Betriebsratswahlen während der Corona-Krise

Die andauernden Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stellen Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiterhin vor arbeitsrechtliche Herausforderungen. Im Betriebsverfassungsrecht stellt sich oftmals die Frage inwieweit Betriebsratswahlen während der anhaltenden Maßnahmen aufgenommen und fortgesetzt werden können.

Betriebsratswahlen finden grundsätzlich turnusmäßig alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai statt. Die nächsten regelmäßigen Wahlen sind erst für das Jahr 2022 vorgesehen. Daher bestehen für die regelmäßigen Betriebsratswahlen aktuell keine Einschränkungen durch die Corona-Pandemie. Es können jedoch auch außerhalb des Turnus Betriebsratswahlen aus den in § 13 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Gründen stattfinden. Prominentestes Beispiel hierfür ist die Neugründung eines Betriebsrates.

Fortsetzung bereits angelaufener Betriebsratswahlen

Wurde durch die Belegschaft bereits ein Wahlvorstand gewählt bzw. durch einen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat ein Wahlvorstand bestellt, bestehen Möglichkeiten zur Fortsetzung der Wahl. Ob diese Möglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft werden, sollte durch den Wahlvorstand mit Hinblick auf den Gesundheitsschutz, eine faire Wahl und mit Rücksicht auf die ohnehin bereits vermehrt belasteten Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sorgfältig geprüft werden.
Grundsätzlich ist der Wahlvorstand zu einer unverzüglichen Einleitung der Wahl nach § 18 Abs. 1 S. 1 BetrVG verpflichtet. Dabei ist „unverzüglich“ als „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verstehen. Eine Verzögerung der Betriebsratswahlen aufgrund der aktuellen Situation kann wohl keinesfalls als schuldhaftes Zögern angesehen werden. Sollte der Wahlvorstand daher noch keine Betriebsratswahl initiiert haben, so ist diesem zu raten die Wahl möglichst in einen Zeitraum zu verschieben, in welchem keine Kontaktbeschränkungen mehr vorherrschen. Eine solche Verschiebung muss jedoch hinreichend deutlich gegenüber der Belegschaft kommuniziert werden.

Dennoch ist es durchaus möglich eine entsprechende Wahl auch bei bestehenden Kontaktverboten durchzuführen. Bei der Stimmabgabe ist in diesem Fall aber besonders auf die Einhaltung der entsprechenden Abstände und Hygienevorschriften zu achten. Dies erfordert jedoch teils einen erheblichen Mehraufwand. Zudem ist aber auch eine schriftliche Stimmabgabe nach § 24 der Wahlordnung zum BetrVG möglich, soweit die Wahlberechtigten wegen Abwesenheit vom Betrieb an einer persönlichen Stimmabgabe verhindert sind.

Bildung eines Wahlvorstandes

Noch viel problematischer ist die Bildung eines neuen Wahlvorstandes, soweit kein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat besteht, welcher diesen selbständig einsetzen kann. In diesem Fall muss der Wahlvorstand nämlich durch die Belegschaft in einer Betriebsversammlung gewählt werden (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Die Durchführung einer Betriebsversammlung ist aber angesichts der aktuellen Situation nahezu ausgeschlossen. Daher hat der Gesetzgeber reagiert und für einen Teil der Betriebsversammlungen die Möglichkeit zur Nutzung von audiovisuellen Einrichtungen geschaffen (vgl. § 129 Abs. 3 BetrVG). Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber aber nicht für Betriebsversammlungen zur Bestimmung eines Wahlvorstandes vorgesehen. 

Findet trotz Einladung keine Betriebsversammlung statt oder wird auf die Betriebsversammlung kein Wahlvorstand gewählt, so besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur Bestellung des Wahlvorstandes durch das Arbeitsgericht nach § 17 Abs. 4 BetrVG. Umstritten ist jedoch, ob dies auch dann gilt, wenn gar keine Einladung erfolgt ist.

Da die Vorschrift grundsätzlich einen gescheiterten Wahlversuch voraussetzt (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 17 Rn. 32), kommt lediglich eine entsprechende Anwendung der Vorschrift in Betracht. Ob das möglich ist, ist bisher richterlich nicht geklärt.

Fazit 

Zwar bestehen aktuell Möglichkeiten zur Durchführung von Betriebsratswahlen. Allerdings sollten Wahlvorstände und Arbeitnehmer die aktuelle Situation genau beobachten und bewerten und möglicherweise eine Verschiebung der Wahlen bis zum Ende der Kontaktbeschränkungen vornehmen. Dies ist zum Schutze der Gesundheit der Belegschaft und zur fairen und gleichberechtigten Durchführung der Wahlen erforderlich.

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