Vertragliche Ausschlussklauseln sind keine Einbahnstraßen zum Schutz der Arbeitgeber, sondern schützen die Arbeitnehmer gleichermaßen

Mit Beschluss vom 7. Juni 2018 wies das BAG eine Schadensersatzklage zurück und begründete die Entscheidung mit der vertraglichen Ausschlussklausel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

BAG, Beschluss vom 7. Juni 2018, 8 AZR 96/17

Sachverhalt

Der Beklagte war im Autohaus der Klägerin als Verkäufer tätig. Im Arbeitsvertrag war zum einen eine vertragliche Ausschlussklausel festgehalten, die sämtliche Ansprüche, die aus dem Arbeitsverhältnis oder in Verbindung mit diesem entstehen, nach drei Monaten verfallen lässt, sollten diese nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sein. Zudem wurde im Arbeitsvertrag mit dem Verkäufer geregelt, dass Neuwagen an die Kunden erst herausgeben werden dürfen, wenn der Kaufpreis voll bezahlt worden ist oder die Finanzierung gesichert war.

Am 19. September 2014 erschien beim Beklagten ein Kunde, der seinen schon vor längerer Zeit bestellten Neuwagen gegen eine Anzahlung abholen und für ein Wochenende in Gebrauch nehmen wollte. Der Verkäufer ließ sich überreden und nahm dem Kunden das Versprechen ab, den Wagen in der darauffolgenden Woche, am Montag den 22. September 2014, wieder zurückzubringen. Die Gutgläubigkeit des Verkäufers wurde bestraft, als der Neuwagen nicht wie vereinbart wieder vor dem Autohaus stand.

Die Klägerin stellte daraufhin im September Strafanzeige gegen den Kunden, der in Italien Ende Oktober 2014 aufgegriffen und vorläufig festgenommen worden ist. Das Auto wurde beschlagnahmt. Der Haftbefehl wurde jedoch wieder aufgehoben, der Beklagte freigelassen und der beschlagnahmte Wagen an den Kunden zurückgegeben. Die Klägerin verlangte im Februar 2015 die Zahlung des restlichen Kaufpreises vom Kunden und beauftragte zudem eine Detektei mit der Wiederbeschaffung des Fahrzeuges. Der Kunde hatte sich in der Zwischenzeit aber mit seinem Neuwagen abgesetzt und war für alle Beteiligten nicht mehr auffindbar.

Die Klägerin verlangte daraufhin, mit Schreiben vom 20. November 2015, ein Schuldanerkenntnis des Beklagten. Nachdem der Beklagte diesem nicht folgte, erhob die Klägerin im Dezember 2015 Klage auf Schadensersatz i. H. v. 29.191,61 €.

Entscheidung

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen und auch die Revision vor dem achten Senat des BAG hatte keinen Erfolg.

Der Senat ließ dabei dahinstehen, ob tatsächlich eine Vertragsverletzung begangen worden ist und stellte auf die vertragliche Ausschlussklausel ab, nach der die Ansprüche nach 3 Monaten verjähren. Dies bejahte der BAG. Dabei ging er davon aus, dass die Ausschlussfrist spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen begann, als sich die Klägerin entschlossen hatte, Klage gegen den Kunden zu erheben. Da der Arbeitgeber seinen Anspruch nicht ordnungsgemäß gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht hat, hat er die Ausschlussfrist nicht gewahrt. Der Fristbeginn ist auch nicht im Hinblick auf arbeitsvertragliche Nebenpflichten (vgl. § 241 II BGB) oder die Schadensminderungsobliegenheit (vgl. § 254 II BGB) anders zu bewerten.

Zudem sei der Klägerin erkennbar gewesen, dass ihre Klage gegen den nicht auffindbaren Kunden keinen Erfolg haben würde, sodass sie im Hinblick auf die vertragliche Ausschlussklausel sich direkt an den Verkäufer hätte wenden können.

Folgen für die Praxis

Es gilt: vertragliche Ausschlussklauseln dürfen von keiner Vertragspartei als „one way street“ gesehen werden, da sie regelmäßig nicht nur eine Vertragspartei schützen.

Eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags vereinbarte Ausschlussfrist ist grds. so auszulegen, dass sie nur das erfasst, was von den Parteien gewollt ist. Eine Anwendung auf Fälle, die durch gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, ist dagegen gerade nicht gewollt und kann nicht Gegenstand einer vertraglichen Ausschlussklausel sein.

In einem weiteren neueren Urteil des BAG vom 20.06.18 hat das Gericht entschieden, dass Ausschlussfristen, nach denen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis in einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen, gehemmt werden, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führen (vgl. §203 S.1 BGB).

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