Neuer erweiterter Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach dem Entgelttransparenzgesetz

Ziel des Entgelttransparenzgesetzes ist, die Entgeltgleicheit zwischen Frauen und Männern herzustellen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes liegt der Fokus in der Öffentlichkeit auf dem möglichen individualrechtlichen Auskunftsanspruch von Arbeitnehmern. In den Hintergrund sind dabei die kollektivrechtliche Auswirkungen des Auskunftsanspruchs geraten.


Einleitung

Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll mithilfe des neuen Gesetzes durch die aktive Einbeziehung der betrieblichen Interessenvertretungen, also der Betriebsräte, unter anderem bei der Beantwortung des individuellen Auskunftsanspruchs die gleichstellungspolitische Verantwortung der betrieblichen Interessensvertretungen noch einmal hervorgehoben werden.

Die Regelungen des EntgTranspG sehen damit eine Erweiterung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten des Betriebsrats vor. Insbesondere kann aus dem individuellen Auskunftsanspruch mittelbar ein kollektiver Auskunftsanspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber resultieren. 

Anwendungsbereich und weiter Entgeltbegriff

Der individuelle Auskunftsanspruch besteht für Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten, vgl. § 12 Abs. 1 EntgTranspG. Unter „Entgelt“ i.S.d. § 5 Abs. 1 EntgTranspG sind alle Geld- und Sachleistungen zu verstehen, die der Arbeitgeber den Beschäftigten unmittelbar oder auch mittelbar aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses zahlt.

Auskunftsanspruch des Betriebsrats

Nach § 13 Abs. 1 EntgTranspG i.V.m. § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG gehört die Förderung der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern zu den Aufgaben des Betriebsrats. Mit der Einführung der §§ 13 Abs. 2 und 3 EntgTranspG wird das Einsichtsrecht des Betriebsrats in Entgeltlisten nach § 80 Abs. 2 BetrVG entsprechend erweitert. Hierdurch wird der Arbeitgeber verpflichtet, betriebsbezogen nach Geschlecht aufgeschlüsselte Entgeltlisten zu führen, die alle Entgeltbestandteile einschließlich übertariflicher Zulagen, individuell ausgehandelter Vergütungsbestandteile sowie sonstige mittelbar aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gewährte Leistungen enthalten.

Mögliche Praxisfolgen

Es könnte künftig auch ein Auskunftsanspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber bei der Gewährung von Aktienoptionen durch eine ausländische Muttergesellschaft bestehen. Einen solchen Auskunftsanspruch hat das BAG bislang nach dem BetrVG verneint.

Hintergrund ist der weite Entgeltbegriff i.S.d. § 5 Abs. 1 EntgTranspG. Entgelt aufgrund von Aktienoptionsverträgen (Stock Options oder Deferred Stock) mit ausländischen Muttergesellschaften könnte vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst werden, weil es sich hierbei um mittelbar im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis erbrachte Leistungen und damit Entgelt i.S.d. § 5 Abs. 1 EntgTranspG handeln könnte.

Dies hätte zur Folge, dass Betriebsräte nach § 13 Abs. 2 und 3 EntgTranspG i.V.m. § 80 Abs. 2 BetrVG künftig unter Umständen ein Auskunftsanspruch über die Gewährung von Aktienoptionen gegenüber dem Arbeitgeber zusteht, auch wenn die Aktienoptionsverträge zwischen den Arbeitnehmern und einer ausländischen Muttergesellschaft geschlossen werden. Zumindest wäre der Arbeitgeber im Rahmen der Erstellung der Entgeltlisten zu diesbezüglichen Auskünften gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet. 
 
Die Auskunft dürfte jedenfalls auch die Bezugsrahmen und Verteilungsparameter bei der Gewährung von Aktienoptionen erfassen, vgl. § 11 EntgTranspG. Für den deutschen Arbeitgeber könnte die praktische Umsetzung der Auskünfte zu Folgeproblemen führen: Wie erhält der deutsche Arbeitgeber diese Informationen von der ausländischen Muttergesellschaft? Zur Erfüllung des Anspruchs bedarf es dann der Mitwirkung der ausländischen Muttergesellschaft. Ohne eine solche Mitwirkungshandlung wird ein deutscher Arbeitgeber die entsprechenden Auskünfte schwer erteilen können.

Es bleibt abzuwarten, wie weitreichend der „neue“ Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach dem EntgTranspG künftig sein wird.

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