Der bloße Sendungsstatus genügt nicht. Praxistipp zur prozessualen Darlegung des Zugangs eines Einwurfeinschreibens. Nach der Zustellung ist das Handeln des Rechtsanwaltes gefordert.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2021 – 4 SA 68/20
Das Problem der schnellen und vor allem rechtssicheren Zustellung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung stellt sich Arbeitsrechtler:innen immer wieder. Während die persönliche Übergabe unter Zeug:innen sowie die Zustellung durch einen angeordneten Gerichtsvollzieher aufwändig und teuer ist, eignen sich Übergabe-Einschreiben sowie Einschreiben mit Rückschein für die Zustellung einer Kündigung ebenfalls nicht, da im Falle des Nichtantreffens des Empfängers die Erklärung erst dann zugeht, wenn dieser das Schriftstück bei der Post abgeholt hat.
Daher gilt als beste und rechtssicherste Alternative das sogenannte Einwurf-Einschreiben. Auch hier sind jedoch zahlreiche Anforderungen an die prozessuale Darlegung zu berücksichtigen, wie jüngst ein Urteil des LAG Baden-Württemberg aufzeigt.
Der Absender eines Einwurf-Einschreibens erhält bei der Aufgabe zu einem Zustellungsdienstleister seiner Wahl einen Einlieferungsbeleg. Im Gegensatz zum „klassischen“ Einschreiben mit Rückschein oder Übergabe wird das Dokument hier nur in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen. Bevor der Zusteller das Schriftstück in den Briefkasten des Empfängers wirft, scannt er den auf diesem angebrachten Barcode, welcher mitunter die Sendungsnummer beinhaltet. Durch das Scannen wird ein elektronisch generierter Zustellzeitpunkt angezeigt, welchen der Zusteller mit seiner Unterschrift bestätigt, sogenannter Auslieferungsbeleg. Der Absender kann den Status seiner Sendung hierbei im jederzeit im Internet nachverfolgen, den Auslieferungsbeleg erhält er jedoch nach Zustellung des Einschreibens nur auf Anfrage bei dem Zustellungsdienstleister, ggf. gegen eine kleine Gebühr.
Zuletzt hat sich das LAG Baden-Württemberg mit den Anforderungen an die prozessuale Darlegung der Zustellung eines Einwurf-Einschreibens beschäftigt. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hat die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche, krankheitsbedingte Kündigung erhoben und behauptet, die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Dieser Ansicht hat sich das Gericht mit der Begründung angeschlossen, dass die Beklagte die Durchführung eines notwendigen bEM-Verfahrens (betriebliches-Eingliederungsmanagement Verfahren) nicht oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß eingeleitet habe. Zwar ist die Durchführung eines bEM-Verfahrens keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung, sie ist jedoch gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Möglichkeit, ein milderes Mittel als eine Kündigung zu erkennen oder zu entwickeln. Kommt man diesem daher nicht nach oder kann man die Einleitung eines solchen Verfahrens unter Kenntnis des Arbeitnehmers nicht nachweisen, so läuft man Gefahr, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Dass der Arbeitnehmer von den Zielen des bEM-Verfahrens in Kenntnis zu setzen ist ergibt sich aus § 167 Abs. 2 S. 4 SGB IX.
So lag hier der Fall. Die Beklagte war nicht in der Lage, die ordnungsgemäße Einleitung eines bEM-Verfahrens zu beweisen. Neben dem Einlieferungsbeleg konnte diese lediglich den digitalen Sendungsstatus als „Zustellungsnachweis“ erbringen. Das Gericht führt jedoch aus, dass der Beweis des ersten Anscheins nur dann für den Absender spricht, wenn dieser den Einlieferungsbeleg in Original sowie die Reproduktion eines – elektronisch gefertigten – Auslieferungsbelegs vorlegen kann. Der auf dem Auslieferungsbeleg namentlich erwähnte Zusteller werde hierbei oftmals als Zeuge geladen. Diese Ladung kann auch nicht unter Berufung auf die reine Routinetätigkeit, an die der Zusteller sich nicht mehr erinnern könne, abgelehnt werden. Der Anscheinsbeweis könne jedoch nicht erbracht werden, wenn neben dem Einlieferungsbeleg keine Kopie eines Auslieferungsbelegs vorgelegt wird, sondern nur ein „Sendungsstatus“.
Begründet wird dies damit, dass der Sendungsstatus sich von einem Auslieferungsbeleg elementar unterscheide. Während der Auslieferungsbeleg einen digitalen Zustellungszeitpunkt nebst Unterschrift des Zustellers enthält, biete der Sendungsstatus dem Absender lediglich die Möglichkeit unter Angabe der Lieferungsnummer den Status der Sendung zu ermitteln. Hierbei zu beachten, dass er jedoch weder den Namen des Zustellers erkennen lasse noch sei auf diesem – bei erfolgter Zustellung – eine elektronische Reproduktion der Unterschrift des Zustellers erkennbar, mit welcher er die Zustellung bei dem jeweiligen Empfänger bestätigt. Der Sendungsstatus reiche daher nicht aus, den Anscheinsbeweis des Zugangs zu gründen.
Für die Praxis bedeutet dieses Urteil zweierlei: Der Rechtsanwalt in der Mandatspraxis muss sich bei der Zustellung einer Kündigung durch ein Einwurf-Einschreiben frühzeitig nach der Zustellung um die Beschaffung des reproduzierten Auslieferungsbelegs bemühen, um diese zur Akte nehmen zu können. Dies ist etwa telefonisch oder per E-Mail möglich. Nur so kann sichergestellt werden, dass man im Streitfall den Zugang des Schriftstücks auf den Anscheinsbeweis gründen kann. Darüber hinaus sollte der auf dem Auslieferungsbeleg ausgewiesene Zusteller als Zeuge für die ordnungsgemäße Zustellung benannt werden.
Wir danken unserem Rechtreferendar Maurice Kettern für seine Unterstützung bei der Erstellung des Artikels.