OLG Nürnberg: Haftungsrisiken aus Verträgen mit AR-Mitgliedern

AktG §§ 108 I, 113, 114 I

Verträge über Maklertätigkeiten und Bauprojektbetreuungsleistungen, die zwischen einer AG und einem Aufsichtsratsmitglied geschlossen werden unterfallen § 114 I AktG und bedürfen daher der Zustimmung des Aufsichtsrats.

In formeller Hinsicht ist für die Zustimmung ein ausdrücklicher förmlicher Beschluss nach § 108 I AktG notwendig. In materieller Hinsicht ist die Zustimmung zu einem konkreten Vertragsverhältnis erforderlich. Dafür müssen dem Aufsichtsrat alle wesentlichen Informationen über den Vertragsinhalt vorliegen, insbesondere ist die Gesamthöhe der an den Aufsichtsrat zu zahlenden Vergütungen offen zu legen.

Zahlt der Vorstand einer AG einem Aufsichtsratsmitglied unter Verstoß der §§ 113, 114 AktG eine Vergütung, handelt er rechtswidrig. 

OLG Nürnberg, Urteil vom 8.3.2017 – 12 U 927/15 (LG Nürnberg - Fürth), BeckRS 2017,108720.

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer AG und macht gegen die Beklagten Rückzahlungs- bzw. Ersatzansprüche geltend.

Ein Beklagter war Aufsichtsratsmitglied der AG (A), der andere Beklagte war Alleinvorstand der AG (V). Der Geschäftsgegenstand der AG lag im Erwerb/Handel mit Grundstücken sowie dem Bauträgergeschäft. V schloss im Namen der AG einen Vertrag mit A, wonach A gegenüber der AG Maklertätigkeiten und Bauprojektbetreuungsleistungen erbringen sollte (Vertrag). Der Vertrag bestimmte einen Vergütungsanspruch des A in Höhe der „ortsüblichen Provision“. In einer Sitzung des Aufsichtsrats (AR) einigte man sich auf die Parameter des Vertrags. Eine förmliche Zustimmung des AR zu dem Vertrag erfolgte nicht. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden „sämtliche Leitungen, die A für die AG „erbracht und abgerechnet hat“ vom AR durch Beschluss genehmigt.

Entscheidung

Die Klage hatte gegen beide Beklagten Erfolg.

A ist gem. § 114 II S. 2 AktG zur Rückzahlung der gewährten Vergütung verpflichtet, da der Vertrag unwirksam ist. Zum einen sind die von A erbrachten Dienste Tätigkeiten höherer Art i.S.d. § 627 BGB, die nicht dem normalen Aufgabenbereich eines AR Mitglieds zuzuordnen sind, weshalb der Vertrag der Genehmigung des AR durch einen förmlichen Beschluss bedurft hätte (§ 108 I AktG). Da ein solcher Beschluss weder stillschweigend noch konkludent gefasst werden kann, fehlte vorliegend dieses formale Erfordernis. Zweitens hätte der AR selbst in einem formal wirksamen Beschluss einem konkreten Vertragsverhältnis zustimmen müssen. Die Zustimmung zu einem konkreten Vertragsverhältnis setzt voraus, dass dem AR alle wesentlichen Informationen über den Vertragsinhalt, insbesondere die Informationen über die Gesamthöhe der an den AR zu zahlenden Vergütungen, vorliegen. Nur so kann er beurteilen, ob die Zustimmung im Interesse der Gesellschaft ist. Die in den jährlichen Sitzungen des ARs gefassten Beschlüsse, genügen diesen Anforderungen nicht, da sie weder die konkret erbrachten Leistungen noch die Höhe der hierfür abgerechneten Vergütungen erkennen lassen. 

A ist ferner auch gem. § 812 I S.1 BGB zur Rückzahlung der gewährten Vergütung verpflichtet, da der Vertrag nach § 113 AktG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Da der Vertrag einen Vergütungsanspruch des A in Höhe der „ortsüblichen Provision“ bestimmt, ohne diese näher zu erläutern oder zu beziffern, fehlt es an einer hinreichend konkreten Vergütungsregelung. 

V handelt rechtswidrig, als er A unter Verstoß gegen §§ 113, 114 AktG eine Vergütung zahlte, er schuldet der AG daher gem. § 93 III Nr. 7 AktG Ersatz der gesetzeswidrig geleisteten Zahlungen. Die haftungsbegründende Pflichtverletzung ist bereits in der gegen §§ 113, 114 AktG verstoßenden Auszahlung zu sehen. Der Liquiditätsabfluss stellt hierbei den Schaden der Gesellschaft dar. 

Praxisfolgen

Das Urteil folgt der Rechtsprechung des BGH zu den formellen Anforderungen an einen Aufsichtsratsbeschluss, zur Rechtswidrigkeit von Zahlungen durch den Vorstand einer AG und zur Berechnung des Schadens im Rahmen des § 93 III AktG. 

Das Urteil führt eindrucksvoll vor Augen, dass der Vorstand einer AG gut beraten ist sicherzustellen, dass die Vergütungsregelungen in Verträgen zwischen einem AR Mitglied und der AG hinreichend konkret gefasst sind und dass bei Verträgen, die nicht bereits in den Aufgabenbereich eines beratenden AR Mitglieds fallen, dem AR bei der ersten Beschlussfassung die wesentlichen Informationen über den Vertragsinhalts vorliegen. Allgemein gehaltene Beschlüsse am Jahresende genügen den Anforderungen nicht.

Missachtet der Vorstand die vorstehenden Empfehlungen, setzt er sich dem Risiko aus, für sämtliche Zahlungen, welche die AG an das AR-Mitglied leistet, zu haften. So modifiziert § 93 III AktG den Schadensbegriff dahingehend, dass schon der bloße Liquiditätsabfluss einen Schaden darstellt. Eine Gesamtvermögensbetrachtung auf bilanzieller Grundlage unter Einschluss etwaiger (werthaltiger) Ansprüche auf Rückzahlung gem. § 114 II Satz 1 AktG findet nicht statt. Vielmehr kann der Vorstand nur dann einwenden, dass der AG kein Schaden entstanden ist, wenn das AR-Mitglied die erhaltenen Zahlungen tatsächlich an die AG zurückgeführt hat.

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