Fristlose Kündigung bei Selbstbeurlaubung

Ein eigenmächtiger Urlaubsantritt ist grundsätzlich ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Dies gilt auch dann, wenn zwischen den Parteien nur noch ein sogenanntes „Prozessarbeitsverhältnis“ besteht und sie bereits über die Wirksamkeit einer anderen Kündigung streiten. Die Kündigung ist in der Regel auch ohne Abmahnung zulässig.


LAG Baden-Württemberg – Urteil vom 01. Oktober 2020 – 17 Sa 1/20

Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Zunächst hatte die Beklagte dem Kläger ordentlich gekündigt. Der Kläger wehrte sich hiergegen vor dem Arbeitsgericht. Die Parteien vereinbarten nach Ablauf der damaligen Kündigungsfrist, aber noch im laufenden Kündigungsschutzprozess, ein sogenanntes Prozessarbeitsverhältnis. Dadurch sollte der Kläger weiterbeschäftigt werden, bis das Arbeitsgericht über die Wirksamkeit der Kündigung entschieden hatte.

Nachdem es im Rahmen der Prozessbeschäftigung zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien um die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers kam, forderte die Beklagte den Kläger an einem Freitag auf, die Arbeit ab dem darauffolgenden Montag wieder aufzunehmen. Am Abend desselben Freitags beantragte der Kläger per E-Mail um 23:17 Uhr Urlaub ab dem folgenden Montag und bat um schriftliche Bestätigung. Obwohl diese ausblieb, erschien er am Montag und auch in den Folgetagen nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht. 

Das Urteil des Gerichts

Die Vorinstanz bestätigte nur die fristgemäße, jedoch nicht die außerordentliche Kündigung. Nach der Abwägung der Interessen sei eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt gewesen, da der Kläger möglicherweise seinen Resturlaub abbauen wollte. Hintergrund war hier, dass ein Urlaubsverfall drohte. Im Übrigen sei die unbewilligte Selbstbeurlaubung aber in der Tat eine schwerwiegende Pflichtverletzung, sodass jedenfalls die ordentliche Kündigung wirksam sei. 

Das Berufungsgericht bestätigte darüber hinaus auch die fristlose Kündigung. Die eigenmächtige Urlaubsnahme sei ein an sich geeigneter wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Über die Gewährung von Urlaub entscheidet gem. § 7 BUrlG grundsätzlich allein der Arbeitgeber. Lehnt der Arbeitgeber den Urlaub ab, muss sich der Arbeitnehmer entsprechender Rechtsmittel bedienen. Eine Selbstbeurlaubung sei grundsätzlich abzulehnen. Der Arbeitnehmer verletzt sonst seine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, denn er erbringt dann keine Arbeitsleistung, ohne davon befreit worden zu sein.

Auch eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Sie ist entbehrlich, wenn dadurch keine Verhaltensänderung erwartet werden kann oder wenn die Pflichtverletzung schwer und dies für den Arbeitnehmer erkennbar war. Der Kläger habe hier nicht davon ausgehen können, dass sein Verhalten hingenommen wird. Er hatte den Antrag vor der Urlaubsnahme sehr kurzfristig gestellt und nicht mehr die Genehmigung abgewartet.

Das Gericht gewichtete zudem besonders schwer, dass der Kläger eine derart kurze Frist für die Urlaubsgewährung setzte und für die Beklagte und ihre Mitarbeiter kaum eine realistische Möglichkeit zur Reaktion ließ. Dies sei dem Kläger auch bewusst gewesen, als er um die schriftliche Genehmigung seines Antrags bat und die E-Mail zu später Stunde versandte. 

Fazit

Das Urteil ist instruktiv und setzt sich gründlich mit den Kündigungsgründen bei Selbstbeurlaubung sowie auch mit der Natur des Prozessarbeitsverhältnisses auseinander. Es bestätigt erst einmal die bekannten Grundsätze, dass der Urlaub nicht einfach vom Arbeitnehmer genommen werden kann, sondern vom Arbeitgeber gewährt werden muss. Das Gericht stellt fest, dass dies auch während eines Prozessarbeitsverhältnisses gilt. 

Wenn der Arbeitnehmer zudem über einen Weiterbeschäftigungstitel verfügt (also aus einer ersten Instanz), erfolgt die Prozessbeschäftigung nach der Rechtsprechung regelmäßig zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung. Sie begründet dann kein Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer kann daher die aufgenommene Arbeit in einem solchen Fall grundsätzlich wieder einstellen.

Dennoch stellte das LAG fest, dass auch in diesem Fall eine erhebliche Pflichtverletzung vorläge, denn der Kläger hat nicht schlicht die Arbeit eingestellt, sondern ausdrücklich einen Urlaubsantrag gestellt. Auf diesen hin hat er sich dann selbst freigestellt und dadurch eine Pflicht verletzt, was zur Kündigung berechtigte. 

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