Aktualisierung der FAQs zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Geschrieben von

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Felix Schmidtke

Associate
Deutschland

Als Senior Associate in unserem Düsseldorfer Commercial-Team sowie Mitglied unserer Automotive Sektorgruppe berate ich nationale und internationale Unternehmen in verschiedenen Bereichen des Wirtschaftsrechts. Dabei vertrete ich die Interessen unserer Mandanten sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich.

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Dr. Matthias Spilker, LL.M.

Partner, Co-Head of the Automotive & Mobility Group
Deutschland

Der Schwerpunkt meiner Beratung liegt auf gerichtlichen (Litigation, Arbitration) und außergerichtlichen Rechtstreitigkeiten und komplexen Wirtschaftsverträgen, beides mit einem Fokus auf Mandanten aus den Sektoren Automotive & Mobility sowie Energie. Besonders spezialisiert bin ich auf Lieferkettenstreitigkeiten. Ich bin Co-Leiter der Internationalen Automotive & Mobility Group von Bird & Bird und Partner in der Dispute Resolution und der Commercial Group der Kanzlei. Zudem bin ich Co-Leiter der deutschen ESG-Group.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle („BAFA“) hat am 09.07.2024 die Fragen und Antworten zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) aktualisiert.

Die veröffentlichte Aktualisierung der FAQ betreffen folgende Themenkreise:

  • Hinweise zum Unternehmensbegriff nach § 1 LkSG
  • Hilfestellung für die Ermittlung der Arbeitnehmerschwellen
  • Definition der Obergesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 LkSG
  • Anforderungen an Beschwerdemechanismen unter LkSG und Hinweisgeberschutzgesetz
  • Konkretisierung des Lieferkettenbegriffs bei Einzelhandelsunternehmen

Zu den praxisrelevanten Änderungen im Einzelnen:

Konkretisierung des Unternehmensbegriffs (Frage 3.1 und 3.2 der FAQ)

Der Unternehmensbegriff des § 1 LkSG ist grundsätzlich rechtsformneutral. Daher fallen nicht nur bestimmte Rechtsformen in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Das BAFA stellt mit der Neufassung der FAQs allerdings klar, dass Unternehmen i.S.d. § 1 LkSG nur solche Rechtsträger sind, die nach einer wertenden Gesamtbetrachtung überwiegend unternehmerisch bzw. wirtschaftlich tätig sind. Nach Ansicht des BAFA fallen unter diesen Unternehmensbegriff stets Handelsgesellschaften (also oHG, GmbH, GmbH & Co. KG, AG, KGaA), da diese stets überwiegend unternehmerisch bzw. wirtschaftlich tätig sind.

Das BAFA bestimmt somit erstmals konkrete Gesellschaftsformen, die bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 1 LkSG vom Anwendungsbereich des LkSG erfasst sein sollen. Die neuen „Regelbeispiele“ für erfasste Gesellschaftsformen sind weder im LkSG noch in der Gesetzesbegründung zu finden. Daher weicht das BAFA in seiner Interpretation an dieser Stelle vom Wortlaut des Gesetzes und der dazugehörigen Begründung ab.

Ob diese Änderung tatsächlich Abhilfe in Bezug auf bestehende Unsicherheiten mit dem Unternehmensbegriff im Sinne des § 1 LkSG schaffen wird, bleibt abzuwarten. Zwar bieten die FAQ nunmehr einen weiteren Anhaltspunkt für die Bestimmung. Es verbleibt jedoch dabei, dass in jedem Einzelfall für das konkrete Unternehmen zu prüfen ist, ob es im vorgenannten Sinne unternehmerisch bzw. wirtschaftlich am Markt agiert. Dies gilt insbesondere auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, für die insoweit keine Besonderheiten gelten. Auch dies hat das BAFA nochmals klarstellend in seinen FAQ festgehalten (Frage 3.2 der FAQ).

Hilfestellung für die Ermittlung der Arbeitnehmerschwellen (Frage 3.6 und 3.7 der FAQ)

Das BAFA stellt mittels überarbeiteter FAQ zudem klar, dass zur Bestimmung der Schwellenwerte des § 1 Abs. 1 LkSG bei einem ausländischen Unternehmen mit mehreren Zweigniederlassungen in Deutschland alle Arbeitnehmer der Zweigniederlassungen zusammen betrachtet werden müssen. Das LkSG findet folglich immer dann Anwendung, wenn die Summe der an den Zweigniederlassungen tätigen Arbeitnehmer mindestens 1.000 beträgt (Frage 3.6 der FAQ). 

