Neuer europäischer Aufenthaltstitel für konzerninternen Transfer von Mitarbeitern

Mit Wirkung zum 1. August 2017 hat die Bundesrepublik nunmehr die europäische Richtlinie zum Aufenthaltsrecht bei der Entsendung von Mitarbeitern innerhalb von Konzernen in deutsches Recht umgesetzt und damit einen neuen Aufenthaltstitel, die sogenannte ICT-Karte, geschaffen. Dieser Aufenthaltstitel richtet sich speziell an Mitarbeiter aus dem außereuropäischen Ausland, welche im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ICT= Intra Corporate Transferee) in eine europäische Niederlassung oder Konzerngesellschaft entsandt werden.

Die Besonderheit der Neuregelung besteht darin, dass mit der ICT-Karte erstmals ein innerhalb der Europäischen Union vereinheitlichter Aufenthaltstitel geschaffen wurde, der in begrenztem Maße zugleich eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat der EU ermöglicht. So gewährt eine von einem Mitgliedstaat der EU erteilte ICT-Karte zugleich auch die Möglichkeit zur kurzfristigen Tätigkeit innerhalb der EU („kurzfristige Mobilität“) und bietet ein erleichtertes Verfahren für die Beantragung einer längerfristigen Arbeitserlaubnis in den anderen EU-Mitgliedstaaten („Mobiler-ICT-Karte“). Die Neuregelungen gelten für alle EU-Staaten mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark. Für Deutschland sind die Neuregelungen in den §§ 19b- d AufenthG geregelt und ergänzen die bisher bereits bestehenden aufenthaltsrechtlichen Regelungen.

Generell richtet sich die ICT-Karte an Drittstaatenangehörige, die als Führungskräfte, Spezialisten oder Trainees in einem Unternehmen im EU-Ausland tätig sind und für mehr als 90 Tage in eine europäische Niederlassung derselben Unternehmensgruppe entsandt werden.
Eine ICT-Karte kann unter den folgenden Voraussetzungen beantragt werden: 

  • Entsendung in eine Niederlassung in Deutschland, die demselben Unternehmen bzw. derselben Unternehmensgruppe angehört wie die Niederlassung im EU-Ausland, bei welcher der Arbeitnehmer zuvor seit mindestens sechs Monaten beschäftigt ist,
  • Tätigkeit in der aufnehmenden Niederlassung in Deutschland als Führungskraft, Spezialist oder Trainee sowie Nachweis der entsprechenden beruflichen Qualifikation,
  • das Arbeitsverhältnis mit dem entsendenden Unternehmen bzw. Unternehmensgruppe muss mindestens sechs Monate ununterbrochen bestanden haben,
  • der unternehmensinterne Transfer dauert länger als 90 Tage,
  • Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG und
  • Vorlage eines für die Dauer der Entsendung des unternehmensinternen Transfers gültigen Arbeitsvertrages sowie eines entsprechendes Abordnungsschreibens nach Deutschland.

Eine Unternehmensgruppe in diesem Sinne liegt vor bei zwei oder mehr Unternehmen, die nach nationalem Recht als miteinander verbunden gelten, also im Fall der Ausübung von Kontrolle eines Unternehmens über ein anderes Unternehmen oder bei Unternehmen, die unter einheitlicher Leitung eines Mutterunternehmens stehen.

Persönlich gilt die Neuregelung für drei Kategorien von Mitarbeitern, nämlich Führungskräfte, Spezialisten und Trainees. Führungskräfte in diesem Sinne sind in einer Schlüsselposition beschäftigte Personen, die in erster Linie die aufnehmende Niederlassung leiten und die hauptsächlich unter der allgemeinen Aufsicht des Leitungsorgans oder der Anteilseigner oder gleichwertiger Person steht. Entscheidend ist hierbei, dass der Arbeitnehmer eine leitende Position innehat, welche sowohl Leitung als auch Steuerung und Kontrolle beinhaltet. Spezialist ist, wer über unerlässliche Spezialkenntnisse über die Tätigkeitsbereiche, die Verfahren oder die Verwaltung der aufnehmenden Niederlassung, ein hohes Qualifikationsniveau, sowie angemessene Berufserfahrung verfügt. Unter die Kategorie von Trainees fallen Mitarbeiter, welche über einen Hochschulabschluss verfügen, ein Trainee-Programm absolvieren und entlohnt werden. Das Trainee-Programm muss dabei der beruflichen Entwicklung oder der Fortbildung in Bezug auf Geschäftstechniken und Methoden dienen.

