Fristlose Kündigung wegen der Entwendung von Desinfektionsmitteln

Schon seit längerem zeichnet sich ab, dass vermeintlich einfache Alltagsgegenstände in Zeiten der Pandemie an besonderem Wert gewinnen. 

LAG Düsseldorf – Urteil vom 14. Januar 2021 – 5 Sa 483/20.

Vor dem Hintergrund befürchteter Versorgungsengpässe berichten auch Arbeitgeber von Diebstählen solcher Gegenstände, insbesondere von Desinfektionsmitteln und weiteren medizinischen Produkten. Auch das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf hatte sich nun mit einem solchen Fall auseinanderzusetzen und zu entscheiden, ob die Entwendung von Desinfektionsmitteln die fristlose Kündigung eines langjährig beschäftigten Mitarbeiters rechtfertigt. 

Fund von Desinfektionsmittel im privaten PKW des Arbeitnehmers

Bei einer stichprobenartigen Kontrolle entdeckte die Arbeitgeberin in dem privaten PKW eines langjährig beschäftigten Mitarbeiters, den dieser regelmäßig in der Nähe seines Arbeitsplatzes parkt, eine verschlossene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel (im Wert von EUR 40) sowie eine Rolle mit Handtüchern, wie die Arbeitgeberin sie in ihrem Unternehmen bereitstellt. Diesen Fund nahm die Arbeitgeberin zum Anlass, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.
  
Der Mitarbeiter erklärte im Laufe des Kündigungsschutzprozesses, dass er während der Arbeitszeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug gegangen sei, um sich die Hände zu desinfizieren. Hierzu habe er das Desinfektionsmittel aus den Waschräumen der Arbeitgeberin an sich genommen, da in diesen nicht zu jeder Zeit ausreichend Desinfektionsmittel zur Verfügung gestanden habe. Die Flasche habe er im Übrigen zusammen mit seinen Kollegen verwenden wollen. Für den privaten Gebrauch habe er das Desinfektionsmittel nicht gebraucht, da er aufgrund der Tätigkeit seiner Frau in der Pflege ohnehin ausreichend versorgt gewesen sei.

Das LAG Düsseldorf gab der Arbeitgeberin recht

Das LAG bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung und gab damit der Arbeitgeberin recht. Das Gericht sei überzeugt, dass der Arbeitnehmer das Desinfektionsmittel entwenden wollte. Entscheidend sei dabei auch die Einlassung des Arbeitnehmers selbst, denn er konnte nicht begründen, weshalb er das Desinfektionsmittel nicht auf seinen Materialwagen am Arbeitsplatz gestellt hatte. Zudem sei die Flasche noch nicht geöffnet gewesen, weshalb er sie noch nicht verwendet haben konnte. Nach Aussage seiner Kollegen habe er diesen auch nicht von dem Desinfektionsmittel erzählt und ihnen damit nicht die Möglichkeit gegeben, das Desinfektionsmittel ebenfalls zu nutzen. 

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Arbeitnehmer in Zeiten, in denen Desinfektionsmittel als Mangelware galten und auch die Arbeitgeberin selbst mit Engpässen kämpfen musste, eine nicht geringe Menge entwendet habe. Ihm hätte bewusst sein müssen, dass auch die Entwendung einer einzelnen Flasche im Wert von 40 € sein Arbeitsverhältnis gefährden könne. Aus diesem Grund sei auch eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen.

Praxistipp

Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung, nach der auch die Entwendung von geringwertigen Gegenständen zu einer fristlosen Kündigung berechtigen kann. Insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemie und der Kenntnis von den Versorgungsengpässen mit derartigen Hygienemitteln müssen Arbeitnehmer mit einer Kündigung rechnen, auch dann, wenn ihr Arbeitsverhältnis bereits seit längerer Zeit beanstandungslos gewesen ist.

Durch ein solches eigennützig motiviertes Verhalten nehmen Arbeitnehmer gleichsam in Kauf, dass Kollegen keinen Zugriff auf Desinfektionsmittel hatten. Vor allem in der aktuellen Situation trifft den Arbeitgeber demgegenüber eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Zu dieser gehört auch die Bereitstellung von Mitteln zur Vermeidung der Ausbreitung der Pandemie. Ein Diebstahl von Desinfektionsmitteln und Masken gefährdet daher möglicherweise auch die Sicherheit der weiteren Mitarbeiter, was ebenfalls in die vorzunehmende Abwägung einzustellen ist. 

 

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