Leitender Angestellter auf Zeit?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich in seinem Urteil vom 01.06.2022 – 7 AZR 151/21 mit der Frage, ob die herausgehobene Position eines Arbeitnehmers und die sich daraus ergebenden Befugnisse die Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) rechtfertigen.

BAG, Urteil v. 01.06.2022, Aktenzeichen 7 AZR 151/21

Zum Jahreswechsel kein Direktor des Klinikums mehr

Das beklagte Klinikum ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die durch den Vorstand vertreten wird. Sie untergliedert sich in die Anstalten Campus Kiel, Campus Lübeck sowie zwei campusübergreifende Zentren (das Radiologie- und das Diagnostikzentrum). Die beiden campusübergreifenden Zentren werden durch die Zentrumsleitung geführt. Dieser gehörte bis 2019 u.a. ein geschäftsführender Direktor an. Nach der Zentrumsordnung ist er unter Einhaltung der Vorgaben des Vorstands für das wirtschaftliche Ergebnis des Zentrums verantwortlich. Der Kläger war aufgrund eines vom 01.07.2013 bis 30.06.2018 befristeten Arbeitsvertrages ein solcher geschäftsführender Direktor. Mit Änderungsvertrag vom 29.06.2015 wurde seine Tätigkeit bis zum 31.12.2019 verlängert. Durch Änderung der Hauptsatzung im Februar 2019 wurden die campusübergreifenden Zentren der Zentrumsdirektion unterstellt. Dieser gehören ein wissenschaftlicher Direktor, ein kaufmännischer Direktor sowie drei weitere Personen an. Der Kläger war von diesem Zeitpunkt an als kaufmännischer Direktor tätig. Allerdings verlängerte das beklagte Klinikum den Vertrag nicht über den 31.12.2019 hinaus. Der Kläger bot weiterhin seine Arbeitsleistung an und reichte am 17.01.2020 beim zuständigen Arbeitsgericht Klage ein. Nach Auffassung der Beklagten rechtfertige die starke vertragliche Stellung des Klägers als Gegenorgan zum Vorstand die Befristung. Es sei eine mit einem GmbH Geschäftsführer vergleichbare Stellung anzunehmen.

Verträge haben kein Ablaufdatum

Zwar hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, jedoch hatte die Berufung des Klägers Erfolg und die Revision der Beklagten war unbegründet. Tätigkeiten als Führungskraft oder in leitender Position rechtfertigen die Befristung des Arbeitsvertrages nicht aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung.

Auch Führungskräfte müssen keinen Blick in den Kalender werfen

Die Befristung zum 31.12.2019 ist unwirksam. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist sie nicht durch den sachlichen Grund der Eigenart der Arbeitsleistung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung vor, wenn diese durch die Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist. Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass mit dem Sachgrund vor allem verfassungsrechtlichen Besonderheiten Rechnung getragen werden soll. Die Beklagte betreibt zwar ein Krankenhaus, in welchem auch geforscht wird, allerdings werde das Arbeitsverhältnis hiervon nicht bestimmt. Das Klinikum konnte sich nicht darauf berufen, dass für sie als Forschungseinrichtung verfassungsrechtliche Besonderheiten gelten. Der Sachgrund ist aber nicht auf diese Fallgruppen beschränkt, sondern kann auch in anderen Fallgruppen beschränkt werden. Der Sachgrund setzt außerhalb verfassungsrechtlich geprägter Arbeitsverhältnisse voraus, dass das Arbeitsverhältnis durch außergewöhnliche Umstände geprägt ist, die ein berechtigtes Interesse der Parteien an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung begründen können. Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer leitender Angestellter ist, bildet keinen die Befristung rechtfertigenden Sachgrund. Nach dem TzBfG bedarf auch die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem leitenden Angestellten eines Sachgrundes, dessen Vorliegen nach denselben Maßstäben zu beurteilen ist wie bei anderen Arbeitnehmern. Entsprechend stellen Tätigkeiten als Führungskraft oder in leitender Position – die typischerweise mit einem geringeren Grad der Bindung an Weisungen einhergehen und aufgrund der übertragenen Verantwortung Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber bewirken können – keine befristungstaugliche Eigenart der Arbeitsleistung dar. Demnach folgt aus der geschäftsführerähnlichen Stellung des Klägers kein Befristungsgrund.

Eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten für große, internationale Konzerne

Insbesondere große und internationale Konzerne suchen regelmäßig nach Wegen, Arbeitsverträge mit leitenden Arbeitnehmern, die keine Organstellung haben, befristet auszugestalten. Sie möchten sich hiermit einen Wechsel in der Spitzenposition offenhalten, denn jüngeren Mitarbeitern sollen Aufstiegschancen gegeben werden. Neue Personen sollen frische Ideen im Unternehmen umsetzen. Häufig sind Führungspositionen sehr kräftezehrend und können nicht ein Leben lang ausgefüllt werden. Zwar gibt es viele Gründe für eine Befristung, allerdings hat das BAG diesem Wunsch einen Riegel vorgeschoben. Wenn sich ein Arbeitgeber bei der Besetzung der Position eines Direktors eines Arbeitsvertrages und keines vom Anwendungsbereich des TzBfG nicht erfassten Vertragstypus bedient, gelten auch bei Führungskräften im Befristungsgesetz die gleichen Grundsätze wie bei jedem anderen Arbeitsverhältnis. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz lässt die Befristung eines Arbeitsvertrages nur zu, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Die Tätigkeit von Führungskräften stellt nicht per se eine Eigenart der Arbeitsleistung dar, die gemäß § 14Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG eine Befristung rechtfertigen. Die Praxis muss auf andere Gestaltungsmöglichkeiten setzen, um ihre Ziele zu erreichen.

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