Urlaubsabgeltung für GmbH-Fremdgeschäftsführer

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied jüngst, dass auch GmbH-Fremdgeschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) sein können. Maßgeblich sei insoweit der Arbeitnehmer-Begriff des Unionsrechts.

Mit seinem Urteil vom 25. Juli 2023 hat sich das BAG damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf GmbH-Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts angeschlossen.

BGH, Urteil vom 25. Juli 2023 – 9 AZR 43/22

Sachverhalt

Gegenstand des Rechtsstreites war insbesondere die Frage, inwieweit eine GmbH-Fremdgeschäftsführerin (Klägerin) Urlaubsabgeltung beanspruchen kann.
Die Klägerin war zunächst lange Zeit als Arbeitnehmerin bei der zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörenden Z GmbH beschäftigt. Schon seit dem Jahr 2012 war sie dann als Geschäftsführerin der Beklagten tätig und wurde in dieser Funktion seit 2018 bei der Z GmbH eingesetzt. 

Nach Anweisung der Geschäftsführung der Beklagten wurde die tägliche Arbeitszeit der Klägerin auf 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr festgelegt. Zudem waren bestimmte Leistungen der Klägerin vorgegeben: Am Vormittag war die telefonische Vornahme einer sogenannten „Kaltakquise“ vorgesehen, am Nachmittag das Anbieten von Leistungen und der Einsatz im Außendienst in Eigeninitiative. Insgesamt musste ein wöchentlicher Nachweis von 40 Telefonaten und 20 Besuchen erbracht werden.

Im September 2019 legte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihr Amt als Geschäftsführerin nieder und kündigte sodann im darauffolgenden Monat ihr Anstellungsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 2020. In der Zeit vom 30. August 2019 bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses war sie arbeitsunfähig erkrankt und erbrachte keine Leistungen mehr. 

Die Klägerin beanspruchte von der Beklagten Urlaubsabgeltung, da sie für das Jahr 2019 nur elf Tage und für das Jahr 2020 keinen Urlaub genommen hat. Zur Begründung führte die Klägerin ihre weisungsgebundene Beschäftigung als Arbeitnehmerin an. Demgegenüber vertrat die Beklagte die Auffassung, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung schon in Ermangelung eines Arbeitsverhältnisses ausscheide. 

Bereits die Vorinstanzen hatten im Sinne der Klägerin entschieden. Dem schloss sich das BAG nun an und sprach einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu.

Anspruch auf Urlaubsabgeltung als Fremdgeschäftsführerin 

Aus der insoweit vorzunehmenden, richtlinienkonformen Auslegung ergebe sich, dass die Klägerin als Fremdgeschäftsführerin Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verlangen kann.

Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten, vgl. § 7 Abs. 4 BUrlG. 

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das BUrlG die Vorgaben des Art. 7 der unionsrechtlichen Richtlinie 2003/88/EG (Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung) umsetzt. Dementsprechend müssen nationale Gerichte, zur Erreichung des festgelegten Ziels der Richtlinie, das BUrlG auch, soweit dies möglich ist, anhand des Wortlauts und des Zwecks der besagten Richtlinie auslegen. Infolgedessen ist für die Auslegung des Geltungsbereichs nach § 2 BUrlG der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff maßgebend.

Nach dem Europäischen Gerichtshof ist Arbeitnehmer jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, soweit diese nicht von so geringem Umfang ist, dass sie völlig untergeordnet und unwesentlich ist. Wesentlich für die Einordnung als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts soll dabei die weisungsabhängige Leistungserbringung innerhalb eines bestimmten Zeitraums sein, für die als Gegenleistung eine Vergütung erzielt wird. 

Unter Berücksichtigung dessen können dem Grunde nach auch Geschäftsführer als Arbeitnehmer in Sinne des Unionsrechts zu qualifizieren sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist insoweit eine Gesamtabwägung vorzunehmen, unter Einbeziehung der Bedingungen, unter denen die Bestellung erfolgt ist, der Art der übertragenen Aufgaben, des Rahmens, in dem diese Aufgaben erbracht werden sowie des Umfangs der Befugnisse. Zu berücksichtigen sind zudem die Umstände, unter denen der Geschäftsführer letztlich wieder abberufen werden kann und inwieweit dieser der Kontrolle innerhalb der Gesellschaft unterliegt. Zusätzlich soll in die Gesamtwürdigung einbezogen werden, in welchem Umfang der Geschäftsführer an der Willensbildung der Gesellschaft teilhat.

Vor diesem Hintergrund kam das BAG vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin Arbeitnehmerin im Sinne des Unionsrechts ist. Die weisungsgebundene Tätigkeit der Klägerin ergab sich insbesondere aus der Festlegung der täglichen Arbeitszeit und der Vorgabe arbeitnehmer-typischer Aufgaben.

Bedeutung für die Praxis

Die Einstufung von GmbH-Fremdgeschäftsführern als Arbeitnehmer im Sinne des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs wird auch auf andere Vorschriften, denen das Unionsrecht zugrunde liegt, zu übertragen sein. Das BAG und der BGH haben den Weg für eine einheitliche Rechtsprechung anhand des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs, unter der Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls, vorgegeben.

Dies wird aber nicht nur eine Rolle im laufenden Anstellungsverhältnis oder im Rahmen von Beendigungsszenarien spielen. Vielmehr gilt es bereits im Vorfeld die Kriterien des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs und dessen Folgen für eine rechtssichere Ausgestaltung der Verträge von Fremdgeschäftsführern zu beachten.

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