Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - 5 Anhaltspunkte

Die derzeitige #metoo Kampagne macht es deutlich: Sexuelle Belästigung ist auch in der Arbeitswelt kein Einzelfallproblem. Nicht selten kommt es am Arbeitsplatz zu Aufdringlichkeiten durch Kollegen, Vorgesetzte oder Dritte. Den Wenigsten allerdings sind Präventions- oder Schutzmaßnahmen gegen derartige Übergriffe bekannt.

Die folgenden 5 Antworten sollen für Betroffene sowie Arbeitgeber und Betriebsräte Ansätze aufzeigen, welche Maßnahmen präventiv oder im Falle einer Belästigung getroffen werden können:

1.Wann liegt eine sexuelle Belästigung vor?
Auch wenn der Begriff im Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert wird, ist die Abgrenzung einer Belästigung, insbesondere vom einvernehmlichen Flirt am Arbeitsplatz, mitunter schwierig. Prägend sind jedenfalls folgende Merkmale:

Die Verhaltensweise der beschuldigten Person muss 

  • unerwünscht und einseitig sein. Spätestens wenn eine ausdrückliche Ablehnung vom Gegenüber signalisiert wird, ist die Grenze zu einer Benachteiligung überschritten;
  • sexualisiert und geschlechtsbezogen sein;
  • für das Opfer erniedrigend und abwertend sein. Dabei kommt nicht auf die Beabsichtigung des Beschuldigten an, sondern auf die Empfindungen der belästigten Person;
  • Zudem spielen Drohungen mit beruflichen Nachteilen nicht selten eine Rolle;
  • Die Belästigung kann körperlicher (Berührungen), verbaler (anzügliche Bemerkungen und Witze sowie Aufforderung zu sexuellen Handlungen) oder non-verbaler (unerwünschtes Anstarren, Gesten, Versenden pornographischer Inhalte) Art sein.

2. Das AGG
Jedwede Formen von sexuellen Belästigungen sind nach dem AGG verboten. Handlungen, die in der Öffentlichkeit möglicherweise nicht geahndet werden können (z.B. unangenehme Blicke) sind am Arbeitsplatz ausdrücklich nicht erlaubt. Dazu hält das Gesetz eine Palette an Rechten der Betroffenen bereit, sowie Pflichten, die dem Arbeitgeber zum Schutze seiner Mitarbeiter auferlegt werden. Zweck ist es, den Arbeitsplatz durch die aufgezeigten Maßnahmen von sexuellen Aufdringlichkeiten zu befreien und so eine gute betriebliche Arbeitsatmosphäre zu schaffen.

3. Was können Betroffene tun?
Zu den vom AGG bereitgestellten Rechten zählt:

  • Eine Beschwerde bei einer betrieblichen Stelle oder beim Betriebsrat. Die Beschwerde sollte, auch wenn es keine Frist gibt, unverzüglich nach dem Vorfall eingereicht werden. Dabei sollte vorher juristischen Rat eingeholt werden. Wichtig ist, dass bei einer Beschwerde für die betroffene Person keine rechtlichen Nachteile entstehen (§ 16 Abs. 1 AGG). Oftmals scheitert die Aufarbeitung gerade an der Angst vor solchen Beeinträchtigungen.
  • Das Verlangen von Schadensersatz bzw. einer Entschädigung. Dabei ist grundsätzlich eine Frist von zwei Monaten einzuhalten.
  • Ein Leistungsverweigerungsrecht. Der Arbeitnehmer kann in gravierenden Fällen dem Arbeitsplatz fernbleiben, wenn vom Arbeitgeber keine Schutzmaßnahmen getroffen werden, ohne dabei seinen Lohn einbüßen zu müssen. Darüber sollte der Arbeitgeber aber schriftlich und unter Angabe von Gründen informiert werden.

In jedem Fall gilt: Betroffene sollten aktiv gegen die Belästigung vorgehen. Im Einzelfall kann eine solche Benachteiligung langfristige gesundheitliche Schäden mit sich bringen und den Betriebsfrieden beeinträchtigen.

Hilfe und Beratung kann unter anderem auch bei folgenden Stellen gefunden werden:

  • Beratungsstelle der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: [030/185551865]
  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: [0800/0116016]

4. Was kann der Arbeitgeber tun?
Den Arbeitgeber treffen Schutzpflichten (§12 AGG), unabhängig davon, ob Belästigungen von anderen Beschäftigen, Vorgesetzten oder Dritten (Kunden oder Vertragspartnern) ausgehen.
Deshalb gilt grundsätzlich, dass jede Beschwerde eines/einer Beschäftigen unbedingt ernst zu nehmen ist. Gar keine Reaktion des Arbeitgebers ist in jedem Fall die falsche Vorgehensweise.

a)Prävention:
Folgende Maßnahmen können Vorfällen vorbeugen:

  • Bereitstellung von Informationen zu sexueller Belästigung, zu Rechten aus dem AGG und möglichen Beratungsstellen für Beschäftigte, um so im Betrieb ein Bewusstsein für das Thema schaffen. Studien zeigen, dass noch immer viele Mitarbeiter keine hinreichende Kenntnis über zu treffende Maßnahmen haben.
  • Einrichtung einer betrieblichen Beschwerdestelle für Betroffene und die Bekanntmachung der Beschwerdestelle unter den Beschäftigten.
  • Weitergehend: Schulungen und Fortbildungen zum Thema – insbesondere für Personalverantwortliche – anbieten.

b) Im Fall einer sexuellen Belästigung:

  • Möglich sind Ermahnungen, Abmahnungen, Umsetzungen oder Versetzungen von Opfer oder Beschuldigtem oder als ultima ratio auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (z.B. bei wiederholten Beschwerden oder körperlichen Übergriffen). Auch eine außerordentliche Kündigung kann in Betracht kommen, wenn durch die Handlung die Würde des Opfers erheblich herabgesetzt wird.
  • Zu beachten ist, dass die Maßnahmen verhältnismäßig sein müssen: Den Arbeitgeber treffen Pflichten gegenüber dem Betroffenen, aber auch gegenüber der beschuldigten Person, z.B. im Falle einer bloßen Unterstellung. Es gilt hier abzuwägen und die Schwere des Vorfalls richtig einzuschätzen.
    Bei Belästigung seitens Dritter kann der Arbeitgeber je nach Schwere des Vorfalls dazu angehalten sein, die Vertragsbeziehung zum Dritten aufzukündigen oder dies anzudrohen.

5. Welche Pflichten hat der Betriebsrat (falls vorhanden)?
Auch den Betriebsrat treffen Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern. Er muss Beschwerden entgegennehmen und sicherstellen, dass der Arbeitgeber seinen Schutzpflichten nachkommt (§85 BetrVG). Auch die Vornahme präventiver Maßnahmen ist vom Betriebsrat zu überwachen.

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