstellung erneuerbarer flüssiger und gasförmiger Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs. Obwohl dieser delegierte Rechtsakt technisch gesehen nur für erneuerbare Kraftstoffe im Verkehrssektor relevant ist, wird erwartet, dass er die Regeln für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in allen Sektoren bestimmt.

Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Bestimmungen des Entwurfs des delegierten Rechtsakts.
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Stand der Gesetzgebung

Nach der Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2018/2001 (RED II) müssen die Mitgliedstaaten einen Mindestanteil von 14 % an erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch im Verkehrssektor sicherstellen (Art. 25 (1)). In Deutschland wurde dies durch die Einführung und Anpassung der Treibhausgasminderungsquote umgesetzt, die Kraftstoffanbieter beim Inverkehrbringen von Kraftstoffen einhalten müssen. Art. 27 RED II enthält die Berechnungsregeln für den Mindestanteil an erneuerbaren Energien und sieht einen delegierten Rechtsakt vor, der eine Unionsmethode mit detaillierten Regeln für die Einhaltung der Anforderungen durch die Wirtschaftsakteure vorsieht. Der delegierte Rechtsakt sollte bis zum 31. Dezember 2021 in Kraft treten.

Im Rahmen ihres REPowerEU-Plans hat die EU-Kommission nun das öffentliche Konsultationsverfahren für den Entwurf einer delegierten Verordnung eröffnet. Die Konsultation begann am 20. Mai 2022 und endet am 17. Juni 2022. Weitere Details sowie den Entwurf der delegierten Verordnung finden Sie hier.

Nach der Feedback-Phase wird der endgültige Text dem Europäischen Parlament und dem Rat für eine zweimonatige Prüfungsphase vorgelegt. Wir gehen daher davon aus, dass die Verordnung im Herbst 2022 in Kraft treten wird. Die delegierte Verordnung wird in allen Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar und verbindlich sein. Dies bedeutet, dass zumindest in Deutschland mit einer Überarbeitung der nationalen Gesetzgebung, insbesondere im Hinblick auf die Definition von erneuerbarem Wasserstoff und dessen Produktionsanforderungen, zu rechnen ist. 

Hinzu kommt, dass der Verordnungsentwurf unmittelbar nach seiner Veröffentlichung nicht allgemein auf Zustimmung traf. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich viele Interessengruppen an der öffentlichen Konsultation beteiligen werden. Dies kann zu weiteren Überarbeitungen des Verordnungsentwurfs führen.

Wesentlicher Inhalt des Entwurfs der delegierten Verordnung

Bitte beachten Sie, dass es sich im Folgenden nicht um eine vollständige Darstellung des Entwurfs der delegierten Verordnung handelt, sondern nur um eine kurze Zusammenfassung ausgewählter Inhalte. Die gerade für Sie relevanten Punkte sind möglicherweise nicht oder nur teilweise erfasst.

Begriffsbestimmungen

Art. 2 des Entwurfs der delegierten Verordnung enthält die relevanten Definitionen. Vor allem enthält der Entwurf die erste europäische Legaldefinition für erneuerbaren Wasserstoff in Art. 2 (4): “‘renewable hydrogen’ means hydrogen derived only from renewable energy sources other than biomass” ("Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen" ist Wasserstoff, der ausschließlich aus anderen erneuerbaren Energiequellen als Biomasse gewonnen wird“.)

Biomasse soll also kein erwünschter erneuerbarer Energieträger sein und daher von der Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff ausgeschlossen werden. Dies wird gegebenenfalls zu einer Änderung der nationalen Bestimmungen führen, zumindest in Deutschland, wo Biomasse noch nicht von den erneuerbaren Energieträgern zur Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff ausgeschlossen ist. Die Erwägungsgründe enthalten keinen weiteren Hintergrund zum Ausschluss von Biomasse. Einige Interessengruppen hatten gehofft, dass Biomasse zumindest für eine Übergangszeit einbezogen wird, da sie dazu beitragen könnte, erneuerbaren Wasserstoff mit höheren Kapazitäten zu erzeugen, bis die Wind- und Solarkapazitäten ausgebaut sind. Auch erscheint es zweifelhaft, biogene Abfälle pauschal auszuschließen.

