Abfederung der wirtschaftlichen Folgen des Corona-Lockdowns mittels Kurzarbeit

Absagen von Messen und anderen Großveranstaltungen, geschlossene Baumärkte und abgesperrte Biergärten sind derzeit an der Tagesordnung. Nahezu alle Branchen sind betroffen. Ein großer Kostentreiber für Unternehmen im Lockdown sind die Personalkosten. Um diese sozialverträglich abzufedern, erlebt die Kurzarbeit in der Coronakrise einen historischen Belastungstest. Bis zum 13.04.2020 hatten rund 725.000 Betriebe bei den Agenturen für Arbeit Kurzarbeit angemeldet. 

Die Bundesregierung rechnet mit 2,35 Mio. Kurzarbeitern wegen der Coronavirus-Pandemie. Während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 haben in der Spitze "nur" bis zu 1,4 Millionen Beschäftigte kurzgearbeitet. Kurzarbeit soll die wirtschaftlichen Ressourcen der Arbeitgeber schonen und den drohenden Entlassungswellen und Massenarbeitslosigkeit vorbeugen. 

Wann spricht man von Kurzarbeit?

Kurzarbeit ist die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit. Eine volle Reduzierung (Kurzarbeit Null) ist dabei nicht erforderlich. Es genügt die teilweise Reduzierung der Arbeitszeit entweder im gesamten Betrieb oder auch einer oder mehrerer Betriebsabteilungen. Liegen die Voraussetzungen vor, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. 

Kann der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen?

Der Arbeitgeber kann nicht einseitig Kurzarbeit anordnen. Falls der Arbeitsvertrag keine Regelung über Kurzarbeit enthält, muss mit dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Kurzarbeit vereinbart werden. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, ist eine Betriebsvereinbarung zu verhandeln. Diese regelt Kurzarbeit abweichend von der vertraglichen Arbeitszeit und die Modalitäten des Umfangs und der Anordnung von Kurzarbeit. Zum Teil finden sich auch in Tarifverträgen Regelungen zur Kurzarbeit.

Wann hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld?

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn

  • ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt: Da die Coronakrise ein unabwendbares Ereignis darstellt und wohl nur vorübergehend ist, kommt es entscheidend darauf an, dass im jeweiligen Kalendermonat mindestens 10% der Arbeitnehmer im Betrieb oder der Betriebsabteilung jeweils einen Entgeltausfall von mehr als 10% des Bruttomonatslohns haben. Dabei ist im Vorfeld darauf zu achten, dass Resturlaub aus dem vergangenen Jahr aufgebraucht sowie Arbeitszeitsalden im Rahmen der Schutzvorschriften des § 96 Abs. 4 S. 3 SGB III aufgelöst werden.

    die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind: Diese liegen bereits vor, wenn im Betrieb oder einem Betriebsteil mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt wird. 

    die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind: Notwendig ist die Fortsetzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach Beginn des Arbeitsausfalls oder Aufnahme aus zwingenden Gründen oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses. Nicht bezugsberechtigt sind z.B. geringfügig Beschäftigte, gekündigte Arbeitnehmer und Mitarbeiter, die einen Auflösungsvertrag unterschrieben haben. Außerdem sind die die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt während der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen mit Bezug von Arbeitslosen- oder Übergangsgeld sowie während des Bezugs von Krankengeld. 

    und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (§ 99 SGB III): Zur Anzeige berechtigt sind nur Arbeitgeber oder Betriebsrat. Die Anzeige ist bei der Arbeitsagentur, in deren Bezirk der vom Arbeitsausfall betroffene Betrieb liegt, zu erstatten. Sie erfolgt schriftlich oder vorzugsweise online. Die notwendigen Formulare sind auf den Seiten der Bundesagentur zu finden. Es gibt keine Frist für die Anzeige des Arbeitsausfalls. Kurzarbeitergeld wird jedoch frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Die Anzeige muss die wirtschaftlichen und betrieblichen Voraussetzungen im Einzelnen glaubhaft machen bzw. nachweisen. Geeignet sind Nachweise über die Auftragslage, Einsatzpläne, Urlaubslisten, Lohnabrechnungslisten. Besteht ein Betriebsrat ist die verhandelte und unterschriebene Betriebsvereinbarung über die Kurzarbeit dem Antrag beizufügen. Nach erfolgreicher Prüfung erlässt die Bundesagentur für Arbeit einen Anerkennungs- bzw. Bewilligungsbescheid. 

Wie wird Kurzarbeitergeld ausgezahlt?

