Untersagung einer Betriebsänderung durch den Betriebsrat?

Eine Betriebsänderung birgt in vielen Fällen Konfliktpotential zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat.

LAG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.01.2021, Aktenzeichen 4 TaBVGa 6/20

Oftmals stoßen unterschiedliche Interessen aufeinander. Der Arbeitgeber möchte seine unternehmerischen Entscheidungen durchsetzen und der Betriebsrat fürchtet gleichzeitig einen Verlust von Arbeitsplätzen im Unternehmen. Mit einem solchen Fall beschäftigte sich das LAG Düsseldorf Anfang des Jahres in seiner Entscheidung vom 06.01.2020, Az. 4 TaBVGa 6/20. 

Streit um die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei einer Betriebsänderung

Die Beteiligten stritten in dem Verfahren über die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei einer geplanten Betriebsänderung. Zwei Arbeitgeberinnen betrieben medizinische Einrichtungen als Gemeinschaftsbetrieb. Bis April 2020 handelte es sich um Einrichtungen der katholischen Kirche, die im Rahmen einer Insolvenz allerdings von weltlichen Trägern übernommen wurden.

Sie planten eine Umstrukturierung des bisherigen Unternehmensstruktur. Diesbezüglich wurde im Juli 2020 ein Organigramm über die zukünftige Struktur des Gemeinschaftsbetriebs betriebsintern per E-Mail veröffentlicht. Das Organigramm zeigte auf, dass mehrere Bereiche, bei denen insgesamt ca. 170 Mitarbeiter beschäftigt waren, ausgegliedert werden sollten. 

Ende August 2020 wurde ein Betriebsrat für den Gemeinschaftsbetrieb gewählt, des sich im September in einer ersten Sitzung konstituierte. Zuvor hatte eine Mitarbeitervertretung gemäß der Mitarbeitervertretungsordnung der katholischen Kirche bestanden. In dieser Sitzung verlangte der Betriebsrat zur Sicherung seiner Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG – konkret zur Sicherung seines Verhandlungsanspruches über den Betriebsübergang nach § 111 BetrVG - von den Arbeitgeberinnen, keine Arbeitnehmer aufgrund der beabsichtigten Teilstilllegung zu entlassen. Diesen Anspruch machte er im Rahmen einer einstweiligen Verfügung geltend, die in der ersten Instanz zurückgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde des Betriebsrats, über die das LAG Düsseldorf zu entscheiden hatte.

Die Entscheidung 

Das LAG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Zwar bestehe grds. die Möglichkeit des Betriebsrats, einen derartigen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Dieser beziehe sich zwar nicht auf die unmittelbare Erfüllung des Anspruchs aus §§ 111, 112 BetrVG, da nicht die Verpflichtung der Arbeitgeberinnen zu einer Unterrichtung bezweckt ist. Der Betriebsrat soll allerdings davor geschützt werden, dass die Betriebsänderung durchgeführt und seine Beteiligungsrechte dadurch obsolet werden. 

Ist ungewiss, ob der Anspruch des Betriebsrats auf eine Beteiligung an der Betriebsänderung überhaupt besteht, genügt dies nicht als Verfügungsgrund. Das LAG konnte mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend feststellen, ob ein Beteiligungsrecht überhaupt bestand. Bei der geplanten Umorganisation der Betriebe sei nicht mit Sicherheit feststellbar, ob es sich um eine Betriebsänderung nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG handele, da die erforderliche Anzahl an Entlassungen nicht erreicht sei.

Gleichzeitig könne das Gericht mit den Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht feststellen, ob der Betriebsrat so zu behandeln ist, als hätte er bei der Betriebsänderung bereits bestanden. Die Umwandlung der Personalvertretung des kirchlichen Trägers hin zu einem Betriebsrat müsste untersucht werden. Für den Fall, dass die Wahl des Betriebsrats in seiner Form nach August 2020 maßgeblich sei, scheide ein Beteiligungsrecht aus, da die Planung der Betriebsänderung bereits abgeschlossen sei und die Umsetzung begonnen habe. Wird in einem solchen Zeitpunkt ein Betriebsrat gegründet, steht ihm kein Beteiligungsrecht mehr zu.

In einem solchen Fall der Ungewissheit über das Bestehen des Verfügungsanspruchs ist ein Verfügungsgrund von besonderem Gewicht erforderlich, da die Sicherung des Beteiligungsrechts bereits zu einer Rechtsbeeinträchtigung der Gegenseite führt. Erforderlich sind erhebliche Nachteile durch das Ausbleiben der Durchsetzung des Anspruchs. Solche erkennt das Gericht nicht.

Der Schutz der Arbeitnehmer durch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats seien auch unter eine europarechtskonformen Auslegung nach der Richtlinie 2002/14/EG nur begrenzt, da der Betriebsrat seine Vorstellungen nicht gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen und auch eine Einigungsstelle nur eine Einigung versuchen kann. Im Ergebnis fehlt es daher an einem Verfügungsgrund von besonderem Gewicht.

Praxishinweis

Erneut muss sich ein LAG zu der Frage, ob ein Betriebsrat eine Betriebsänderung im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen kann, positionieren. Bislang haben verschiedene LAGs in einem solchen Fall unterschiedlich entschieden. 

Arbeitgeber sollten sich daher an den jeweilig zuständigen LAGs orientieren, wenn sie einen solchen Konflikt mit dem Betriebsrat haben.

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