Bundestag berät über Investitionsbeschleunigungsgesetz

Am 12.08.2020 hat die Bundesregierung dem Entwurf eines Investitionsbeschleunigungsgesetzes (InvBeschlG) zugestimmt und dieses dem Bundesrat zugeleitet. Am 11.09.2020 wird der Bundestag nun erstmals über den Entwurf beraten (siehe hier).

Das Investitionsbeschleunigungsgesetz soll Investitionen im Infrastrukturbereich durch die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vorantreiben. Konkret sind Vereinfachungen im Raumordnungsrecht und bei der Genehmigung von Elektrifizierung und Modernisierung von Schienenstrecken sowie Maßnahmen zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren geplant.

Was wird bezweckt?

Nach wie vor ist die Verfahrensdauer für Genehmigungen von größeren Infrastrukturvorhaben und der sich häufig anschließenden Klageverfahren ein großer Kritikpunkt der Beteiligten.

Mit den geplanten Änderungen wird ein weiterer Anlauf unternommen, Planungs- und Genehmigungsverfahren im Infrastrukturbereich zu beschleunigen. Gleichzeitig soll auf diesem Weg auch die Umsetzung des Aktionsplans zur Stärkung der Windenergie vom Herbst 2019 erfolgen. Die vorgesehenen Regelungen sollen ein „wichtiges Zukunftssignal für Deutschland als Investitionsstandort“ und „ein gutes Signal für die Energiewende“ setzen. 

Wie werden die Ziele umgesetzt?

Die Beschleunigung soll prozessual insbesondere durch die Kürzung des verwaltungsgerichtlichen Instanzenzugs, spezialisierte Spruchkörper und den Entfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage bei Infrastrukturvorhaben mit überregionaler Bedeutung in den Bereichen Verkehr und digitale Infrastruktur erreicht werden.

Inhaltlich sollen Privilegierungen von Vorhaben nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) sowie Vereinfachungen im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) eingeführt und Raumordnungsverfahren eingegrenzt werden. 

1. Verfahrensbeschleunigungen

1.1 OVG als Eingangsinstanz
Für Klageverfahren gegen Infrastrukturvorhaben soll die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte durch eine Änderung des § 48 VwGO erweitert werden. Die auf diesem Wege bezweckte schnellere Rechtssicherheit für alle Beteiligten soll zukünftig für Zulassungen von Landesstraßen und für Windenergieanlagen an Land (höher 50 m) gelten. Außerdem sind größere Infrastrukturvorhaben nach dem Bundesberggesetz, Erweiterungen und Änderungen großer Häfen und Wasserkraftwerke von der geplanten Änderung erfasst.

Die unter Rechtsschutzgesichtspunkten kritisierte Verkürzung des Instanzenzuges wird damit begründet, dass eine aufwendige zweite vollständige Beweisaufnahme das Verfahren unnötig verlängere.

Ebenfalls sollen einmal mit einem Verfahren befasste Spruchkörper unabhängig von Änderungen der Geschäftsverteilung zuständig bleiben. Dies soll durch eine Änderung des § 50 Abs. 2 VwGO auch für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. 

1.2 Bildung spezieller Wirtschafts – und Planungsspruchkörper
Nach den neuen §§ 188a und 188b VwGO-E soll es die Möglichkeit geben Kammern oder Senate zu bilden, die nur im Wirtschafts- oder Planungsrecht tätig werden. Die Spezialisierung soll zu einem reibungsloseren Ablauf von Klagen und einer erhöhten Akzeptanz bei den Beteiligten führen. Eine Verpflichtung zur Errichtung solcher Spezialisierung soll nicht bestehen.

Wirtschaftsspruchkörper sollen sich demnach mit den Bereichen der Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftslenkung, Marktordnung und Außenwirtschaft, des Gewerberechts sowie des Post-, Fernmelde-, und Telekommunikationsrechts befassen. Demgegenüber sollen Angelegenheiten des Planungsrechts die Sachgebiete der Raumordnung, Landesplanung, das Bauplanungs- Bauordnungs- und Städtebauförderungsrecht umfassen. Auch Planfeststellungsverfahren oder anstelle einer Planfeststellung erteilte Genehmigungen werden hier verortet.

