Vorsorgliche Urlaubsgewährung bei Kündigung

Anforderungen an eine vorsorgliche Urlaubsgewährung bei fristloser Kündigung: In dem vorliegenden Sachverhalt stritten zwei Parteien über Restvergütung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich. Welche Anforderungen bestehen aber bei einer fristlosen Kündigung hinsichtlich der vorsorglichen Urlaubsgewährung? 

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. September 2019 – 4 Sa 15/19 

Sachverhalt

Die Parteien stritten über Restvergütung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich. Im Kündigungsschreiben hieß es u.a. zum Urlaub:
 
„Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihnen bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab. Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der Kündigung habe ich Ihnen ordentlich gekündigt. Für diesen Fall gilt folgendes: Sie werden Ihren noch nicht genommenen Urlaub im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu.“

Den entsprechenden Betrag zahlte die Beklagte an den Kläger zunächst als Urlaubsabgeltung aus. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung beendet wurde. Im Anschluss nahm die Beklagte Korrekturabrechnungen vor und behandelte die bisherige Urlaubsabgeltung entsprechend ihrer oben erwähnten Ausführungen im Kündigungsschreiben als bereits geleistetes Urlaubsentgelt. Der Kläger meinte, der Beklagte hätte die bereits geleistete Urlaubsabgeltung nicht nachträglich als Urlaubsentgelt behandeln dürfen. Die vorsorgliche Urlaubsgewährung für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sei nicht zulässig gewesen, da während des Laufs der Kündigungsfrist nicht klar gewesen sei, ob überhaupt eine Arbeitspflicht bestanden habe.
  

Wirksame Klausel nach Auffassung des Gerichts

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG Baden-Württemberg hat dies bestätigt. Es entschied, dass der Arbeitgeber im Falle einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung vorsorglich den Urlaub in der Kündigungsfrist gewähren darf, um eine Kumulation von Annahmeverzug- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern. Die erklärte Arbeitsbefreiung muss allerdings deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs gewährt wird. Der Arbeitgeber muss deshalb vor Urlaubsantritt die Urlaubsvergütung entweder zahlen oder zumindest vorbehaltlos zusagen. Dies lag im entschiedenen Fall vor.
 
Darüber hinaus ist es unschädlich, dass die Auszahlung zunächst als „Urlaubsabgeltung“ erfolgte. Die Beklagte hat gerade von Anfang an klargestellt, dass sie abhängig von der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung mit der alternativen Tilgungsbestimmung „Urlaubsabgeltung“ oder „Urlaubsentgelt“ leisten wolle. Nach Bedingungseintritt der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung entsprechend des gerichtlichen Vergleichs hatte der Kläger somit Urlaub und der Zahlbetrag erhielt die endgültige Tilgungsbestimmung „Urlaubsentgelt“.

Die Revision gegen das Urteil ist beim BAG unter dem Az. 9 AZR 612/19 anhängig.

Praxistipp

Dementsprechend ist zu raten, im Rahmen einer Kündigung explizit eine solche alternative Tilgungsbestimmung bei der Gewährung vorsorglichen Urlaubs zu treffen.

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