Doppelte Grunderwerbsteuer bei Share Deals durch Signing und Closing adé?

1. Problematik des Signing/Closings eines Share Deals in der Grunderwerbsteuer

Beim Erwerb von mindestens 90 % der Anteile an einer deutschen oder ausländischen Kapitalgesellschaft, die deutsche Grundstücke hält, kann es bei Share Deals, bei denen (was häufig der Fall ist) Signing und Closing auseinanderfallen, zu einer doppelten grunderwerbsteuerlichen Belastung kommen. 

Bereits mit dem Signing wird regelmäßig der Tatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG erfüllt. Steuerschuldner ist im Regelfall der Erwerber der Anteile. Erfolgt später das Closing, also die tatsächliche Übertragung der Anteile, wird zusätzlich ein Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht werden, der zur Grunderwerbsteuer auf der Ebene der Zielgesellschaft führt.

Die Finanzverwaltung geht bisher davon aus, dass beide Erwerbsvorgänge grundsätzlich unabhängig voneinander steuerbar sind, sodass einmal Grunderwerbsteuer (regelmäßig) gegen die kaufende Partei und einmal gegen die Zielgesellschaft festgesetzt wird. Auf Antrag kann aber die Steuerfestsetzung für das Signing aufgehoben werden (§ 16 Abs. 4a GrEStG). Wird eine der Anzeigen der beiden Grunderwerbsteuertatbestände jedoch nicht fristgerecht und vollständig erstattet, schließt § 16 Abs. 5 S. 2 GrEStG eine Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung für das Signing aus. 

Die inhaltlichen Anforderungen an die Anzeige und die kurzen Anzeigefristen (2 Wochen oder 1 Monat) sind in der Praxis unter mehreren Gesichtspunkten oft eine Herausforderung. Die Gefahr einer Doppelbelastung schwebt daher latent über vielen Transaktionen und führt dazu, dass komplizierte diesbezügliche Kooperationsklausen in den Unternehmenskaufvertrag (SPA) einzufügen sind.

2. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09. Juli 2025, II B 13/25 (AdV)

Leitsatz des Beschlusses:

Es ist rechtlich zweifelhaft, ob bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, zweimal Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b und § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) festgesetzt werden kann, wenn dem Finanzamt im Zeitpunkt der Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bekannt ist, dass die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) bereits erfolgt ist.“

Der Bundesfinanzhof äußert schon Bedenken gegen die grundsätzliche Auffassung der Finanzverwaltung, dass eine doppelte Erhebung von Grunderwerbsteuer für Signing und Closing gesetzlich angelegt ist. Dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG („soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“) sei keine zeitliche Beschränkung dahingehend zu entnehmen, dass der Vorrang nur dann gelte, wenn die Besteuerungszeitpunkte zusammenfallen. Der Gesetzgeber mag zwar nach Ansicht des Bundesfinanzhofs bei Einführung des § 16 Abs. 4a, 5 GrEStG eine solche zeitliche Einschränkung angenommen haben. Es sei aber zweifelhaft, ob und wenn ja in welchem Umfang die Korrekturvorschrift den materiellen Anwendungsvorrang in § 1 Abs. 3 GrEStG einschränken kann.

Jedenfalls wenn, wie im Streitfall, bei Festsetzung der Grunderwerbsteuer für das Signing das Closing bereits erfolgte und dies dem Finanzamt bekannt ist, hält er die doppelte Festsetzung von Grunderwerbsteuer für rechtlich zweifelhaft. 

Zwar war Gegenstand des Verfahrens lediglich eine summarische Prüfung im Rahmen eines AdV-Verfahrens, doch äußert der erkennende Senat des Bundesfinanzhofs deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bislang praktizierten doppelten Grunderwerbsteuerfestsetzung. Es ist daher durchaus zu erwarten, dass in einem etwaigen Hauptsacheverfahren diese rechtlichen Zweifel letztlich durch den BFH bestätigt werden.

3. Was ist jetzt zu tun?

Sollten Sie im Rahmen eines Share Deals von einer doppelten Festsetzung der Grunderwerbsteuer betroffen sein – etwa aufgrund einer unterlassenen, fehlerhaften oder nicht fristgerechten Anzeige – und der Bescheid ist noch nicht bestandskräftig, sollten Sie handeln. Es empfiehlt sich, gegen die Steuerfestsetzung für das Signing Einspruch einzulegen und zugleich die Aussetzung der Vollziehung sowie das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.

Gerne prüfen wir Ihre individuelle Situation und unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte gegenüber der Finanzverwaltung. Sprechen Sie uns an. Wir stehen Ihnen mit unserer steuerrechtlichen Expertise zur Seite.

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Die vorstehenden Ausführungen dienen nur der Information und ersetzen keine Rechts- oder Steuerberatung.

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