Bemerkenswert ist auch, dass die Definition von ‘installation generating renewable electricity’ (Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien) in Art. 2 (3) nicht nur Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Biomasse, sondern auch Speicheranlagen ausschließt.

Unmittelbar angeschlossene Anlagen

Die delegierte Verordnung enthält Regeln für die Anrechnung von Strom aus direkt angeschlossenen Produktionsanlagen als vollständig erneuerbar (Art. 3). Die wichtigste Voraussetzung ist, dass eine direkte Verbindung zwischen der Wasserstofferzeugungsanlage und der Stromerzeugungsanlage besteht. Darüber hinaus muss der Betreiber folgende Nachweise erbringen:

  1. Entweder es besteht eine direkte Verbindung zwischen der Wasserstofferzeugungseinheit und der Einheit zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien findet in derselben Anlage statt, und
  2. Die Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien wurde frühestens 36 Monate vor der Wasserstoffproduktionseinheit in Betrieb genommen, und
  3. Die Anlage, die Strom erzeugt, ist nicht an das Stromnetz angeschlossen, oder wenn sie an das Stromnetz angeschlossen ist, muss mittels eines intelligenten Messsystems bewiesen werden, dass zur Erzeugung des erneuerbaren Wasserstoffs kein Strom aus dem Stromnetz entnommen wurde.

Aus dem Netz entnommene Elektrizität

Alternativ kann erneuerbarer Wasserstoff auch mit Strom aus dem Netz erzeugt werden. Artikel 4 des Entwurfs der delegierten Verordnung enthält die Regeln für die Anrechnung von aus dem Netz entnommenem Strom als vollständig erneuerbar. Die Kraftstoffhersteller haben drei Möglichkeiten, aus dem Netz entnommenen Strom als vollständig erneuerbar anzurechnen:

1. Die Wasserstofferzeugungsanlage befindet sich in einer Gebotszone, in der der durchschnittliche Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien im vorangegangenen Kalenderjahr über 90 % lag und die Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien eine im Verhältnis zum Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien in der Gebotszone festgelegte Höchstzahl von Stunden nicht überschreitet.

2. Es wurde ein Stromliefervertrag (Power Purchase Agreement, PPA) über eine Menge abgeschlossen, die mindestens der Menge an Strom entspricht, die als vollständig erneuerbar angegeben wird. Weitere Kriterien sind in Art. 4 (2) (a) - (d) aufgeführt:

  • Die Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energien wurde frühestens 36 Monate vor der Wasserstoffproduktionseinheit in Betrieb genommen; zudem gibt es Regeln für PPAs, die nach dem Auslaufen eines früheren Vertrages abgeschlossen werden, sowie für die Erweiterung einer Anlage um zusätzliche Kapazitäten, und
  • Die Anlage, die erneuerbare Energie erzeugt, enthält keine finanzielle Unterstützung in Form von Betriebs- oder Investitionsbeihilfen, wobei diese Bedingung bei Wasserstofferzeugungsanlagen, die zu Forschungs-, Versuchs- und Demonstrationszwecken eingesetzt werden, nicht erfüllt werden muss (siehe Art. 4 (3)), und
  • Der Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und der Strom aus erneuerbaren Energien müssen gleichzeitig während derselben Kalenderstunde erzeugt werden, wobei es verschiedene Möglichkeiten gibt, diese Anforderung zu erfüllen, und
  • Der Standort des Elektrolyseurs muss bestimmte Anforderungen erfüllen, die in Art. 4 (2) (d) (i) - (iii) aufgeführt sind ((i) - (iii) werden derzeit als (a) - (c) bezeichnet, was vermutlich ein redaktioneller Fehler ist)

3. Verbrauch von Strom während eines „imbalance settlement“, wobei nachgewiesen werden muss, dass die Stromerzeugungsanlagen herunter geregelt wurden (downward redispatch).