1.3 Erweiterung der Ausnahmen, in denen die aufschiebende Wirkung entfällt 
Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a VwGO-E soll die aufschiebende Wirkung für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte entfallen, die die Zulassung von Infrastrukturvorhaben von überregionaler Bedeutung in den Bereichen Verkehr und digitale Infrastruktur betreffen. Auch ohne eine ausdrückliche, begründungsbedürftige Anordnung der sofortigen Vollziehung bedürfte es damit eines Eilverfahrens, um die aufschiebende Wirkung herzustellen.

Der Begriff der Zulassung soll laut Gesetzesbegründung weit zu verstehen sein, über bloße Genehmigungen eines Vorhabens hinausreichen und dadurch auch Änderungen erfassen. „Überregionale Bedeutung“ soll allen Infrastrukturvorhaben an Bundesverkehrswegen und Vorhaben im Bereich der digitalen Infrastruktur, zukommen. Eine Definition des Begriffs „Infrastrukturvorhaben“ fehlt jedoch bislang.

In gleicher Weise soll § 63 BImSchG-E die aufschiebende Wirkung bei Vorgehen gegen die Zulassung von Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern entfallen lassen.

2. Materielle Änderungen

2.1 Vereinfachte Modernisierung von Eisenbahnanlagen
Materiell sieht der Entwurf Änderungen im AEG und UVPG vor: Eisenbahninfrastrukturbetreiber sollen Strecken flexibler modernisieren und in Stand halten können. § 18 AEG soll dahin ergänzt werden, dass in weiteren Fällen von Planfeststellungsverfahren abgesehen werden kann. Konkret soll dies für die Elektrifizierung und Digitalisierung von Strecken gelten, soweit diese als Einzelmaßnahmen umgesetzt werden. Die Errichtung von Schallschutzwänden und der barrierefreie Umbau von Bahnhöfen sollen ebenso planfeststellungsfrei möglich sein.

Ergänzend sehen §§ 22 Abs. 1 und 22b Abs. 1 S. 1 AEG-E vor, dass notwendige Enteignungsmaßnahmen und das Betreten von Grundstücken für Wartungsarbeiten an Bahnanlagen zulässig sein sollen, ohne dass es einer Überprüfung der Notwendigkeit der konkreten Flächeninanspruchnahme im Planzulassungsverfahren bedarf. 

2.2 Eingrenzung der Raumordnungsverfahren
Auch Raumordnungsverfahren nach dem Raumordnungsgesetz (ROG) sollen weiter eingegrenzt und mit Planfeststellungsverfahren verknüpft werden. Durch die Änderung des § 15 Abs. 5 ROG kann der Vorhabenträger ein Raumordnungsverfahren beantragen. Wenn er keinen Antrag stellt, muss er das Vorhaben unter Beifügung der entsprechenden Unterlagen anzeigen. Die jeweilige Landesbehörde soll nur, wenn sie befürchtet, dass eine Maßnahme zu raumbedeutsamen Konflikten führen wird, ein Raumordnungsverfahren einleiten.

Wie bereits aktuell (befristet) im Planungssicherstellungsgesetz vorgesehen, sollen Antragsunterlagen im Raumordnungsverfahren primär im Internet zugänglich gemacht werden. Es wird zudem klargestellt, dass Raumordnungsverfahren eine „gutachterliche Äußerung“ im Rahmen der eigentlichen Zulassungsentscheidung sind und eine Prüfung nur gemeinsam gerichtlich möglich ist.

Aktueller Stand

Das Kabinett hat dem Entwurf des Investitionsbeschleunigungsgesetz am 12.08.2020 zugestimmt und ihn dem Bundesrat zugeleitet. Nach der ersten Lesung im Bundestag ist beabsichtigt, den Entwurf dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur zur weiteren Beratung zu überweisen.

Abzuwarten bleibt, ob und inwieweit im Rahmen dieser Beratungen Änderungsvorschläge erfolgen. Die Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag soll voraussichtlich im Herbst stattfinden.

Die Beschleunigung von Vorhaben ist sicher notwendig. Betroffene Vorhabenträger sollten prüfen, inwieweit sie positiv Einfluss auf die Gesetzesgestaltung nehmen wollen. In laufenden oder bevorstehenden Verfahren sollten die mit den geplanten Änderungen verbundenen Beschleunigungseffekte evaluiert werden, um entsprechend disponieren zu können.

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