Neues Wirksamkeitserfordernis für die Kündigung Schwerbehinderter – Das Bundesteilhabegesetz vom 23.12.2016

Am 01. Dezember 2016 hat der Bundestag das Bundesteilhabegesetz verabschiedet, das unter anderem wichtige Neuregelungen für die arbeitsrechtliche Praxis beinhaltet. Davon sind vor allem die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung (SchwbV) und der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen betroffen.

Ab dem 01.01.2018 wird das Schwerbehindertenrecht in den §§ 151 ff. SGB IX geregelt sein. Das bereits zum 30.12.2016 zum Teil in Kraft getretene Bundesteilhabegesetz hat zu größeren Änderungen im SGB IX geführt.

Von besonderer kündigungsrechtlicher Bedeutung ist die Neuregelung in § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX, wonach der Ausspruch einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne Beteiligung der SchwbV unwirksam ist. Der Gesetzgeber hat dadurch die rechtliche Stellung der SchwbV weiter gestärkt.

Wichtige Neuregelungen im Bereich des Rechts der Schwerbehindertenvertretung

Die Beteiligung der SchwbV war bisher in § 95 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 SGB IX dahingehend geregelt, dass der Arbeitgeber diese in allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte Menschen einzeln oder als Gruppe berühren, wie etwa Einstellungen, Versetzungen, Abmahnungen und Kündigungen, unverzüglich umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören hat. Dadurch soll der SchwbV die Möglichkeit eingeräumt werden, Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme muss der Arbeitgeber zur Kenntnis nehmen und würdigen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, dieser Folge zu leisten.

Die unterlassene Beteiligung der SchwbV hatte nach der Rechtslage bis zum 29.12.2016 lediglich die Aussetzung der Durchführung bzw. Vollziehung der getroffenen Entscheidung zur Folge.

Unter der maßgeblichen Entscheidung i.S.d. § 95 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 SGB IX ist dabei bereits die Beantragung der zu einer Kündigung eines Mitarbeiters erforderlichen Zustimmung des Integrationsamts zu verstehen, sodass die Anhörung der SchwbV grundsätzlich vor dem Antrag beim Integrationsamt erfolgen muss.

Sollte der Arbeitgeber jedoch den Antrag bereits stellen, ohne zuvor die SchwbV beteiligt zu haben, ist das Integrationsamt verpflichtet, das Zustimmungsverfahren auszusetzen. Der Arbeitgeber hat die Anhörung binnen sieben Tagen nachzuholen.
Wichtige Neuregelungen betreffen dabei die Auswirkungen des Verstoßes auf die Kündigung: Mangels einer § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG entsprechenden Regelung blieb die Kündigung nach bisheriger Rechtslage wirksam. Nunmehr ist diese jedoch gemäß dem neu eingefügten § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX unwirksam.

Anhaltspunkte für die Praxis
Sollte die Anhörung der SchwbV letztlich unterbleiben, ist der Zustimmungsantrag durch das Integrationsamt auszusetzen bzw. zurückzuweisen. Da zudem eine Anhörung der SchwbV bereits grundsätzlich vor dem Zustimmungsantrag an das Integrationsamt erfolgen muss und eine ohne die Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung ohnehin unwirksam ist, dürfte sich die neue Unwirksamkeitsfolge des § 95 Abs. 2 s. 3 SGB IX praktisch vor allem dann auswirken, wenn das Integrationsamt trotz unterlassener Beteiligung der SchwbV dennoch seine Zustimmung erteilt und die Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesprochen wird.

Guido Völkel, LL.M.  Bird & Bird LLP

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