Umweltfreundliche Beschaffung von Software: Neuer Leitfaden des Umweltbundesamts

Das Umweltbundesamt (UBA) hat im Juli 2023 einen Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung von Software veröffentlicht, der auf der Internetseite des UBA heruntergeladen werden kann und ebenfalls als englische Version erhältlich ist. Es handelt sich dabei um eine Neufassung des ursprünglich im Mai 2019 erschienenen Leitfadens, der an die Kriterien des im Dezember 2019 erschienenen Blauen Engels für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte (DE-ZU-215) angepasst wurde. Dieses Gütezeichen wurde in einem Forschungsprojekt des UBA gemeinsam mit dem Öko-Institut und dem Umweltcampus Birkenfeld der Hochschule Trier entwickelt.

Der Leitfaden richtet sich an Beschaffungsstellen und Bedarfsträger, die Software einkaufen oder entwickeln lassen möchten. Er bietet einen Katalog für nachhaltige Softwareanforderungen und zeigt auf, wie diese Kriterien im Vergabeverfahren eingesetzt werden können, um eine energie- und ressourceneffiziente Beschaffung der Softwareprodukte zu gewährleisten. Dabei wird auf Aspekte wie Systemvoraussetzungen, Energieverbrauch, Hardware-Inanspruchnahme, Energiemanagement, Nutzungsautonomie und Dokumentation eingegangen.

Allgemeine Hinweise zur Verwendung des Leitfadens

Der Leitfaden ist sowohl für die Beschaffung von Standardsoftware als auch bei Aufträgen zur Erstellung von Individualsoftware geeignet. Für Server-Anwendungen soll sich dieser gleichwohl weniger eignen, da hierbei abweichende Anforderungen relevant sind. Im Leitfaden werden zudem lediglich solche Qualitätskriterien benannt, die einen Umweltbezug aufweisen, sodass dieser für die Beschaffung von Software keinesfalls als abschließend angesehen werden darf. Er enthält auch keine Qualitätskriterien wie Barrierefreiheit, Sicherheit oder Datenschutz, die ebenfalls bei der Beschaffung von Software berücksichtigt werden können. Aus vergaberechtlicher Sicht zentral sind die im Leitfaden im Kapitel 2 genannten Empfehlungen, wie die Kriterien des Blauen Engels für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte (DE-UZ 215) als

  • Eignungskriterien für die EU-Bekanntmachung,
  • Leistungs- und Funktionsanforderungen in der Leistungsbeschreibung,
  • Ausschluss- und Bewertungskriterien bzw. als Mindestanforderung mit Bewertung der Übererfüllung in Bewertungsmatrizen oder
  • Bedingung an die Auftragsausführung

in den Vergabeunterlagen verwendet werden können.

Selbstverständlich müssen die Kriterien je nach Beschaffungsfall angepasst und ergänzt werden. Insbesondere hinsichtlich der Ausschluss- und Bewertungskriterien wird im Leitfaden darauf hingewiesen, dass diese mit Bedacht bestimmt werden sollten, da die „falsche Wahl“ schnell dazu führen kann, dass zahlreiche Unternehmen kein Angebot einreichen können. In diesem Zusammenhang wird auf die Möglichkeit der Nutzung der sog. Mindestanforderungen mit Bewertung der Übererfüllung hingewiesen, welche eine weichere – oft bessere und wettbewerbsfreundlichere – Alternative darstellt.

In dem Leitfaden wird auch auf die Unterschiede bei der Beschaffung von Standardsoftware und Individualsoftware eingegangen.

Besonders wichtig ist im Fall der Beschaffung von Software – egal ob Standard- oder Individualsoftware – aber die Beschreibung der Systemvoraussetzungen, eines Referenzsystems sowie eines Standardnutzungsszenarios. Hierzu gibt der Leitfaden sinnvolle Umsetzungshinweise für die Praxis.

Vorschläge und Handlungsempfehlungen zu Anforderungen an ressourcen- und energieeffiziente Software

In Kapitel 3 des Leitfadens werden mögliche Anforderungen an ressourcen- und energieeffiziente Software sowie Hinweise zu deren Einsatz als Ausschluss- oder Bewertungskriterium, Leistungs- und Funktionsanforderung oder Bedingung für die Auftragsausführung dargestellt. Die vorgeschlagenen Anforderungen orientieren sich an den Kriterien des Blauen Engels für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte (DE-UZ 215). Hier erfahren Beschaffungsstellen und Bedarfsträger, welche Aspekte bei der Bewertung von Softwareprodukten berücksichtigt werden sollten, um umweltfreundliche Entscheidungen zu treffen. Auch hier werden weiterhin die Unterschiede zwischen Standard- und Individualsoftware einerseits sowie zwischen den einzelnen Anforderungskategorien andererseits (Ausschluss- oder Bewertungskriterium, Leistungs- und Funktionsanforderung oder Bedingung für die Auftragsausführung) praktisch erläutert.

Der Leitfaden stellt Kriterien zum Energieverbrauch und zur Hardware-Inanspruchnahme sowie die Aspekte der Hardware-Auslastung im Leerlauf der Software, die Hardware-Inanspruchnahme und der Energiebedarf der Software bei Ausführung eines Standardnutzungsszenarios in den Fokus.

Als weiteren Kriterien werden die Unterstützung des Energiemanagements und die Nutzungsautonomie angeführt. Letzteres soll dazu dienen, die Autonomie des Nutzers im Umgang mit der Software nicht einzuschränken, sodass hier die Unterkriterien Transparenz der Datenformate, Transparenz des Softwareprodukts, Kontinuität des Softwareproduktes, Deinstallierbarkeit, Offlinefähigkeit, Modularität und Werbefreiheit eine besondere Rolle spielen können.

