Auswirkung von Fehlern bei der Wahl des Wahlvorstandes auf die Betriebsratswahl

Die Folgen von Fehlern im Vorfeld einer Betriebsratswahl und bei der Wahl des Wahlvorstandes sind immer wieder Gegenstand von Konflikten.

Beschluss vom 11.02.2021 – 11 TaBVGa 1271/20

Schwierigkeiten entstehen insbesondere bei der Feststellung, ob Fehler im Vorfeld der Betriebsratswahl bereits so schwerwiegend sind, dass sie eine Untersagung der Durchführung der Betriebsratswahl rechtfertigen. Einen solchen Fall hatte das LAG Berlin-Brandenburg Anfang des Jahres zur Entscheidung vorliegen.

Streit über die Wahl des Wahlvorstandes

Die Beteiligten stritten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Untersagung der Durchführung einer Betriebsratswahl. Bei der Antragstellerin und Arbeitgeberin handelt es sich um einen Briefdienstleister. Sie betreibt mehrere Depots für die regionale Zustellung mit insgesamt 246 Arbeitnehmern. Ein Betriebsrat besteht nicht. Nachdem im Betrieb der Antragstellerin ein Wahlvorstand gewählt wurde, ging die Antragstellerin gegen diesen vor und beantragte eine einstweilige Verfügung, mit welcher dem Wahlvorstand die Durchführung der Betriebsratswahl untersagt werden sollte.

Die Wahlversammlung, in welcher der Wahlvorstand gewählt wurde, leitete ein Gewerkschaftsvertreter. Aufgrund der Pandemie musste sich jeder anwesende Arbeitnehmer mit Namen und Anschrift in eine Liste eintragen. Der Gewerkschaftsvertreter stellte drei von ihm ausgewählte Kandidaten vor und ließ über diese Personen für den Wahlvorstand abstimmen. Der genaue Ablauf der Abstimmung ist zwischen den Beteiligten streitig. Unstreitig ist, dass nach einer ersten Abstimmung kein eindeutiges Ergebnis erzielt werden konnte, weshalb die Arbeitnehmer nach einer Pause erneut über dieselben Kandidaten abstimmten. In der zweiten Abstimmung wurden drei Arbeitnehmer in den Wahlvorstand gewählt.

Die Antragstellerin rügt eine Verletzung des passiven Wahlrechts, da ausschließlich die vom Gewerkschaftsvertreter vorgeschlagenen Kandidaten zur Wahl standen und alle anderen Arbeitnehmer in ihrem passiven Wahlrecht beschränkt worden seien. Zudem seien die erforderlichen Mehrheiten nicht erzielt worden. Der Abstimmvorgang sei unübersichtlich gewesen und der Gewerkschaftsvertreter habe so lange für die Kandidaten geworben, bis immer mehr Arbeitnehmer für diese stimmten.

Eine eindeutige Feststellung der Anzahl der Stimmen sei unmöglich gewesen, da Personen die Hand gehoben und gesenkt haben.
Aufgrund der Verstöße bei der Wahl des Wahlvorstandes hält die Antragstellerin diese Wahl bereits für nichtig, weshalb auch die nachfolgende Betriebsratswahl nichtig sein würde. 
 

Wahl des Wahlvorstandes nicht nichtig

Das Gericht hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen, da kein Verfügungsanspruch bestehe. Ein Unterlassungsanspruch bestehe nur dann, wenn die Betriebsratswahl voraussichtlich nichtig sein werde oder der Wahlvorstand nicht oder nichtig bestellt werde. Eine bloße Anfechtbarkeit genüge nicht. Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg war die Wahl des Wahlvorstandes nicht nichtig. Dazu müsse die Wahl in einem so hohen Maß gegen allgemeine Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl verstoßen, dass nicht einmal der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl bestehe. Erforderlich sei ein offensichtlicher und besonders grober Verstoß.

Ein solcher Nichtigkeitsgrund liege nicht vor. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin stellte das Gericht keine Verletzung des passiven Wahlrechts fest. Der Gewerkschaftsvertreter sei berechtigt gewesen, Kandidaten aufzustellen und habe dadurch keine weiteren Arbeitnehmer an einer Kandidatur gehindert. Die Antragstellerin habe zudem keine konkreten Arbeitnehmer benennen können, die sich zur Wahl haben stellen wollen.

Es müsse zudem davon ausgegangen werden, dass die erforderliche Mehrheit erzielt worden sei. Die Anzahl der anwesenden Arbeitnehmer konnte sowohl durch die geführte Liste als auch durch eine manuelle Zählung festgestellt werden. Selbst wenn bei der Stimmauszählung ein Fehler erfolgt wäre, würde dieser die Wahl nur anfechtbar und nicht nichtig erscheinen lassen. 

Die gerügten Fehler seien daher nicht ausreichend, um eine Nichtigkeit zu begründen. Fehler bei der Wahl des Wahlvorstandes hätten ein geringeres Gewicht als bei der Wahl des Betriebsrats, da der Wahlvorstand keine Repräsentationsfunktion einnehme und ausschließlich die Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl zu seinen Aufgaben gehöre. Insgesamt sei die Wahl des Wahlvorstandes nicht nichtig, sodass auch kein Grund für die Untersagung der Durchführung der Betriebsratswahl bestehe.

Hohe Anforderungen an die Untersagung der Betriebsratswahl

Das LAG Berlin-Brandenburg bestätigt in seiner Entscheidung die bisherige Rechtsprechung zur Untersagung der Durchführung einer Betriebsratswahl. Die Nichtigkeit der Wahl des Wahlvorstandes stellt neben der voraussichtlichen Nichtigkeit der Betriebsratswahl grundsätzlich einen weiteren Grund dar, um die Durchführung der Betriebsratswahl zu untersagen. Allerdings sind an die Nichtigkeit hohe Anforderungen zu stellen. Die Nichtigkeit soll ein seltener Ausnahmefall sein und erfordert schwerste Fehler bei der Wahl. Diese Anforderungen ergeben sich aus der Stellung des Wahlvorstandes. Dieser hat - anders als der Betriebsrat – keine repräsentative Funktion und erfüllt ausschließlich eng umschriebene Aufgaben innerhalb der Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl. 

Da das Betriebsverfassungsrecht eine umfassende Arbeitnehmervertretung bezweckt, soll in jedem betriebsratsfähigen Betrieb ein Betriebsrat bestehen und betriebsratslose Zeiten sind soweit wie möglich zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund haben Fehler bei der Bestellung eines Wahlvorstands im Regelfall keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Betriebsratswahl. 

Insgesamt stellen sich die Anforderungen an die Untersagung der Durchführung einer Betriebsratswahl als sehr hoch dar. Um eine Untersagung zu erreichen, müssen schwerste Fehler bei der Wahl des Wahlvorstandes nachgewiesen werden.
 

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