Kein Anspruch auf Verzugspauschalen beim Lohnverzug des Arbeitgebers

Kommt ein Arbeitgeber mit der Zahlung der Vergütung in Verzug, steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale gem. § 288 Abs. 5 BGB zu. Trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regelung auf das Arbeitsverhältnis, ist der Anspruch durch die in § 12a ArbGG normierte Spezialregelung ausgeschlossen.

BAG, Urteil vom 29.09.2018, 8 AZR 26/18

Sachverhalt

In § 288 Absatz 5 BGB ist geregelt, dass dem Gläubiger einer Entgeltforderung grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro zusteht, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet, soweit der Schuldner kein Verbraucher ist. Hierdurch hat der Gesetzgeber die Vorgabe der Richtlinie 2011/7/EU umgesetzt, die einen pauschalen Zahlungsanspruch unabhängig von einem tatsächlichen Verzugsschaden ohne weitere Mahnung vorsieht. Seit der Einführung im Jahre 2014 herrschte jedoch Streit darüber, ob bzw. inwieweit diese auch auf das Arbeitsrecht Anwendung findet. Hintergrund dieses Streits ist die Frage, ob die Vollzugspauschale durch die Regelung in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG gesperrt wird, wonach  in Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes besteht. Nunmehr entschied erstmals das BAG über diese Frage.

In dem der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Sachverhalts wendete sich ein Arbeitnehmer gegen das Unternehmen, bei dem er langjährig beschäftigt ist. Im Rahmen dieses Rechtsstreits machte er erfolgreich geltend, dass die Beklagte sich zur Zahlung einer tariflichen Besitzstandszusage verpflichtet habe. Diese erhielt der Kläger verspätet, sodass er zusätzlich auch die Zahlung von drei Verzugspauschalen je 40 Euro verlangte. Die Vorinstanzen gaben der Klage des Arbeitnehmers statt. Die Revision des Beklagten wendet sich noch gegen die Verurteilung zur Zahlung der Pauschalen.

Entscheidung

Während die Vorinstanzen von einer Anwendbarkeit des § 288 Abs. 5 BGB ausgingen und dem Kläger somit den Anspruch auf Zahlung der drei Verzugspauschalen in voller Höher zusprachen, lehnte das BAG einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung der Verzugspauschalen ab. Das LAG Düsseldorf ging davon aus, dass mangels einer planwidrigen Regelungslücke eine analoge Anwendung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ausscheide. Die Entscheidung des Gesetzgebers, für das Arbeitsrecht keine Ausnahme der Anwendung der Regelung zu schaffen, habe dieser bewusst getroffen. Demgegenüber führte das BAG in seiner Pressemitteilung als Begründung aus, dass § 288 Abs. 5 BGB zwar grundsätzlich auch in Fällen Anwendung finde, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befindet. Allerdings schließe § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten aus, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB.

Praxisfolgen

Mit seiner Entscheidung beendet das BAG einen langbestehenden Streit im Arbeitsrecht und schafft so Rechtssicherheit. Aufgrund der divergierenden Rechtsprechung hinsichtlich dieser Frage, war der Anspruch des Arbeitnehmers oftmals von der Zuständigkeit des Gerichts abhängig. Nunmehr hat das BAG klar entschieden, dass für Arbeitgeber keine Zahlungspflicht einer zusätzlichen Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro pro Monat besteht.

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