Hinsichtlich der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern wird nun klargestellt, dass diese unabhängig von ihrer Entleihdauer dem Verleihunternehmen numerisch zuzurechnen sind. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 LkSG normiert allerdings, insoweit auf den ersten Blick abweichend, dass ab einer Entleihdauer von sechs Monaten die Arbeitnehmer dem Entleihunternehmen zugerechnet werden. Dieses Spannungsfeld könnte dahin aufzulösen sein, dass Arbeitnehmende nach einer Leihdauer von sechs Monaten sowohl für das Verleih- als auch für das Entleihunternehmen gezählt werden (Frage 3.7 der FAQ). 

Definition der Obergesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 LkSG (Frage 4.2 und 4.4 der FAQ)

Für die Obergesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 LkSG kommt es nach neuester Ansicht der BAFA nicht entscheidend darauf an, dass sie im gesamten Unternehmensverbund die Konzernspitze darstellt, sondern sie fällt auch dann unter das LkSG, wenn sie die oberste inländisch tätige Gesellschaft ist. Sie kann mithin auch eine Zwischengesellschaft sein (Frage 4.2 der FAQ). Unter der Voraussetzung, dass es sich um eine Gesellschaft im Sinne des LkSG handelt, sollen auch Holdings- und Zwischenholdings nach § 1 Abs. 3 LkSG in den Anwendungsbereich des LkSG fallen können (Frage 4.4 der FAQ). 

Insgesamt bleibt trotz der erneuten Konkretisierung der Begriff der „Obergesellschaft“ weiterhin auslegungsbedürftig und führt zu Rechtsunsicherheiten in der Umsetzung und Einhaltung des LkSG.

Anforderungen an Beschwerdemechanismen unter LkSG und Hinweisgeberschutzgesetz (Frage 12.2 der FAQ)

Das BAFA ist der Auffassung, dass ein einheitlicher Beschwerdekanal für Beschwerden nach dem LkSG und dem Hinweisgeberschutzgesetz eingerichtet werden kann. Das BAFA prüft die Anforderungen, die in §§ 8, 9 Abs. 1 LkSG aufgestellt werden. Diese Auslegung stellt für Unternehmen insofern eine Erleichterung dar, als sie nur einen Beschwerdemechanismus einrichten und unterhalten müssen, der ihnen die Einhaltung beider Regelungswerke sichert. 

Offen bleibt die Frage, ob nach der Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie („CSDDD“) an dieser Auslegung festgehalten werden kann. Denn diese sieht im Grundsatz zwei getrennte Kanäle für Beschwerden vor (vgl. Erwägungsgrund 60 zur CSDDD). Es bleibt insoweit abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber an dieser Stelle reagieren und die CSDDD innerhalb der vorgegebenen Umsetzungsfristen in nationales Recht umsetzen wird.

Konkretisierung des Lieferkettenbegriffs bei Einzelhandelsunternehmen (Frage 16.2 der FAQ)

Einzelhandelsunternehmen handeln (oft weit überwiegend) nicht nur mit Eigenmarken, sondern auch mit Fremdmarken. Es besteht Streit darüber, ob es sich beim Handel mit Fremdmarken um eine Dienstleistung im Sinne des LkSG handelt, mit der Folge, dass die Lieferkette auch eben diese Fremdmarken mitumfasst. Hier bezieht das BAFA nun dahingehend Stellung, dass auch die Fremdmarken in die Lieferkette des Einzelhandelsunternehmens fallen, ohne dafür eine rechtliche Begründung anzuführen. Ob diese Auslegung eine gerichtliche Überprüfung übersteht, bleibt deshalb fraglich. 

Immerhin verweist das BAFA auf den Grundsatz der Angemessenheit als Grenze der Sorgfaltspflichten, was wegen des geringeren Einflusses der Einzelhandelsunternehmen auf Fremdmarken auch nachvollziehbar und erforderlich ist.

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