Den Mindestlohn betreffende Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen sind unwirksam

Im September 2018 hat das BAG entschieden, dass in Arbeitsverträgen enthaltene vorformulierte Verfallklauseln aufgrund Verstoßes gegen das Transparenzgebot insgesamt unwirksam sind, wenn sie auch den gesetzlichen Mindestlohn erfassen und ihn nicht ausdrücklich vom Verfall ausnehmen.

BAG, Urteil vom 18.09.2018, 9 AZR 162/18


Rechtsgrundlagen

Seit dem 1. Januar 2015 ist der gesetzliche Mindestlohn aufgrund des am 16. August 2014 in Kraft getretenen Mindestlohngesetzes zu zahlen. Infolgedessen dürfen Arbeitsverträge, die ab dem 1. Januar 2015 geschlossen wurden, nicht gegen die Unabdingbarkeit des Mindestlohns aus § 3 S. 1 MiLoG verstoßen. Daher verstoßen Ausschlussklauseln, die den Mindestlohn nicht ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausklammern, gegen § 3 S. 1 MiLoG. Aufgrund des daraus folgenden Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sind entsprechende Klauseln gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB insgesamt unwirksam.
 
Sachverhalt

Der Kläger und der Beklagte schlossen im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses einen Vergleich, in dem festgehalten wurde, dass der Beklagte als Arbeitgeber dem Kläger bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die ausstehende Vergütung nach ordnungsgemäßer Abrechnung zu leisten hat. In der Abrechnung enthalten war jedoch nicht die Abgeltung für 19 nicht gewährte Urlaubstage, die dem Kläger grundsätzlich zustand. Der Beklagte war der Meinung, dass der Kläger diesen Anspruch aufgrund einer im Arbeitsvertrag enthaltenen Ausschlussklausel nicht mehr geltend machen kann.

Diese Klausel lautete:

„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.“

Der Kläger argumentierte, dass die Ausschlussfrist insgesamt unwirksam sei. Der Beklagte ging von der Wirksamkeit der Verfallfristen aus, da die Klausel nur insoweit unwirksam sei, als der gesetzliche Mindestlohn betroffen sei.
 
Urteil des BAG

Das BAG hält die Ausschlussklausel insgesamt für unwirksam, da sie sich auch auf den Mindestlohn erstrecke und dadurch gegen § 3 S. 1 MiLoG verstoßen werde.

Die Wirksamkeit der Klausel sei anhand §§ 305c Abs. 2, 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen, da § 3 S. 1 MiLoG diese mangels Rangverhältnis der Spezialität oder Subsidiarität nicht verdränge. Die in den Arbeitsvertrag einbezogene Verfallklausel verstoße gegen das Transparenzgebot i.S.d § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, weil dem Arbeitnehmer suggeriert werde, er müsse den Anspruch auf den Mindestlohn innerhalb der Ausschlussfrist geltend machen, was wegen des Verbots nach § 3 S. 1 MiLoG nicht der Fall sei. Die Rechtslage werde deshalb unzutreffend dargestellt, weshalb die Klausel irreführend sei.
 
Zwar sei die Klausel hier nur in Bezug auf den Mindestlohn intransparent, jedoch führe dies dazu, dass sie insgesamt, in Bezug auf jegliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – wie vorliegend den Urlaubsabgeltungsanspruch – unwirksam sei. Grund dafür sei, dass der Mindestlohn von „allen beiderseitigen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ umfasst ist. Wäre der Mindestlohn ausgeklammert gewesen, wäre die Klausel wirksam. Grund dafür sei, dass eine geltungserhaltende Reduktion mit dem Zweck einer AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff BGB im vorliegenden Fall nicht vereinbar sei. Eine geltungserhaltende Reduktion würde den Erhalt der vom Arbeitgeber verwendeten Ausschlussklauseln bezwecken und den Arbeitgeber begünstigen, was gerade nicht Sinn der AGB-Kontrolle sei. Der Arbeitgeber als Verwender profitiere von der Anwendung der von ihm gestellten Vertragsbedingungen, weshalb er das Risiko der Unwirksamkeit dieser zu tragen hätte. Anstatt der unwirksamen Ausschlussklausel gelten dementsprechend die gesetzlichen Bestimmungen gemäß § 306 Abs. 2 BGB, sodass die Ansprüche der gesetzlichen Verjährung unterlägen.

Der Beklagte muss damit die Unwirksamkeit der Ausschlussfristklauseln gegen sich gelten lassen, sodass er dem Kläger Abgeltung für die Urlaubstage zu leisten hat.

Was dies für die Praxis bedeutet

Bei dem Entwurf von Arbeitsverträgen sollte darauf geachtet werden, dass der Mindestlohn aus dem Anwendungsbereich der Ausschlussklausel ausgenommen wird, weil die Ausschlussklausel sonst bezüglich aller Ansprüche und nicht nur bezogen auf Ansprüche aus dem Mindestlohn unwirksam ist. Bei Verträgen, die bereits vor dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurden, sind die Ausschlussklauseln bezogen auf den Mindestlohn jedenfalls bisher noch wirksam, da es bei der Prüfung der Transparenz allein auf die Gesetzeslage bei Vertragsschluss ankommt.

 

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