Präsenzsitzung des Betriebsrats kann trotz Corona zulässig sein

Zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung der Covid-19-Pandemie haben Bund und Länder strenge Regeln aufgestellt, um insbesondere die weitere Ausbreitung des Virus durch Gruppenveranstaltungen zu vermeiden. Hierbei sind auch Arbeitgeber gefordert, ausreichende Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Ansteckung am Arbeitsplatz zu ergreifen.

Um gleichwohl weiterhin die Arbeit von Betriebsräten sicherzustellen, hat der Gesetzgeber bereits im April eine vorläufige Regelung zur Beschlussfassung von Betriebsräten per Video- oder Telefonkonferenz (§ 129 BetrVG) erlassen. Allerdings zeigt die Praxis, dass auch mit dieser Neuregelung die betriebliche Mitbestimmung noch nicht in der virtuellen Welt angekommen ist. 

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nun in einem einstweiligen Verfügungsverfahren über die Zulässigkeit einer Präsenzveranstaltung eines Betriebsrates zu entscheiden und trotz Verbots des Arbeitgebers eine Präsenzveranstaltung zur Durchführung von Wahlen für zulässig angesehen. 

LArbG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 24.08.2020, 12 TaBVGa 1015/20

Verbot von Präsenzsitzungen durch den Arbeitgeber

In dem Fall, der dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vorlag, hatte der Arbeitgeber, ein Unternehmen, das Rehabilitationskliniken betreibt, gegenüber dem Gesamtbetriebsrat Präsenzsitzungen verboten und den Betriebsrat stattdessen auf die Möglichkeit einer Video- bzw. Telefonkonferenz verwiesen. Der Arbeitgeber begründete die Entscheidung damit, dass ein überregionales Zusammentreffen der Betriebsräte aufgrund der Covid-19-Pandemit ein besonderes Risiko berge, welches im Hinblick auf die Gefahr einer Verbreitung der Erkrankung in den Kliniken nicht hinnehmbar sei. Der Betriebsrat hielt dagegen an der geplanten Durchführung der Sitzung als Präsenzveranstaltung fest. Die am Veranstaltungsort geltenden Maßgaben zum Infektionsschutz würden eingehalten.

Die Möglichkeit, Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz durchzuführen, wurde durch die aus Anlass der Covid-19-Pandermie in das Betriebsverfassungsgesetz eingefügte Sonderregelung des § 129 BetrVG geschaffen. Danach können die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die Regelung gilt für den Zeitraum 01. März 2020 bis 31. Dezember 2020.

Erfordernis einer Präsenzsitzung bei geheimen Wahlen

Das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg hat am Montag, den 24.08.2020, entschieden, dass die geplante Präsenzsitzung vom Arbeitgeber hinzunehmen sei. Die Entscheidung über die Einberufung der Sitzung und damit den Sitzungsort obliege dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrat. Der Gesamtbetriebsrat könne für die konkrete anstehende Sitzung außerdem nicht auf eine Video- bzw. Telefonkonferenz verwiesen werden, da dabei die Durchführung geheimer Wahlen in einer Video- oder Telefonkonferenz nicht möglich sei. Außerdem bestand nach Auffassung des Gerichtes kein Anlass, an der Einhaltung der am Veranstaltungsort geltenden Kontakt- und Verhaltensregelungen zu zweifeln. Die verbleibende Risikosteigerung berechtige den Arbeitgeber nicht zur Untersagung der Sitzung als Präsenzveranstaltung.

Keine generelle Erlaubnis von Präsenzsitzungen

Ein Antrag des Gesamtbetriebsrats, der auf eine generelle Erlaubnis von Präsenzsitzungen zielte, wurde vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg abgewiesen. Das Gericht hat bewusst offengelassen, was für zukünftige Sitzungen des Gesamtbetriebsrats gelte, insbesondere für Sitzungen ohne anstehende Wahlen.  Dies sei abhängig von der Entwicklung des Infektionsgeschehens. Es müsse stets eine Abwägung im Einzelfall erfolgen.

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