Unzulässige Begünstigung bei Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern beschäftigt regelmäßig die deutschen Gerichte. Die wesentlichen Eckpunkte der Vergütung ergeben sich zum einen aus § 37 BetrVG, nach dem die Betriebsratstätigkeit ein unentgeltliches Ehrenamt ist. Mitglieder des Betriebsrates sind für die Ausübung der Betriebsratsarbeit von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts freizustellen. Ferner regelt das Betriebsverfassungsgesetz in § 78 sowohl das Verbot, Betriebsratsmitglieder gegenüber anderen Arbeitnehmern, die nicht im Betriebsrat tätig sind, zu benachteiligen, als auch das Verbot, diese zu begünstigen.

Die Vergütung von Betriebsratstätigkeit bestimmt sich hierbei nach dem so genannten Lohnausfallprinzip, das heißt, das Betriebsratsmitglied hat Anspruch auf die Vergütung, die es ohne Betriebsratstätigkeit erhalten hätte. Dies bezieht sich sowohl auf die Grundvergütung, als auch auf sonstige Vergütungsbestandteile wie beispielsweise variable Vergütung, Zuschläge für Sonn- und Feiertage, Mehrarbeit, etc.
 
Eine schwierige Hürde für Arbeitgeber ist regelmäßig die Bewertung der Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern, nämlich die Beantwortung der Frage, welche berufliche Entwicklung hätte das freigestellte Betriebsratsmitglied ohne die Betriebsratstätigkeit genommen. Einen sehr exemplarischen Fall einer Erwerbsbiographie hatte hierzu das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (7 Sa 1065/18) zu entscheiden, in dem allerdings die Revision zugelassen wurde:

Der Kläger und heutiger Betriebsratsvorsitzender war seit 1994 bei der Arbeitgeberin, einem Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, zunächst als Kfz-Mechaniker mit der Fachrichtung PKW-Instandhaltung beschäftigt. Seit 2002 war der Kläger Mitglied des Betriebsrates. Seit 2006 verfügte er über eine Ausbildungsbefähigung und führte zugleich den Titel „Meister“. Im Jahr 2008 wurde er bereits während seiner Freistellung als Betriebsrat zum Leiter der Ausbildungswerkstatt bestellt und in EG 9 eingruppiert, im Jahr 2009 wurden ihm weitere Aufgaben übertragen und er wurde in EG 10 hochgruppiert. Mit der Betriebsratswahl 2010 wurde der Kläger stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Noch immer unter Freistellung wurde er im Jahr 2012 noch eine weitere Tarifgruppe hochgestuft (EG11), da der Kläger ohne seine Freistellung das 2012 eingerichtete zentrale Fuhrparkmanagement geleitet hätte, im Jahr 2013 wurde ihn die Aufgabe als Abteilungsleiter Fahrzeugtechnik Kraftfahrzeuge (FK-U) übertragen.
 
Im Jahr 2013 legte der Kläger dann sein Amt als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender unter gleichzeitigem Verzicht auf seine Freistellung nieder. Ob er auch sein Betriebsratsamt niederlegte, ist streitig. Die Parteien vereinbarten zunächst einen Änderungsvertrag, der bis Ende 2013 eine Vergütung nach EG 13 und ab 2014 eine Vergütung nach EG 14 erhalten sollte. Rückwirkend wurde dann aber eine geringer vergütete Tätigkeit und die Eingruppierung in EG 11 vereinbart, nachdem die Revision erhebliches Fehlverhalten des Klägers festgestellt hatte. Der Kläger hatte Mitarbeiter angewiesen, seinen privaten PKW auf Kosten des Arbeitgebers zu reparieren. Das Verhalten wurde abgemahnt und der entstandene Schaden vom Kläger beglichen.

Ab der nächsten Betriebsratswahl im Jahr 2014 wurde der Kläger erneut in den Betriebsrat gewählt und übernahm dessen Vorsitz bei vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung. Zu Beginn des Jahres 2015 unterzeichneten der Geschäftsführer und ein leitender Personalmitarbeiter einen Vermerk, wonach der Betriebsratsvorsitzende ab dem 01.04.2015 in die EG 14, das heißt drei Gehaltsgruppen höher, eingruppiert wurde. Dies entspreche der betriebsüblichen Entwicklung. Man gehe davon aus, dass der Kläger die Vorgaben für einen Einsatz als Leiter der Abteilung Kfz-Werkstätten erfülle.
 
Im Jahr 2018 überprüfte die Arbeitgeberin die Eingruppierung und stufte daraufhin den Kläger zurück in die Entgeltgruppe EG 11. Der Kläger klagte nun auf die Entgeltdifferenz zwischen EG 11 und EG 14, ein Betrag von EUR 1.673,73 brutto pro Monat. Die Beklagte klagte ihrerseits auf Rückzahlung der Gehaltsdifferenz für den Zeitraum 2015 bis 2018.

Die Klage des Klägers wurde abgewiesen, da nach Ansicht des Gerichtes kein Anhaltspunkt dafür bestanden hatte, dass der Kläger nur eineinhalb Jahre nach dem beschriebenen Fehlverhalten die Voraussetzungen für eine Leitungsposition und damit für die Höhergruppierung in der EG 14 erfüllt hat, da diese eine besondere Verantwortung voraussetze. Das Gericht folgte damit der Einschätzung der Arbeitgeberin, die Höhergruppierung stelle eine unzulässige Begünstigung des Klägers als Betriebsratsmitglied dar (§ 78 Satz 2 BetrVG).
 
Gleichermaßen wurde aber auch die Klage der Beklagten abgewiesen, da auch diese mit der Zahlung der höheren Vergütung gegen das Begünstigungsverbot verstoßen habe. Eine Rückforderung von Zahlungen, die in Unkenntnis der Schuld geleistet wurde, ist nach § 817 BGB ausgeschlossen.
 
Dieser Fall zeigt exemplarisch die Entwicklung der Vergütung eines Betriebsratsmitglieds über einen langen Zeitraum und die hierbei vom Arbeitgeber vorzunehmende Bewertung über die hypothetische Entwicklung einer Erwerbsbiographie. Bezeichnend ist auch, dass die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern häufig nach dem Grundsatz „wo kein Kläger, da kein Richter“ erfolgt und besondere Umstände erst im Rahmen von Revisionsmaßnahmen bekannt werden.

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