OLG Düsseldorf: Mehrheitserfordernis in der Personengesellschaft für das Eingehen einer Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Vermögens

AktG § 179a, 130
GmbHG § 53 Abs. 2

  1. Eine analoge Anwendung von § 179a AktG auf Personengesellschaften kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn der Gesellschaftsvertrag zu den Mehrheitserfordernissen bei dem in Rede stehenden Beschlussgegenstand keine Regelung enthält
  2. Für die hiernach erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung gilt auch das von § 179a AktG vorgesehene qualifizierte Mehrheitserfordernis.
  3. Aus seiner gesellschaftlichen Treuepflicht kann auch den beschränkt haftenden Kommanditist gegenüber den persönlich haftenden Mitgesellschaftern in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Verpflichtung treffen, an der Ergreifung von Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenzgefahr mitzuwirken.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2017 – I-6 U 225/16 (LG Düsseldorf), BeckRS 2017, 133913

Sachverhalt

Die Klägerin war als Zweitmarktfonds an der Beklagten, einem geschlossenen Immobilienfonds (einer KG), mittelbar über eine Treuhandkommanditistin beteiligt. Im KG-Vertrag war bestimmt, dass die Treugeber im Innenverhältnis wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter zu behandeln sind. Einziges Anlageobjekt der Beklagten war eine Immobilie, die für den Betrieb eines Hotels mit Golfplatz verpachtet war. Die Beklagte hatte den Erwerb des Anlageobjekts u.a. mit einem Hypothekendarlehen finanziert. Das Darlehen war nicht prolongiert worden, Umfinanzierungsversuche waren gescheitert und die Immobilie geriet auf Betreiben der Kreditgeberin in Zwangsverwaltung. Es fand sich aber ein Investor, der ein befristetes Kaufangebot in Höhe der offenen Darlehensverbindlichkeit abgab. Die Beklagte stellte daher in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung den Verkauf des Objekts zur Abstimmung. Eine knappe einfache Mehrheit stimmte dem Objektverkauf zu. Grundsätzlich sah der KG-Vertrag für Gesellschafterbeschlüsse eine einfache Mehrheit vor, für die Übertragung des Unternehmens im Ganzen und die Auflösung des Unternehmens jedoch eine Dreiviertel-Mehrheit.

Entscheidung

Die auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. In seiner Entscheidung bejaht der Senat ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis für den Beschluss. Durch Auslegung des Gesellschaftervertrages ergebe sich, dass ein verständiger Gesellschafter bei Lektüre des Gesellschaftervertrages nicht habe annehmen können, dass ein Beschluss über die Veräußerung des einzigen Vermögensgegenstandes der Gesellschaft nur der allgemeinen Mehrheitsklausel unterfallen solle. Dies folge auch aus einer analogen Anwendung von § 179a AktG auf Personengesellschaften, die der BGH bereits in einem früheren Urteil vom 09.01.1995 (Az. II ZR 24/94), unter Bezug auf die Vorgängerregelung des § 361 Abs. 1 AktG, bejaht hatte. Der BGH hatte damals aber nur das generelle Fehlen eines zustimmenden Beschlusses zur Übertragung des streitgegenständlichen Objektes beanstandet. Das LG Düsseldorf vertrat deshalb die Auffassung, dass das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit nicht entsprechend gelte, da dem Anlageobjekt immanent gewesen sei, dass die steuerlichen oder sonstigen Vorteile nach einer gewissen Zeit erschöpft sein könnten und daher die Anleger vor die Alternative der Veräußerung der Immobilie gestellt sein würden. Anders das OLG Düsseldorf: Jedenfalls dann, wenn der Gesellschaftsvertrag zu den Mehrheitserfordernissen eines Beschlusses über die Veräußerung des gesamten Vermögens keine Regelung enthalte, sei auch das qualifizierte Mehrheitserfordernis im Hinblick auf den Schutz der Vermögensinteressen und der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter in gleicher Weise anwendbar. Im vorliegenden Fall sei die Voraussetzung der vollständigen Übertragung des Gesellschaftsvermögens sowohl quantitativ (es handelte sich um das einzige Anlageobjekt) als auch qualitativ erfüllt, da die KG ohne dieses Anlageobjekt nicht mehr im Stande war, ihren satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand selbstständig weiterzuverfolgen.

Auf die verfehlte qualifizierte Mehrheit kam es nach Ansicht des Senates jedoch nicht an. Denn der klagende überstimmte Gesellschafter sei aufgrund seiner gesellschaftlichen Treuepflicht verpflichtet gewesen, der Veräußerung zuzustimmen. Eine solche Pflicht könne auch in einer Personengesellschaft dadurch entstehen, dass die Gesellschaft in eine unhaltbare wirtschaftliche Schieflage gerate, welche dringende Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenz nötig mache. Der Beschluss sei auch nicht gem. § 125 S. 1 BGB formnichtig, da sich eine Beurkundungsbedürftigkeit des Beschusses nicht aus §§ 179a 130 AktG oder § 53 II GmbHG ergebe.

Praxisfolgen

Da nach den Holzmüller- bzw. Gelatine-Rechtsprechungsgrundsätzen bereits für strukturverändernde Maßnahmen von geringerem Gewicht als der Veräußerung des gesamten Vermögens eine Dreiviertel-Mehrheit verlangt wird, ist es nur folgerichtig, dass das OLG Düsseldorf für den zustimmenden Beschluss eine Dreiviertel-Mehrheit verlangt hat. Letztendlich wird jedoch nur eine finale Klarstellung durch den BGH Rechtssicherheit in diese Thematik bringen.

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