Weitere Anforderungen für die Vertragsgestaltung und Updates

Im Kapitel 4 wird erläutert, was bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen ist. In den Vordergrund rückt der Umstand, dass sich eine Software im Vergleich zu Hardware dadurch unterscheidet, da diese einem ständigen Veränderungsprozess unterliegt und es daher wichtig ist, dass Regelungen für die Bereitstellung von Updates für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren vorgesehen werden sollten. Gleichzeitig wird eine Bestimmung empfohlen, wonach Updates nicht dazu führen dürfen, dass neue Hardware installiert werden muss.

Ein interessanter Ansatz wird aus der Verbindung von Updates und Energieverbrauch verfolgt: Der Leitfaden empfiehlt, dass in den Vergabeunterlagen bestimmt werden sollte, dass der Energieverbrauch durch das Aufspielen von Updates um maximal 10 % steigen darf.

Hinweise zu Durchführung von Messungen

Kapitel 5 des Leitfadens beinhaltet wichtige Hinweise zur Durchführung von Messungen und stellt noch einmal heraus, wie wichtig es für eine Vergleichbarkeit der Software ist, dass ein Referenzsystem und ein Standardszenario in den Vergabeunterlagen bestimmt wird.

Ergänzungen zu den umweltbezogene Eignungskriterien

Als Eignungsanforderungen kommen bei der Vorbereitung eines Vergabeverfahrens die Beschreibung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 46 Abs. 3 Nr. 3 Vergabeverordnung (VgV), die Angabe des Lieferkettenmanagement- und Lieferkettenüberwachungssystems gem. § 46 Abs. 3 Nr. 4 VgV und die in § 46 Abs. 3 Nr. 7 VgV vorgesehene Angabe von Umweltmanagementmaßnahmen in Betracht.

Hinsichtlich der Umweltmanagementsysteme handelt es sich bei „EMAS“ und „DIN EN ISO 14001“ um die beiden anerkanntesten und wichtigsten Systeme, wobei grundsätzlich auch vergleichbare Systeme akzeptiert werden müssen. Die Beschaffungsstelle oder der Beschaffer darf als umweltbezogenes Eignungskriterien nur diejenigen Merkmale vorgeben, die mit dem Auftragsgegenstand im Zusammenhang und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Letzteres ist der Fall, wenn die konkrete Eignungsanforderung objektiv dazu dient und geeignet ist, die Leistungsfähigkeit des Bieters bezogen auf den konkret ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen.

Ferner gilt es dabei, den Grundsatz des Gleichbehandlungsgebotes und des Diskriminierungsverbots zu beachten, wobei eine „Ungleichbehandlung“ durch die Berücksichtigung vergabefremder Kriterien im Rahmen sog. strategischer Aspekte (wie z.B. dem Umweltschutz) im Einzelfall geboten sein kann, wenn ein sachlicher Grund besteht und die Festlegung verhältnismäßig ist. Dies kann z.B. bei der Vorgabe bestimmter Leistungsorte für Lieferleistungen der Fall sein, wenn hierdurch der Energieverbrauch und Schadstoffausstoß reduziert werden kann.

Lebenszykluskosten als Zuschlagskriterium

Soweit der Leitfaden auf das Zuschlagskriterium der Lebenszykluskosten nach § 59 VgV nicht eingeht, ist zu berücksichtigen, dass diese bei einer entsprechenden Verwendung unmittelbar in die Wirtschaftlichkeitsbewertung des Angebots im Rahmen der Zuschlagsentscheidung einbezogen werden.

Insoweit darf gemäß § 59 Abs. 2 VgV die Berechnung der Lebenszykluskosten die folgenden Bestandteile umfassen:

  • die Anschaffungskosten,
  • die Nutzungskosten, insbesondere den Verbrauch von Energie und anderen Ressourcen,
  • die Wartungskosten,
  • Kosten am Ende der Nutzungsdauer, insbesondere die Abholungs-, Entsorgungs- oder Recyclingkosten, oder
  • Kosten, die durch die externen Effekte der Umweltbelastung entstehen, die mit der Leistung während ihres Lebenszyklus in Verbindung stehen (bspw. Emission von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen, sonstige Kosten für die Eindämmung des Klimawandels), sofern ihr Geldwert entsprechend den Voraussetzungen aus § 59 Abs. 3 VgV bestimmt und geprüft werden kann.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen, denen die gewählte Berechnungsmethode genügen muss in § 59 Abs. 3 VgV geregelt ist. Die Europäische Union hat bisher keine verbindliche Berechnungsmethode im Sinne des § 59 Abs. 4 VgV vorgegeben.

Fazit

Der Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung von Software kann insbesondere bzgl. der Festlegung von umweltbezogenen technischen Anforderungen ein nützliches Hilfsmittel für die Bedarfsträger und Beschaffer darstellen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich der Leitfaden zu sehr an den Vorgaben der Zertifizierung des Blauen Engels für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte (DE-UZ 215) orientiert, wodurch wichtige praxisrelevante Aspekte (Zuschlagskriterien, Eignungskriterien, Anforderungen für die Vertragsausführung/Auftragsausführung) teilweise nicht behandelt werden. Umweltbewusste Beschaffer und Bedarfsträger sollten sich daher nicht allein auf den Inhalt des Leitfadens beschränken, sondern stets die allgemeinen vergaberechtlichen Regeln zur Aufstellung von umweltbezogenen Anforderungen berücksichtigen.

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