Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Mitteilung einer Adressänderung auch im laufenden Kündigungsschutzprozess

Das LAG Düsseldorf beschäftigt sich mit der Frage, ob der Arbeitnehmer in einem laufenden Kündigungsschutzverfahren verpflichtet ist, dem Arbeitgeber seine neue Anschrift mitzuteilen und inwiefern der Arbeitgeber seine diesbezüglichen Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen muss (LAG Düsseldorf, Urteil v. 15.8.2017, 3 Sa 348/17).

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers. Der Kläger (Arbeitnehmer) war bei der Beklagten (Arbeitgeberin) seit 2004 als Müllwerker beschäftigt. Am 28.01.2016 erlangte die Beklagte Kenntnis über alle kündigungsrelevanten Umstände bezüglich eines vermeintlichen Prozessbetruges des Klägers in einem vorherigen Kündigungsschutzprozess. Die zweiwöchige Frist zum Ausspruch der fristlosen Kündigung endete demnach am 11.02.2016. An diesem Datum schickte die Beklagte zwei Mitarbeiter zu der ihr bekannten Adresse des Klägers, um die außerordentliche Kündigung zuzustellen. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon an einen anderen Wohnort gezogen, sodass eine Zustellung der neu datierten Kündigung an die aktuelle Anschrift erst am 12.02.2016 erfolgte. Das Ausgangsgericht hielt die Kündigung für unwirksam, weil die Erklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden sei. Die Beklagte legte daraufhin Berufung ein.

Entscheidung

Das LAG hat die Berufung zurückgewiesen und damit die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung bestätigt. Die Kündigung sei bereits aufgrund der Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam gewesen, da es für den Fristbeginn auf die vollständige Kenntnisnahme der für die außerordentliche Kündigung maßgebenden Tatsachen ankomme. Eine Zugangsfiktion – hier auf den 11. Februar 2016 – sei zwar nach ständiger Rechtsprechung des BGH und BAG grundsätzlich möglich, aber nur dann, wenn der Empfänger das Zugangshindernis selbst zu vertreten hat. Das heißt, er muss die geeigneten Vorkehrungen treffen, um einen Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu ermöglichen. Zu diesen Vorkehrungen gehöre auch die Mitteilung einer Adressänderung gegenüber dem Arbeitgeber. Die Grundsätze der Zugangsfiktion greifen allerdings – so das LAG – nur dann, wenn der Erklärende alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, damit die Erklärung fristgerecht zugehen kann. Dies sei hier nicht geschehen, denn die Beklagte habe nach dem erfolglosen Zustellversuch nicht alle ihr zur Verfügung stehenden und zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten zur Ermittlung der neuen Anschrift ausgeschöpft, um den Zugang der Kündigung noch innerhalb der Frist zu bewirken. So hätte die Beklagte insbesondere entsprechende Nachforschungen beim Einwohnermeldeamt anstellen müssen, da der Kläger sich ordnungsgemäß ab- und angemeldet hatte.

Was dies für die Praxis bedeutet

Arbeitnehmer, die eine Kündigungsschutzklage erhoben haben, die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, müssen dem Arbeitgeber ihre Adressänderungen mitteilen. Dies gilt zumindest dann, wenn mit dem Zugang von weiteren rechtserheblichen Erklärungen gerechnet werden muss, was in der Praxis der Regelfall sein dürfte. Unterlassen Arbeitnehmer eine entsprechende Mitteilung, kann dies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB die Fiktion eines fristgerechten Zugangs auslösen. In der Konsequenz könnte dies zu einem Versäumen der Klagefrist in Sinne von § 4 S. 1 KSchG führen. Der Arbeitgeber ist seinerseits gehalten, auch bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers alles Zumutbare zu tun, um den fristgerechten Zugang zu ermöglichen. Hierfür trägt er die Beweislast.

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