Die Dauer der Entsendung ist für Spezialisten und Fachkräfte auf drei Jahre, für Trainees auf ein Jahr beschränkt. Die geplante Dauer des Transfers ist bei der Beantragung anzugeben, sofern sich diese nicht bereits aus den vorzulegenden Vertragsunterlagen ergibt. Hierbei ist wichtig, dass die ICT-Karte generell für die Dauer des Transfers einen bestehenden Arbeitsvertrag ggf. nebst Abordnungsvereinbarung mit dem außereuropäischen Unternehmen voraussetzt. Ein Arbeitsvertag allein mit dem aufnehmenden Unternehmen in Deutschland genügt nicht, auch darf der mit dem entsendenden Unternehmen bestehende Arbeitsvertrag nicht für die Dauer der Entsendung ruhend gestellt sein. Die ICT-Karte wird nicht erteilt, wenn die aufnehmende Niederlassung hauptsächlich zu dem Zweck gegründet wurde, die Einreise von unternehmensintern transferierten Arbeitnehmern zu erleichtern, so beispielsweise in Fällen, in denen die aufnehmende Niederlassung keiner originären Geschäftstätigkeit nachgeht oder erst zum Zweck der Aufnahme von Mitarbeitern gegründet wurde. Ferner gilt nach einer Entsendung aufgrund einer ICT-Karte eine Karenzzeit für den transferierten Arbeitnehmer, ein neuer Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte kann erst nach Ablauf von sechs Monaten nach der Ausreise gestellt werden. 

Die in einem Mitgliedstaat der EU erteilte ICT-Karte berechtigt nach den Vorgaben der Richtlinie 2014/66/EU zur kurzfristigen und langfristigen Mobilität in einen anderen EU-Mitgliedstaat, wobei es wiederum von der Rechtslage des anderen EU-Mitgliedstaates abhängig ist, ob die langfristige Mobilität allein auf der Grundlage der ICT-Karte erfolgen kann oder sie zusätzlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels für die Mobilität durch den anderen Mitgliedstaat voraussetzt. Die rechtlichen Grundlagen werden hierbei durch die jeweiligen Mitgliedstaaten geregelt. 

Drittstaatsangehörige, denen in einem anderen europäischen Mitgliedstaat eine ICT-Karte gewährt wurde, sind nach den deutschen Regelungen berechtigt, auf der Grundlage ihrer (ausländischen) ICT-Karte in Deutschland bis zu 90 Tage (innerhalb von 180 Tagen) zu leben und zu arbeiten, ohne dass hierfür ein zusätzlicher deutscher Aufenthaltstitel erforderlich ist (sogenannte kurzfristige Mobilität). Die kurzfristige Mobilität erfordert lediglich eine vorherige Mitteilung durch die aufnehmende Niederlassung in dem anderen Mitgliedstaat, bei welcher der Mitarbeiter aufgrund der ICT-Karte tätig ist, an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Für einen längeren Arbeitsaufenthalt (mehr als 90 Tage innerhalb von 180 Tagen) können Drittstaatsangehörige, die über eine ICT-Karte aus einem anderen Mitgliedstaat verfügen, eine so genannte Mobiler-ICT-Karte beantragen. Hierfür gelten grundsätzlich dieselben Voraussetzungen wie für den Antrag auf eine ICT-Karte in Deutschland. Die Besonderheit besteht aber darin, dass bereits mit der Antragstellung auf Erteilung einer Mobiler-ICT-Karte in Deutschland, der Aufenthalt und die Beschäftigung des Ausländers bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde für bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen als erlaubt gelten. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass der Antrag auf Erteilung der Mobiler-ICT-Karte mindestens 20 Tage vor Beginn des Aufenthaltes in Deutschland gestellt wird und der Aufenthaltstitel des anderen Mitgliedstaates weiterhin gültig ist. Die Mobiler-ICT-Karte wird nicht erteilt, wenn sich der Ausländer im Rahmen des unternehmensinternen Transfers in Deutschland länger aufhalten wird als in anderen Mitgliedstaaten.

Mit den Möglichkeiten zur kurzfristigen und langfristigen Mobilität innerhalb der Europäischen Union bietet die Neuregelung Unternehmen ein wesentliches Mehr an Flexibilität bei der Entsendung von Mitarbeitern aus dem außereuropäischen Ausland und zeichnet damit eine Wahrnehmung nach, die Unternehmen aus dem außereuropäischen Ausland vielfach haben: die Wahrnehmung Europas als einheitlichen Wirtschaftsraum. 

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