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten zusätzliche Kriterien für den Standort von Elektrolyseuren einführen können (Art. 4 (5)).

Allgemeine Kriterien

Artikel 5 enthält Anforderungen bezüglich der Informationen, die für jede Produktionsstunde dokumentiert werden müssen. Diese beziehen sich hauptsächlich auf die verbrauchten Strommengen und den erzeugten Wasserstoff sowie auf Angaben darüber, woher der Strom bezogen wurde.

Artikel 6 regelt, dass die Vorschriften der delegierten Verordnung sowohl für innerhalb als auch für außerhalb des Gebiets der Union erzeugten erneuerbaren Wasserstoff gelten.

Übergangsbestimmungen

Eine Übergangsbestimmung ist in Artikel 7 enthalten. Diese besagt, dass Art. 4 Absatz 2 Buchstaben a) und b) erst ab dem 1. Januar 2027 gelten soll. Dabei handelt es sich um die Bestimmungen für Strom aus erneuerbaren Energien, der aus dem Netz entnommen und über ein PPA beschafft wird, wonach die erneuerbare Energie aus einer Anlage stammen muss, die frühestens 36 Monate vor der Wasserstoffproduktionseinheit in Betrieb genommen wurde, und die Anforderung, dass die Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energie keine finanzielle Unterstützung erhalten darf.

Eine weitere Übergangsbestimmung bezieht sich auf Artikel 4 (2) (c) (i) und (ii) und besagt, dass der Strom aus erneuerbaren Energien bis zum 31. Dezember 2026 nicht innerhalb derselben Kalenderstunde, sondern nur innerhalb desselben Kalendermonats erzeugt werden muss. Diese Übergangsbestimmung gilt jedoch nicht für Projekte, die eine staatliche Beihilfe beinhalten, es sei denn, die staatliche Beihilfe bezieht sich nur auf die Investitionsausgaben.

Artikel 8 legt fest, dass Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben a und b nicht für Wasserstofferzeugungsanlagen gelten, die vor dem 1. Januar 2027 in Betrieb genommen werden. Dabei handelt es sich um die Bestimmungen für Strom aus erneuerbaren Energien, der aus dem Netz entnommen und über einen PPA beschafft wird, wonach der Strom aus erneuerbaren Energien aus einer Anlage stammen muss, die frühestens 36 Monate vor der Wasserstoffproduktionseinheit in Betrieb genommen wurde, sowie um die Anforderung, dass die Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energien keine finanzielle Unterstützung erhalten darf.

Ausblick

Die zusätzlichen Kriterien der gleichzeitigen und der zusätzlichen Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien zur Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff kommen nicht unerwartet. Fraglich ist, ob weitere Übergangsregelungen zur Erreichung der Ziele besser beigetragen hätten. 
Mit ihrem REPowerEU-Plan hat die Europäische Kommission das Ziel, bis 2030 5,6 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoff in der EU zu produzieren, auf 10 Millionen Tonnen erhöht. Zusätzlich sollen weitere 10 Millionen Tonnen erneuerbarer Wasserstoff aus Drittländern importiert werden. Diese Ziele sind ehrgeizig, aber wohl notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sprechen gute Gründe dafür, es den Wasserstoffherstellern leichter zu machen, erneuerbaren Wasserstoff zu produzieren. Mit den strengen Regeln für die Anforderungen an die Zusätzlichkeit und die gleichzeitige Erzeugung von erneuerbaren Energien scheint das Produktionsziel bis 2030 sehr ehrgeizig, wenn nicht sogar unmöglich zu erreichen. 

Einige Interessengruppen haben bereits Erklärungen abgegeben, dass die Anforderungen zu streng seien und dass die delegierte Verordnung den Ausbau der Produktionskapazitäten für erneuerbaren Wasserstoff behindern werde, anstatt ihn zu erleichtern. Es bleibt abzuwarten, ob der öffentliche Konsultationsprozess zu Änderungen des Entwurfs der delegierten Verordnung führt.

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