„Justice for George Floyd“ – Politische Meinungsäußerungen im (Sport)arbeitsrecht

Politische Meinungsäußerungen sind seit jeher Thema im Arbeitsrecht. Auch im Sport gewann die Thematik gerade in den letzten Jahren an Popularität. 

Angefangen mit dem US-Footballspieler Colin Kaepernick, der 2016 als Zeichen gegen Rassismus während des Spielens der Nationalhymne kniete, kam es danach vermehrt zu politischen Meinungsbekundungen durch US-Sportler. Auch in Deutschland beschäftigte dies Vereine und Verbände. So zeigte der Fußballspieler Jadon Sancho nach seinem Tor in einem Bundesligaspiel ein T-Shirt mit der Aufschrift „Justice for George Floyd“.
  

Besonderheiten des Sportarbeitsrechts 

Für den Sportler stellt eine Sportveranstaltung die ideale Umgebung dar, um eine hohe Personenanzahl auf bestimmte Thematiken aufmerksam zu machen. Sie vergessen dabei allerdings, dass sie gleichzeitig ihren Verein nach außen vertreten sowie als Vorbild für Jugend- und Amateursportler fungieren. Daher sehen viele Verbände und Vereine Verbote für bestimmte Meinungsäußerungen vor. So heißt es in Regel 4 Nr. 5 der Fußball-Regeln des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für 2019/2020: „Die Ausrüstung darf keine politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bilder aufweisen. Spieler dürfen keine Unterwäsche mit politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bildern oder Werbeaufschriften mit Ausnahme des Herstellerlogos zur Schau stellen.“

Folglich untersuchte der Kontrollausschuss des DFB, inwiefern das Verhalten der in den letzten Wochen protestierenden Spieler sanktioniert werden sollte. Ein Verstoß gegen die genannte Regel lag zweifelsfrei vor, dennoch entschied sich der Kontrollausschuss dafür, das Verhalten nicht zu sanktionieren. Dies begründete er damit, dass es sich dabei um gezielte Anti-Rassismus-Aktionen der Spieler handele, die sich damit für Werte einsetzten, für die der DFB ebenfalls stehe und eintrete. Dieser Fall verdeutlicht, dass im Sportarbeitsrecht zu beachten gilt, dass sich der Sportler arbeitsvertraglich oftmals den ebenfalls den Verein bindenden Regularien der Verbände unterwirft. Bei Äußerungen der Sportler spielt daher das Verbandsrecht eine große Rolle, da auch der Verein selbst vom Verband für das Fehlverhalten des Sportlers sanktioniert werden kann.

Politische Meinungsäußerungen im Sport bleiben aber nicht immer frei von Sanktionen. Hier kommt es vor allem darauf an, welche Werte vermittelt werden. So stellte der Verein FC St. Pauli einen seiner Spieler frei, der auf seinem öffentlich einsehbaren Instagram-Account seine Solidarität mit dem türkischen Militär gezeigt haben soll. In diesem Fall sah der Verein die Meinungsbekundung als mit ihren Werten nicht vereinbar an. 

Meinungsäußerungen im „klassischen“ Arbeitsrecht

Betrachtet man die Rechtsprechung zu dieser Thematik, so lassen sich hieraus Maßstäbe hinsichtlich der Sanktionsmöglichkeiten von Meinungsäußerungen ableiten. Zunächst ist festzustellen, dass der Arbeitgeber diese grundsätzlich zulassen muss, da er über die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 5 GG zu beachten hat. Dem Arbeitnehmer wird damit im angemessenen Maße gewährt, seine Meinung nach außen zu tragen, sei es durch das Tragen von Buttons, dem Online-Posting oder durch die Teilnahme an Petitionen. Die Meinungsfreiheit wird jedoch durch die allgemeinen Gesetze begrenzt. Zu diesen ist § 241 Abs. 2 BGB zu zählen, aus dem die Treue- und Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers abgeleitet werden. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen der Meinungsfreiheit und der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers.

Es muss daher jeder Einzelfall konkret bedacht werden. So kann es bedeutsam sein, inwiefern der Arbeitnehmer Außenkontakt zu Kunden oder Lieferanten hat, da Meinungsäußerungen in diesem Zusammenhang aus Sicht des Dritten dem Arbeitgeber zugerechnet werden können.

Auch der konkrete Aussageinhalt muss genau untersucht werden. So fallen weder Formalbeleidigungen oder bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen unter den Schutzbereich des Art. 5 GG (BVerfG, Beschluss vom 10. November 1998 - 1 BvR 1531/96). Politische Äußerungen können gar zur außerordentlichen Kündigung führen. So urteilte das LAG Baden-Württemberg, dass das Senden von rassistisch geprägten WhatsApp-Nachrichten eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Dezember 2019 – 3 Sa 30/19). Auch anderweitige politische Meinungsbekundungen können einen Kündigungsgrund bedingen, wenn dadurch der Betriebsfrieden oder Betriebsablauf konkret gestört oder die Erfüllung der Arbeitspflicht beeinträchtigt wird (BAG, Urteil vom 09. Dezember 1982 - 2 AZR 620/80). 

Aus § 12 AGG und der Fürsorgepflicht lässt sich ferner eine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, andere Arbeitnehmer je nach Intensität vor rassistischen Meinungsäußerungen zu schützen. Zu beachten ist darüber hinaus, dass Mitglieder des Betriebsrates wegen § 74 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 BetrVG – von den in § 74 Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 BetrVG genannten Ausnahmen abgesehen – jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen haben.

Praxishinweis

Arbeitgeber sollten sich bewusst sein, dass die Meinungsfreiheit den Arbeitnehmern zwar viele Möglichkeiten eröffnet, sich ihre Wirkung jedoch nicht unbeschränkt entfaltet. Wird die Grenze der konstruktiven Kritik oder der gewöhnlichen politischen Meinungsäußerung überschritten, so kann je nach Einzelfall eine außerordentliche Kündigung durchaus wirksam sein. Gerade Arbeitnehmer, die den Arbeitgeber nach außen bei Kunden oder Lieferanten repräsentieren, müssen hinsichtlich politischer Meinungsäußerungen mit Bedacht agieren. Nur im Privatbereich bestehen für Arbeitnehmer weitreichende Freiheiten für politische Meinungskundgaben, da diese anders als bekannte Sportler oftmals nicht mit ihrem Arbeitgeber in Verbindung gebracht werden. 

Wir danken unseren wissenschaftlichen Mitarbeitern Dwayne Bach und Ansgar Fassbender für die Unterstützung.

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