Kann der Arbeitgeber Sonderzahlungen noch flexibel gestalten?

Während sich Arbeitnehmer vom Arbeitgeber regelmäßig mehr Flexibilität hinsichtlich der Gestaltung ihrer Arbeitszeit oder des Arbeitsortes wünschen, um eine angemessene „Work-Life-Balance“ zu erzielen, möchte dieser oft Vergütungsbestandteile flexibel gestalten können. In den letzten Jahren gab es unzählige Urteile, die die rechtlichen Grenzen bei der Gestaltung von flexiblen Vergütungsbestandteilen, wie z.B. Boni und Weihnachtsgeld, neu definiert und die Handlungsoptionen des Arbeitgebers deutlich eingeschränkt haben. Dabei den Überblick zu behalten, fällt Arbeitgebern – verständlicherweise – schwer.

Freiwillig oder nicht freiwillig – das ist die hier Frage!

Dem Arbeitgeber stehen bei der flexiblen Gestaltung der Vergütung diverse Instrumente zur Verfügung, deren Voraussetzungen sich in der Vergangenheit sehr verändert haben. Dies soll nachfolgend am Beispiel des Freiwilligkeitsvorbehalts kurz verdeutlicht werden:

Bsp. „Zusätzlich zum Grundgehalt wird als freiwillige Leistung ein Weihnachtsgeld in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt gezahlt.“

Mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt soll die Entstehung eines Anspruchs verhindert werden, so dass der Arbeitgeber in der Zukunft frei ist, die Zahlung nicht mehr zu erbringen. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt muss sehr klar, transparent und widerspruchsfrei formuliert werden, andernfalls ist er wegen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Formulierung „wird […] gezahlt“ im obengenannten Beispiel erfüllt diese Voraussetzung nicht, da dadurch einen Anspruch impliziert wird, der im Widerspruch zur Freiwilligkeit der Leistung steht.

Bsp. „Wenn und soweit eine Sonderzahlung gezahlt wird, ist diese freiwillig und jederzeit widerruflich.“

Auch diese Formulierung, die in der Praxis oft genutzt wird, ist unwirksam, da sie einen Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt kombiniert. Dies ist in jedem Falle wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebots unwirksam, da ein Widerruf stets einen Anspruch voraussetzt, der durch den Freiwilligkeitsvorbehalt eigentlich vermieden werden soll.

Betriebliche Übung als Ausweg?

Vor dem Hintergrund dieser sprachlichen Hürden, ist es jedoch auch nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn sich der Arbeitgeber dazu entscheidet, lieber gar nichts vertraglich zu regeln und eine Sonderzahlung vorbehaltlos erbringt. Zahlt der Arbeitgeber beispielsweise drei Jahre in Folge ohne vertragliche Regelung ein Weihnachtsgeld vorbehaltlos an die Arbeitnehmer aus, kann eine betriebliche Übung entstehen, die zur Folge hat, dass die Arbeitnehmer auch im vierten Jahr Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes haben. Wenn die Zahlungen in der Vergangenheit unterschiedlich hoch waren, kann der jeweilige Arbeitnehmer allerdings nicht die Zahlung der höchsten Summe beanspruchen, sondern in diesem Fall muss die Höhe durch billiges Ermessen gemäß § 315 BGB ermittelt werden.

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