Der Arbeitgeber muss das Kurzarbeitergeld selbständig berechnen und auszahlen. Außerdem muss er jeden Monat erneut einen Antrag auf Kurzarbeitergeld schriftlich oder elektronisch bei der Agentur für Arbeit stellen, in dessen Bezirk die für den Betrieb zuständige Lohnstelle liegt. Ein Sammelantrag für mehrere Monate ist nicht möglich. Es besteht eine 3-monatige Ausschlussfrist zur Geltendmachung. Sofern die Abrechnung in der Monatsmitte erfolgt, kann auch der Restmonat geschätzt werden und im Folgemonat eine Korrektur erfolgen.

Höhe und Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes

Das Kurzarbeitergeld wird pauschal nach dem Nettoentgeltausfall berechnet. Unter diesem Link stellt die Arbeitsagentur eine Tabelle zur Berechnung bereit. Der Unterschiedsbetrag zwischen den aus dieser Tabelle abgelesenen Leistungssätzen ergibt das Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat, welcher grundsätzlich 60% bzw. bei einem Arbeitnehmer mit Kind 67% des ausgefallenen pauschalisierten Nettoentgelts darstellt. 

Der Arbeitgeber kann freiwillig den Betrag aufstocken. Die Aufstockung ist generell steuerpflichtig. Eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung besteht jedoch nur, wenn der Aufstockungsbetrag zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80% des ausgefallenen Arbeitsentgelts übersteigt und betrifft den Betrag, der die 80% übersteigt. 

Das Kurzarbeitergeld kann maximal zwölf Monate bezogen werden. Bei weiteren, außergewöhnlichen Umständen kann das Bundesministerium die Bezugsdauer auf 24 Monate erhöhen. 

Update: Geplante Erhöhung des Kurzarbeitergeldes

Die Bundesregierung hat am 22.04.2020 beschlossen, je nach Bezugsdauer das Kurzarbeitergeld für kinderlose Beschäftigte stufenweise von 60 % auf bis zu 80 % und für Eltern von 67 % auf bis zu 87 % zu erhöhen. Für Beschäftigte, die während der Kurzarbeit ihre Arbeitszeit um mindestens 50 % reduziert haben, erhöht sich das Kurzarbeitergeld

  • ab dem 4. Monat des Bezuges auf 70 % oder 77 % (für Beschäftigte mit Kindern) des ausgefallenen pauschalisierten Nettoentgelts und

  • ab dem 7. Monat des Bezuges auf 80 % oder 87 % (für Beschäftigte mit Kindern) des ausgefallenen pauschalisierten Nettoentgelts.

Die Erhöhungen gelten befristet bis längstens zum 31.12.2020. Darüber hinaus soll für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Kurzarbeit vom 01.05.2020 bis zum 31.12.2020 die bereits bestehenden Hinzuverdienstmöglichkeiten mit einer Hinzuverdienstgrenze bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle Berufe geöffnet werden. Der Beschluss der großen Koalition muss nun erst noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.

Sind betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit weiterhin zulässig?

Die Frage hat zwei Dimensionen

  • Zulässigkeit der Kurzarbeit trotz Kündigung: Voraussetzung für die Einführung der Kurzarbeit ist der vorübergehende Arbeitsausfall. Fällt die Arbeit dauerhaft weg, ist das grundsätzlich kein Anwendungsfall der Kurzarbeit, sondern der der betriebsbedingten Kündigung. Bei der Kurzarbeit muss die Rückkehr zur betriebsüblichen normalen Arbeitszeit erfolgen. So ist den fachlichen Weisungen der Bundesagentur zu entnehmen, dass die Grundlage für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes entfällt, wenn der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung trifft, einen Betrieb oder bestimmte Betriebsteile stillzulegen. Gleiches gilt für eine Betriebsänderung in Form eines erheblichen Personalabbaus (§ 17 KSchG), sobald konkrete Umsetzungsschritte erfolgen, wie z.B. Ausspruch von Kündigungen, Abschluss von Interessenausgleichsvereinbarungen mit endgültigen Namenslisten.

  • Soziale Rechtfertigung und Zulässigkeit der Kündigung: Eine betriebsbedingte Kündigung kann nicht mit einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel wie z.B. infolge des Corona-Lockdowns gerechtfertigt werden. Dennoch kann ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung bestehen. Später eingetretene weitere Umstände oder veränderte wirtschaftliche und/oder organisatorische Rahmenbedingungen können über den zunächst angenommenen nur vorübergehende Arbeitsmangel hinausgehen. Innerbetriebliche Organisationsänderungen stellen nicht auf den vorübergehenden Arbeitsmangel ab, sondern sind von Beständigkeit geprägt. Aufgrund dessen kann die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer durchaus auf Dauer entfallen. Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast.

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